IMI-Standpunkt 2019/016

Rechte Netzwerke in der Bundeswehr

Rede beim Ostermarsch in Stuttgart (20.4.2019)

von: Alexander Kleiß | Veröffentlicht am: 23. April 2019

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Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

dass die Bundeswehr Menschen anzieht, die viel auf absurde Werte wie Vaterlandstreue oder bedingungslosen Gehorsam geben, das ist nichts neues.

Sogar, dass beim Militär auch Neonazis an der Waffe ausgebildet werden, überrascht uns leider wenig.

Aber was in den vergangenen Monaten an die Öffentlichkeit kam, das ist eine ganz neue Dimension:

Scheibchenweise veröffentlichte die Presse immer neue Details über ein weit verzweigtes, militantes, rechtes Netzwerk im Umfeld von Militär, Polizei und Geheimdiensten:

Ein Netzwerk, das Waffenlager anlegte, Todeslisten anfertigte und sich auf die Ermordung politischer Gegnerinnen an einem „Tag X“ vorbereitete. Der Focus spricht sogar von einer Schattenarmee, einem konspirativen „Netzwerk aus circa 200 ehemaligen und aktiven Bundeswehrsoldaten“.

Diese Faschisten mitten im Staatsapparat führen Listen. Listen über Menschen wie uns. Über Menschen, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen! Und sie führen diese Listen, weil sie die Menschen, die darauf stehen, vernichten wollen. Es gab konkrete Planungen, diese Menschen an einem Tag X gefangen zu nehmen, sie an bestimmten Orten zu sammeln – oder sollte ich besser sagen: zu konzentrieren – um sie dann zu ermorden.

Und die Pläne waren bereits sehr konkret: In Mecklenburg-Vorpommern wurde sogar überlegt, wie man über den Reservistenverband an Uniformen und Fahrzeuge der Bundeswehr gelangen könnte, um militärische Checkpoints oder Polizeisperren besser passieren zu können.

Der Verein Uniter und dessen langjähriger stellvertretender Vorstand Andre S. spielen eine zentrale Rolle in der Organisationsstruktur dieses rechten Netzwerks. Uniter führte paramilitärische Trainings durch und plante den Aufbau einer bewaffneten Defence-Einheit. Andre S. administrierte unter dem Decknamen „Hannibal“ mehrere Chatgruppen rechtsextremer Prepper. Er kennt all die Rechten, die ich im weiteren noch erwähnen werde.

André S. war bis zu seiner Entlassung vor kurzem Soldat bei der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte – kurz: KSK. Von Sindelfingen aus organisierte er heimlich militärtaktische Trainings – mindestens eines auch hier in Baden-Württemberg. Höchstwahrscheinlich gab er dabei auch Wissen aus seiner Tätigkeit als Elitesoldat weiter. Man muss bedenken: Diese Kommandosoldaten sind darauf spezialisiert, Häuser zu erstürmen und Zielpersonen in kürzester Zeit zu erschießen oder mitzunehmen.

Unter anderem der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco Albrecht, der 2017 für Schlagzeilen sorgte, weil er unter einer falschen Identität als Geflüchteter Anschläge begehen wollte, gehörte dem militanten Netzwerk an. Er war bei mindestens zwei Treffen in Baden-Württemberg dabei.

Auch mehrere weitere Soldaten des KSK, jener Eliteeinheit der Bundeswehr, bei der auch Andre S. war, gehören dazu.

Doch damit nicht genug:

Der MAD-Mitarbeiter Peter W. wurde angeklagt, weil er André S. vor bevorstehenden Razzien gewarnt haben soll. Auch er war beim KSK vor seiner Zeit beim MAD. Vom Vorwurf des Geheimnisverrats wurde er vor kurzem freigesprochen. An der Rechtsmäßigkeit dieses Freispruchs gibt es berechtigte Zweifel.

Und dann gibt es da noch den Soldaten Maximilian T.: Er gilt als Komplize von Franco Albrecht. Ihm wurde vorgeworfen, mit Franco Albrecht handschriftliche Notizen mit möglichen Anschlagszielen erstellt zu haben. Die Zielpersonen waren in Kategorien von A-D eingeteilt – ähnlich wie beim faschistischen Massenmörder Anders Breivik.

Doch: Mittlerweile wurden auch bei Maximilian T. die Ermittlungen eingestellt. Auch in diesem Fall eine zweifelhafte Entscheidung. Mittlerweile arbeitet Maximilian T. im Bundestag für den AfD-Abgeordneten Jan Nolte. Er bekommt dort sensible Informationen – auch zu seinem eigenen Fall – und hat einen Bundestags-Hausausweis. D.h. dieser Typ, der in seiner Freizeit womöglich Terrorpläne schmiedet, kann sich ohne Kontrollen frei im Bundestag bewegen.

Da frage ich mich: Was läuft hier eigentlich falsch?

Noch absurder wird es bei der Personalie Ringo M.:

Er arbeitete seit 2015 für den Landesverfassungsschutz. 2016 wurde er Vorstand von Uniter. Unter einem anderen Nachnamen war er zuvor Polizist in der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit 523, in der auch die 2007 vom NSU ermordete Michèle Kiesewetter arbeitete.

Allgemein finden sich in dieser mittlerweile aufgelösten Polizeieinheit mehrere Bezüge zu Uniter bzw. zum militanten Rechtsextremismus. Zwei Polizisten dieser Einheit waren Mitglied einer KuKluxKlan-Zelle, die Verbindungen zum NSU hatte. Ein anderer Polizist dieser Einheit macht heute Geschäfte mit Uniter. Und Ringo M. war wie gesagt die letzten drei Jahre Vorstand von Uniter.

Diese Verbindungen zwischen dem NSU und dem rechten Netzwerk um Uniter mögen Zufall sein: Sie zeigen aber, wie desaströs die Lage in den Sicherheitsbehörden ist. Ob im Militär, bei den Reservisten, in der Justiz oder bei der Polizei – ob beim Verfassungsschutz oder beim MAD: In all diesen staatlichen Strukturen finden sich Neonazis mit Umsturzplänen. Und im Fall des Hannibal-Netzwerks sind sie bestens vernetzt.

Und wenn ich dann Dinge höre wie „Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse über das angebliche Bestehen eines rechten Netzwerks in der Bundeswehr“, dann werde ich wütend.

Wütend darüber, dass man so ignorant sein kann, dieses Problem einfach zu leugnen!

Wütend darüber, dass dieser Staat aus seinem Versagen beim NSU einfach nichts gelernt hat! Wütend darüber, dass Neonazis auf unsere Kosten militärisch ausgebildet werden – ob im Reservistenverband, beim KSK oder in anderen Militäreinheiten.

Und es macht mich wütend, dass offensichtliche Neonazis in der Bundeswehr von der Regierung nicht als Neonazis, sondern nur als Verdachtspersonen bezeichnet werden – obwohl sie z.T. sogar rechtsradikale Tattoos auf ihrem Körper tragen, den Hitlergruß zeigen oder Terrorpläne schmieden! Was muss man denn noch machen, um in der Bundeswehr als Nazi erkannt zu werden?

Und die Nazis in der Bundeswehr sind keine Einzelfälle, wie es uns die Regierung glauben machen möchte. Militarismus und Faschismus sind zwei Ideologien, die sich inhaltlich in weiten Teilen gleichen. Zwei Ideologien, die sich historisch immer wieder aufeinander bezogen.

Deshalb ist eine Kritik an Krieg und Militär auch immer antifaschistisch:

Denn Militarismus und der momentane Rechtsruck führen zu Faschismus und Krieg!

Doch das werden wir nicht zulassen! Wir stellen dem entgegen:

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!