Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Aktuell 2019/171

RAND: Russlands Phantomgefahr

(15.03.2019)

Von der RAND Corporation, einem der US-Luftwaffe nahestehenden Institut, stammte bereits das 2015 durchgeführte Planspiel, demzufolge Russland innerhalb kürzester Zeit in der Lage sei, die baltischen Staaten einzunehmen. Es lieferte die Rechtfertigung für die spätere Entscheidung dauerhaft je ein NATO-Bataillon (1.000 Soldaten) in den drei Balten (und Polen) zu stationieren, um Russland zuvor zu kommen (IMI-Aktuell 2015/513).

Ein neues, erneut von David Ochmanek geleitetes Planspiel namens „America’s Security Deficit“ kommt  nun zu dem Ergebnis, die US bzw. die USA und ihre NATO-Verbündeten seien aktuell weder in der Lage einer chinesischen Offensive in Ostasien noch einem russischen Angriff in Europa effektiv Einhalt zu gebieten und müssten in beiden Fällen schwere Verluste hinnehmen. Eine deutliche Steigerung des Militärhaushaltes und im Falle Europas zusätzliche 15.000 bis 20.000 nahe an der russischen Grenze stationierte Soldaten seien erforderlich, um einen Angriff abzuschrecken.

Kritisch mit den Grundannahmen setzt sich u.a. ein Beitrag in der Asia Times auseinander, der überhaupt nicht anzweifelt, dass beispielsweise Russland aufgrund seiner geographisch konzentrierteren Truppen rasche Erfolge im Falle eines Angriffes erzielen könnte. Doch genau hier setzt die Kritik an den RAND-Planspielen an, da sie sich nur mit den kurzfristigen „Erfolgsaussichten“ fokussiert seien, die zu einer Annahme einer hohen „Attraktivität“ für eine Offensive führten.

Die Überlegung, ob sich eine Offensive „lohne“ ändere sich aber fundamental, werde der Zeithorizont derart erweitert, dass der NATO ausreichend Zeit für eine Gegenoffensive eingeräumt. In diesem Fall müsse auch Russland mit unzumutbar hohen Verlusten kalkulieren, die eine Offensive hochgradig irrational machen würden. Nur wenn sich Russland sicher sei, dass wichtige EU-NATO-Länder nach einer „erfolgreichen“ Anfangsoffensive „überlaufen“ würden, sei eine Offensive „attraktiv“, dies sei aber unwahrscheinlich, weshalb das gesamt RAND-Planspiele auf falschen Probabilitätsannahmen basiere:

„The Russian deal-price would be for countries like Germany and France to end their participation in NATO and agree to significant political and economic arrangements with Russia. […] Of course, Russia has zero assurance any of this would happen, even if they knocked off a few Baltic states at the start of a conflict. The allies could just as well fight back and Russia would pay a price. Russian airfields, just like allied ones, could be hit, and Russian forces would be exposed to allied counter-attacks. […] All of this means that the RAND hypothesis regarding Russia may be defective, as it implies that Russia’s leadership is ready – or at least getting ready – for overt and open aggression in Europe. In fact, the empirical evidence when measured in military terms is that Russia can’t sustain a European war and won’t take that sort of risk.“ (jw)

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