IMI-Standpunkt 2019/014

Würth legt Widerspruch ein

Wie ein Familienunternehmen erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien machte

von: Jens Wittneben | Veröffentlicht am: 8. April 2019

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Das bei bundesdeutschen Handwerksbetrieben bekannte Familienunternehmen Würth aus Baden-Württemberg legte Widerspruch gegen den Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien ein. Die Saudis sind maßgeblich am Krieg und der humanitären Katastrophe im Jemen beteiligt und wegen des Todes und Verschwindens des Journalisten Kashoggi in der Kritik.

Würth drohte so mit Schadenersatz: „Es geht um einen niedrigen sechsstelligen Betrag: Teile des Auftrags, der laut „Spiegel“ ein Volumen von 900 000 Euro hatte, sind abgearbeitet.“ (Heilbronner Stimme vom 19.02.2019) Für den global agierenden Würth-Konzern dürfte der entgangene Umsatz marginal sein – ‚Peanuts‘ im Vergleich zum Gesamtumsatz von 13,6 Milliarden Euro in 2018. Warum machte sich Würth dennoch zum Büttel von Heckler & Koch, Rheinmetall und Krauss-Maffei?

Unternehmen im Bundesverband der Rüstungsexporteure trauen sich selten in die Öffentlichkeit. Das renommierte von Reinhold Würth gegründete deutsche Familienunternehmen hat als eines der wenigen deutschen Unternehmen gegen die Bundesregierung formalrechtlich Stellung bezogen. Für die deutsche Rüstungsindustrie ist das Produkt von Würth ein ideales Mittel der Öffentlichkeitsarbeit für den Export von Rüstungsgütern: denn es handele sich angeblich nur um einen „Schalter“, der in ein gepanzertes Sanitätsfahrzeug für Polizei-Einsätze aus Frankreich verbaut ist. Damit setzte Würth die Berliner Politik unter moralischen Druck: mit möglichen Schäden für die bundesrepublikanische Rüstungsindustrie und deren Arbeitsplätze wegen eines unbedeutenden „Schalters“ in einem Sanitätsfahrzeug, das Menschen retten kann. Und welcher deutsche Abgeordnete der Großen Koalition würde in der derzeitigen Krise der EU sein Wort öffentlich gegen französische Interessen richten? Vor allem: die Differenzen zwischen Berlin und Paris in der Frage von europäischen Rüstungsexportprojekten wurden taktisch klug ausgenutzt. Würth unterschlägt, dass gepanzerte Sanitätsfahrzeuge zu jeder gut ausgestatteten Armee gehören. Welcher Bundeswehrsoldat wäre bereit, in Afghanistan ohne deutsche Sanitätspanzer zu dienen? Bei dem französischen gepanzerten Sanitäts-Fahrzeug mit einem deutschen Bauteil („Schalter“) handelt es sich vermutlich um ein ‚dual use‘- Produkt, das sowohl militärisch als auch zivil für polizeiliche Zwecke genutzt werden kann. Wie sonst hätte es auf die Liste der Exportkontrolleure der Bundesrepublik Deutschland gelangen können?

Die Regierungskoalition hat sich auf einen Kompromiss geeinigt, der neun Monate lang nicht nur Bauteile wie „Schalter“ in französischen Sanitätspanzern für den Export nach Saudi-Arabien zulässt. Auch britische Kampfjets des Typs Eurofighter Typhoon mit deutschen Bauteilen dürften bald an die Saudis geliefert werden – und den Krieg und die humanitäre Katastrophe in Jemen verschärfen. „Laut Funke-Mediengruppe darf Frankreich Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien liefern, die deutsche Bauteile im Gesamtwert von mehr als 400 Millionen Euro enthalten.“ (Frankfurter Rundschau vom 01.04.2019) „Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) geht es um ein Gesamtvolumen von bis zu 2,5 Milliarden Euro.“ (Frankfurter Rundschau vom 28.03.2019) In den Mittelpunkt der Medienaufmerksamkeit hat die Regierung allerdings einen sechsmonatigen Lieferstopp nach Saudi-Arabien gestellt – der gilt aber nur für rein deutsche Produkte.

Würth und die Rüstungsindustrie haben innerhalb weniger Wochen ihre erfolgreichen PR- und Lobbyaktivitäten für weitere europäische Exporte nach Saudi-Arabien koordiniert. Eine wichtige Aufgabe für Aktive sollte es sein, Forderungen zu entwickeln, die kritische Bevölkerungsteile kurzfristig – innerhalb weniger Wochen – für niedrigschwellige friedenspolitische Aktivitäten mobilisieren. So könnte die Friedensbewegung wieder aktuelle Entscheidungsprozesse beeinflussen.

Quellen:

„Union legt im Streit um Rüstung nach“, Frankfurter Rundschau online, 31.03.2019.

„Der scheinbare Rüstungssieg der SPD“, Frankfurter Rundschau, 30.03.2019.

„Nicht mehr viel Zeit für Pokerspiele“, Frankfurter Rundschau, 28.03.2019.

„SPD will Exportstopp für Waffen verlängern“, Frankfurter Rundschau, 27.03.2019.

Up in arms: German ban hobbles joint military exports to Saudi Arabia, vexing allies

“, Handelsblatt online, 21.02.2019.

„Exportverbot trifft auch Würth“, Heilbronner Stimme, 19.02.2019.

„Industrie wehrt sich gegen Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien“, Handelsblatt online, 18.02.2019.

„Starkes Elektro-Geschäft beschert Würth erneut deutliches Plus“, Handelsblatt online, 14.01.2019.

ARAM – ARmoured Ambulance“, soframe.com.