IMI-Aktuell 2018/186

Skripal: Alternativlos

von: 4. April 2018

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Unbeirrt wird weiter behauptet, Russland sei für den Anschlag auf den Spion Sergej Skripal verantwortlich, eine Beschuldigung, auf deren Basis unter anderem die jüngsten Ausweisungen russischer Diplomaten aus allen möglichen westlichen Ländern begründet wurde. Da stört es auch nicht weiter, dass die Wissenschaftler im Versuchslabor Porton Down, die mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt wurden, nach eigenen Aussagen keine Beweise hätten, dass das zum Einsatz gekommene Gift in Russland hergestellt worden sei (was für sich selber ja auch noch kein eindeutiger Beweis wäre). Das Handelsblatt schreibt: „Bislang haben britische Forscher aber keinen Beweis für die Herkunft des Giftes aus Russland vorlegen können. Die ‚präzise Quelle‘ für die eingesetzte Substanz sei unklar, sagte Gary Aitkenhead, Chef eines Laboratoriums der Forschungsanlage Porton Down, dem britischen Sender Sky News.“

In den Massenmedien scheint sich dabei auch niemand daran zu stören, dass zum Beispiel der britische Außenminister Boris Johnson offen log, als er bereits am 20. März – unter Berufung auf die Wissenschaftler von Porton Down – angab, es gäbe „keine Zweifel“, dass das Giftgas aus Russland stamme und damit die scharfen Reaktionen legitimierte. Die Nachdenkseiten geben die betreffende Interviewstelle im Wortlaut wieder: „Interviewerin: Sie behaupten, dass das Nervengift – Nowitschok – aus Russland stammt. Wie konnten Sie das so schnell herausfinden? Besitzt Großbritannien Proben davon? Boris Johnson: Lassen Sie mich dies klarstellen … Wenn ich auf den Beweis der Leute von Porton Down, dem Labor, schaue … dann waren sie sehr bestimmt. Ich fragte den Mann selbst: ‘Sind Sie sicher?’ Und er sagte: ‘Es gibt keinen Zweifel.’ Daher haben wir kaum eine Alternative, als uns für die Aktion zu entscheiden, die wir ausgeführt haben.“ Kurz darauf griff zum Beispiel auch Neu-Außenminister Heiko Maas die britische Steilvorlage bereitwillig auf, der ebenfalls bei den Nachdenkseiten zitiert wird: „Die Ermittlungsergebnisse der britischen Regierung zeigen, dass eine russische Verantwortung in hohem Maße wahrscheinlich ist und es keine andere plausible Erklärung gibt.“

Der größte Skandal ist aber, dass die britische Regierung auch nach den Aussagen aus Porton Down bei ihrer Sprachregelung bleibt, indem sie sich auf zusätzliche – und natürlich nicht überprüfbare – Quellen beruft. Das Handelsblatt zitiert die Reaktion auf die Aussagen, eine russische Herkunft sei nicht klar zuordenbar: „Die britische Regierung blieb dennoch bei ihren Anschuldigungen, dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei. ‚Es gibt keine andere plausible Erklärung dafür‘, teilte das Außenministerium am Abend in London mit.

Andere durchaus denkbare und teils plausiblere Szenarien scheinen schlicht nicht in Frage zu kommen. Natürlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass Russland tatsächlich für den Anschlag verantwortlich ist (und auch dann wäre noch zu fragen, wer genau in „Russland“). Der Punkt ist, dass ganz offensichtlich viele nur auf einen Anlass gewartet haben, um auf dem Weg in einen Neuen Kalten Krieg wieder ein gutes Stückchen vorwärts zu kommen – die Unschuldsvermutung und so etwas ähnliches wie schlüssige Beweise scheinen da nur hinderlich. (jw)