Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2018/011 - in: AUSDRUCK (April 2018)

Die AfD im Verteidigungsausschuss: Einige kritische Portraits

Lucius Teidelbaum (04.04.2018)

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PDF-Artikel im AUSDRUCK (April 2018)

Ganze Ausgabe des AUSDRUCK (April 2018)

 

 

Der „Ausschuss für Verteidigung“ ist ein Pflichtausschuss. Er bereitet Beschlüsse des Bundestages vor, gibt Empfehlungen ab und versucht mittels seines Selbstbefassungsrechtes eine begleitende und mitsteuernde parlamentarische Kontrolle der Verteidigungspolitik und der Streitkräfte zu gewährleisten. Der Ausschuss verfügt zudem über die Rechte eines Untersuchungsausschusses.

Er wird proportional von im Bundestag vertretenen Parteien besetzt. Bei der extrem rechten „Alternative für Deutschland“ (AfD) war der Andrang größer als die Zahl der Plätze. Ende Januar 2018 wurden die fünf AfD-Mitglieder des Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages gewählt. Es bewarben sich vor allem ehemalige Berufssoldaten, von denen aber mehrere leer ausgingen.

Konkret gewählt wurden: Berengar Elsner von Gronow, Jens Kestner, Rüdiger Lucassen, Jan Nolte und Gerold Otten.

Doch wer genau vertritt da die AfD im Verteidigungsausschuss?

Der Korporierte: Berengar Elsner von Gronow (* 1978)

Er war Zeitsoldat bei der Marine und ist Reserveoffizier der Marine. Zudem ist er „Alter Herr“ des Corps Palaiomarchia Halle.

Von Gronow war Leiter des AfD-Bundeskonvents, der aber inzwischen aufgelöst ist. Der Adelige ist auch ein Sprecher der Interessengemeinschaft „Alternative Mitte“ in NRW, die für einen eher pragmatischen Kurs der Partei steht.

Trotzdem teilte er zu Weihnachten 2015 offenbar den Teil eines NSDAP-Gedichtes von Thilo Scheller über gefallene Soldaten. Das begründete er auch nach Kritik wie folgt: „Für mich als Patrioten ist das Vaterland, das es zu verteidigen lohnt, vor allem meine Familie, meine Freunde, unsere Sprache, Kultur und Geschichte, unsere aufgeklärte und selbstbestimmte freiheitlich-demokratische Grundordnung.“[1]

Der Bestatter: Jens Kestner (* 1971)

Jens Kestner aus Northeim war vor seiner Wahl in den Bundestag Bestatter. Er war ab 1996 acht Jahre lang Berufssoldat. Er schied 2004 im Rang eines Oberfeldwebels aus der Panzertruppe aus. Kestner trat 2014 der AfD bei und ist seit Frühjahr 2017 Generalsekretär des zerstrittenen Landesverbandes Niedersachsen.

Rüstungsunternehmer I: Hans-Rüdiger Lucassen (* 1951)

Rüdiger Lucassen aus Bad Münstereifel studierte Wirtschaftswissenschaften an der Helmut-Schmidt-Universität, also an einer der Bundeswehr-Universitäten. Er war 34 Jahre bei der Bundeswehr und arbeitete nach eigenen Angaben als Referent bei der NATO und im Verteidigungsministerium. Zuletzt hatte er den Rang eines Obersts im Generalstab.

Lucassen ist nach eigenen Angaben politischer Berater und Geschäftsführer eines Unternehmens, das unter anderem Regierungen bei der Ausbildung und dem Aufbau ihrer Militärstreitkräfte und Polizeieinheiten berät. Seine Firma, genauer gesagt die seiner Frau, der er als Geschäftsführer vorsteht, machte Militärgeschäfte mit Saudi-Arabien. Dabei ging es u.a. um die Ausbildung von Soldaten.

Lucassen beschwerte sich im Januar 2018 über das seiner Meinung nach zu geringe Budget für die Bundeswehr: „Das jahrzehntelange Kaputt-Sparen durch CDU- und SPD-Verteidigungsminister hat der Truppe stark zugesetzt. Wer an der Seite unserer Soldaten steht, muss sie ordentlich ausrüsten und das kostet Geld.“[2]

Junger Wilder: Jan Ralf Nolte (* 1988)

Jan Nolte aus Frankenberg (Eder) ist bzw. war von 2008 bis Oktober 2017 ein Berufssoldat, zuletzt im Rang eines Oberbootsmanns. Am 13. Oktober 2017 schrieb er unter der Überschrift „ABSCHIED VON DER BUNDESWEHR“ auf Facebook: „Der vergangene Mittwoch war vorerst mein letzter Tag bei der Bundeswehr. Der Abschied war nicht ohne Wehmut.

Ich bin der Bundeswehr für Vieles dankbar. Vor allem aber dafür, dass sie mich Werte gelehrt hat, die außerhalb unserer Kasernen fast vergessen sind: Treue, Aufrichtigkeit, Mut und Härte gegen sich selbst. Führungskräften bei der Bundeswehr wird beigebracht, an sich selbst einen strengen Maßstab anzulegen, gemäß dem Dienstgrad den man trägt.

Ich bin froh, dass sich inmitten unserer Gesellschaft ein solcher Schatz erhalten hat: 

Die Bundeswehr lasse ich nach fast zehn Jahren Dienst nun hinter mir, da ich persönlich denke, dass mein Vaterland zur Stunde im Parlament verteidigt werden muss. Gegen eine verantwortungslose Politik, die es von innen erodiert und seine Zukunft bedroht.“

Nolte war ursprünglich ein CDU-Mitglied und wechselte 2014 zur AfD. Hier ist er Fraktionsvorsitzender im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg und seit 2016 Vorsitzender der AfD-Nachwuchstruppe „Junge Alternative Hessen“. Außerdem war er Mitglied der rechtsradikalen „Patriotischen Plattform“ innerhalb der AfD.

Nolte weist ein gewisses Näheverhältnis zu Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtspopulistischen COMPACT-Magazins auf. Am 9. September 2017 richtete die AfD in Waldeck-Frankenberg  eine Veranstaltung mit Jürgen Elsässer, Christine Anderson (PEGIDA Frankfurt/Main), Andreas Lichert (AfD und „Institut für Staatspolitik“) und eben Jan Nolte aus.

Das ist auch deswegen von Interesse, weil Elsässer im September 2015 die SoldatInnen der Bundeswehr zum Putsch aufrief: Mit der kürzlichen Entscheidung der Bundeskanzlerin zur bedingungslosen Öffnung unserer Grenzen wird die Existenz beider aufs Spiel gesetzt […]

Das heißt: Wir befinden uns bereits im Notstand. Die Bundesregierung hat die Kontrolle verloren – oder besser gesagt: absichtlich aus der Hand gegeben. Damit hat sie ihre Legitimität verloren! […] Die Bundesregierung löst durch die Stimulierung eines unkontrollierten Massenzustroms den Staat auf, hebt die staatliche Ordnung aus den Angeln! In dieser Situation kommt es auf Euch an, Soldaten der Bundeswehr: Erfüllt Euren Schwur und schützt das deutsche Volk und die freiheitliche Ordnung! Besetzt die Grenzstationen, vor allem die Grenzbahnhöfe, und schließt alle möglichen Übergänge vor allem von Süden. Wartet nicht auf Befehle von oben! Diskutiert die Lage mit Euren Kameraden und werdet selbst aktiv! Nur Ihr habt jetzt noch die Machtmittel, die von der Kanzlerin befohlene Selbstzerstörung zu stoppen.“[3] 

Obwohl sich Nolte so wehmütig von der Truppe verabschiedete, ist er nicht zum letzten Mal bei der Bundeswehr gewesen. Er schrieb am 4. Dezember 2017 auf Facebook: „Zu Besuch beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Wir stehen für eine verantwortungsvolle Politik, die der Bereitschaft unserer Soldaten, letztlich sogar das Leben für das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu geben, die gebührende Ehrfurcht entgegenbringt. Das bedeutet, sie nicht leichtfertig in Auslandseinsätze zu entsenden.“

Wie der gut informierte Recherche-Blog „Stadt, Land, Volk“ berichtet, hat Nolte außerdem „eine Vorliebe für einschlägige rechte Szenemarken wie Pro Violence – vertrieben von einem Magdburger Nazihooligan – und Walhall Athletik.“[4]

Weiterhin berichtet derselbe Blog von Noltes Vorliebe für Marken aus dem Umfeld der extrem rechten „Identitären Bewegung“: „So gefällt ihm die Facebookseite “Radical Esthétique” –  ein Ableger der identitären Bekleidungsmarke “Phalanx Europa”, scheinbar in Zusammenarbeit mit Philip Steins “Jungeuropa-Verlag”.“[5]

Ansonsten warnt Nolte in einem Statement für PEGIDA auf Facebook am 5. März 2018: „Sie wollen nicht hinnehmen, was keiner ernsthaft leugnen kann: Der langsame Austausch der Deutschen durch muslimische Einwanderer. Die Horrormeldungen, die als Folgen kopfloser Migrationspolitik jeden Tag in den Medien auftauchen und der vorprogrammierte Zusammenbruch eines Sozialsystems, das unsere Regierung für die ganze Welt geöffnet hat, werden von diesen Bürgern nicht einfach akzeptiert!“

Rüstungsunternehmer II: Gerold Otten (* 1955)

Gerold Otten aus Putzbrunn ist Major a.D. und ein Oberst der Reserve an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. In der Bundeswehr, der er 1975 beitrat, war er Kampfpilot. Im März 1997 schied er mit dem Dienstgrad eines Majors aus der Bundeswehr aus. Im sich daran anschließenden zivilen Leben wurde er „Eurofighter Sales Director“ bei „Airbus Defence and Space“.

Ursprünglich politisch aktiv war Otten in der FDP. 2013 wechselte er zur AfD. Noch unter Bernd Lucke wurde der Oberst der Reserve Gerold Otten aus Neubiberg bei München zum Verteidigungsexperten der AfD. Außerdem ist er stellv. Vorsitzender des AfD-KV München-Land.

Fazit: AfD-Militärpolitik nur bedingt einsatzbereit

Nicht alle AfD-Mitglieder im Verteidigungsausschuss und ihre Positionen sind bisher genau bekannt. So wird man im einzelnen abwarten müssen. Auffällig ist, dass unter den fünf Mitgliedern des AfD-Verteidigungsausschuss sich zwei Vertreter von Rüstungsunternehmen befinden. Diese dürften eher dem marktradikalen AfD-Flügel zuzurechnen sein.

Ansonsten divergieren auch innerhalb der AfD die Mitglieder in einzelnen Fragen wie etwa der Haltung zur NATO. Der pragmatische Flügel kann sich ein Beibehalten der NATO-Integration Deutschlands vorstellen, während der ideologisch-rechte Flügel mehrheitlich der NATO eher kritisch gegenüber steht. Antiwestliche und antiamerikanische Einstellungen spielen hier ebenso eine Rolle wie Sympathien für Putin als autoritären Herrscher mit ultrakonservativer und nationalistischer Agenda.

Ähnliches gilt generell auch für Auslandseinsätze. Die bereits in Redebeiträgen im Bundestag vorgetragene Kritik der AfD an Auslandseinsätzen ist nicht in jedem Punkt falsch. Doch im Gegensatz zu linken Antimilitaristen ist das Motiv dieses ‚Nationalpazifismus‘ ein anderes. Es ist dasselbe wie es früher die NPD mit ihrer Parole „Kein deutsches Blut für fremde Interessen!“ zusammenfasste. Man ist nicht grundsätzlich gegen Kriege oder Auslandseinsätze, aber man ist nicht von deren Sinn nicht überzeugt. Man ist nicht antimilitaristisch, sondern promilitaristisch, allerdings will man einen Militarismus in alter Tradition.

Das verheimlicht man auch gar nicht sonderlich. So schrieb Jan Ralf Nolte zu seiner Berufung in den Verteidigungsausschuss am 23. Januar 2018 auf Facebook: „Ich freue mich darauf, unsere Truppe jetzt aus dem Bundestag heraus unterstützen zu können. Auch wenn die Altparteien das nicht verstanden haben: Der Soldatenberuf ist nicht einfach irgendein Job. Soldat zu sein, muss mehr Berufung sein, als Beruf. Leider ist unsere Politik gegenwärtig darauf ausgerichtet, den intrinsisch motivierten Soldaten, der aus ganzem Herzen seinen Dienst verrichtet, gegen monetär motivierte Arbeitnehmer zu ersetzen.

Auch wenn dieser Gedanke in unserer wohlig-weichen und unverbindlichen Spaßgesellschaft fremd erscheinen mag, so brauchen wir doch Soldaten, die mit ganzer Überzeugung bereit sind, für Deutschland und das deutsche Volk Opfer zu bringen.“ 

Er fährt im selben Post fort: „Wir müssen uns aber bewusst sein, von welch entscheidender Bedeutung das Selbstverständnis unserer Soldaten für die Schlagkraft der Bundeswehr ist. […] Mainstreamkonforme und lauwarme Ausbilder und militärische Vorgesetzte sowie möglichst geringe Anforderungen an Bewerber sind nicht in meinem Interesse.“

Kurzum: Ziel sind mehr nationalistischer Pathos und preußischer Drill in der Bundeswehr.

Anmerkungen
[1]              AfD in Paderborn. Hetze in Soest, http://aaso.blogsport.de, 2.1.2016.
[2]              Die SPD stellt sich bei Rüstungsausgaben gegen ihre eigene Politik, AfD kompakt, 12.1.2018.
[3]              Jürgen Elsässer: Aufruf an unsere Soldaten: Sichert die deutschen Grenzen!, https://juergenelsaesser.wordpress.com, 13.9.2015.
[4]              Make Racists Afraid Again!, Stadtlandvolk, 25.3.2017
[5]              Stadtlandvolk: Bundestagswahlspezial zur AfD-Hessen, Stadtlandvolk, 16.9.2016.

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