Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Studie 2018/02

Die PESCO der Großmächte

Die EU auf dem Weg zur Aufrüstungs- und Interventionsunion

Florian Nesch (02.02.2018)

Studie_PESCO

 

Die PESCO der Großmächte
Die EU auf dem Weg zur Aufrüstungs- und Interventionsunion

von Florian Nesch

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Die 12seitige Studie kann auch als Zehnerpack zum Selbstkostenpreis (10 Euro inkl. Porto) bestellt werden: imi@imi-online.de

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung
2. Der Weg zu PESCO im Vertrag von Lissabon
3. Die Debatte um die Aktivierung der PESCO
4. Die Interessen hinter PESCO
4.1. Avantgarde statt Konsens
4.2. Aufrüstungsdruck
4.3. EU-subventionierter Rüstungsmarkt?
5. Militärische PESCO-Projekte und beschleunigte Handlungsfähigkeit
6. Europäisierung oder Oligopolisierung der Europäischen Verteidigung?

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1. Einleitung

Bereits die am 13. November 2017 formell bekundete Bereitschaft zahlreicher EU-Mitgliedsstaaten, an der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ – englisch abgekürzt PESCO – teilzunehmen, löste regelrechte Begeisterungsstürme unter anderem bei den daran beteiligten deutschen Verantwortlichen aus: „Heute ist ein großer Tag für Europa. Wir gründen heute die europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion“[1], kommentierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Unterzeichnung der Notifizierungsurkunde zur PESCO. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel stimmte ebenfalls in die Lobeshymnen mit ein und bezeichnete die Notifizierung als „Meilenstein der europäischen Entwicklung.“[2] Und auch die Presse zeigte sich völlig von der Tragweite des auf den Weg gebrachten Vorhabens überzeugt, wenn etwa die Morgenpost schrieb: „Das Projekt nennt sich Pesco und könnte für das Militär der EU einmal so bedeutend werden, wie der Euro für die Wirtschaft.“[3]

Obgleich PESCO rechtlich bereits mit In-Kraft-Treten des Vertrags von Lissabon (EUV) im Dezember 2009 verankert worden war und sie als eines der wichtigsten Elemente zum Ausbau der EU-Militärkomponente gilt, wurde ihre Aktivierung lange blockiert. Die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der letzten Jahre, wie die Wahl des US-Präsidenten Donald Trump, die zunehmenden Konflikte an den östlichen wie südlichen Grenzen und vor allem der bevorstehende Ausstieg Großbritanniens aus der EU bildeten nun aber den Nährboden für das schwindelerregende Tempo, mit dem seit einiger Zeit neue Vorhaben im Bereich der „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GSVP) der EU durchgepeitscht werden. Unter anderem scheinen die europäischen Entscheidungsträger nun nach jahrelangem Feilschen am Ziel ihrer Träume angekommen zu sein, nachdem der formellen Meldung am 8. Dezember 2017 ein offizieller Ratsbeschluss zur Begründung der PESCO und drei Tage später dessen Unterzeichnung folgte.

Handlungsleitend ist dabei die im Juni 2016 verabschiedete EU-Globalstrategie (EUGS), die die Europäische Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2003 ersetzt. Sie legt dar, dass in einer instabilen Welt „Soft Power“ – also zivile Machtmittel – allein nicht mehr ausreichen würden. Aus diesem Grund müsse man „die Glaubwürdigkeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung verbessern“. Diese Glaubwürdigkeit, wie sie hier genannt wird, soll mit der gemeinsamen militärischen Aufrüstung EUropas und seiner Staaten gewährleistet werden und somit das militärische Handeln wieder in den Vordergrund rücken. In der EUGS heißt es hierzu: „Wir werden höhere Investitionen und Qualifikationen in allen Mitgliedsstaaten durch gemeinsame Forschung und Entwicklung, Ausbildung, Übungen und Beschaffungsprogramme fördern. [Hierfür] benötigen die Mitgliedsstaaten bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können.“[4]

Diese Ziele definieren das Ambitionsniveau, das die Mitgliedsstaaten erreichen wollen und für das zivile und im Besonderen militärische Mittel gestellt werden müssen.[5] Um dies zu bewerkstelligen, seien höhere – und effizientere – Investitionen in den militärischen Bereich notwendig, wofür wiederum eine ehrgeizige PESCO vonnöten sei, wie unter anderem die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 22. und 23. Juni 2017 festhielten.[6]

Die am 11. Dezember 2017 auf der Ratssitzung – auf Grundlage des Vertrags von Lissabon – offiziell beschlossene PESCO soll hierfür vor allem militärische Fähigkeiten und Kapazitäten bündeln, den Bedarf im Verteidigungsbereich harmonisieren, einen gemeinsamen Rüstungsmarkt schaffen und demnach gemeinsame EU-Militärstrukturen aufbauen.[7] Militärische Kooperationsprojekte mehrerer Mitgliedsstaaten sollen künftig innerhalb der PESCO entwickelt und umgesetzt werden und damit offiziell unter dem Dach der EU erfolgen.

Ziel ist es, hierüber „militärische Spitzenfähigkeiten“ zu generieren und gleichzeitig ein militärisches Kerneuropa zu etablieren. Denn mit PESCO können Teile der EU-Militärpolitik per Mehrheitsentscheidung auf Kleingruppen ausgelagert werden, wodurch das bisher geltende Konsensprinzip einfach umgangen wird. Kleinere und mittlere EU-Länder drohen so Mitsprache- und Einflussrechte über substanzielle Teile der EU-Militärpolitik einzubüßen, da die Mitgliedsstaaten bindende (Rüstungs-)Verpflichtungen erfüllen müssen – z.B. die Erhöhung der Verteidigungshaushalte oder die Bereitstellung von Truppenverbänden –, um überhaupt an PESCO-Projekten teilnehmen zu dürfen. Wie im Folgenden dargestellt werden soll, wird hierüber ein immenser Aufrüstungsdruck erzeugt, während die Einführung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen gleichzeitig Macht und Einfluss der EU-Großmächte weiter vergrößert. Darüber hinaus wurden mittlerweile bereits die ersten PESCO-Projekte auf den Weg gebracht, die den Verdacht erhärten, dass sich die EU hierüber einen erheblichen Schritt weiter in Richtung einer Aufrüstungs- und Interventionsunion begibt.

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Anmerkungen
[1] Spiegel Online: 23 EU-Staaten gründen Militärunion. 13.11.2017.
[2] Tagesspiegel: Ein Meilenstein dank Donald Trump. 13.11.2017.
[3] Morgenpost: Wie sich Europa für die Zukunft rüstet. 8.11.2018.
[4] Vgl. Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Brüssel, 28.6.2016. (S.38f.)
[5] Vgl. Council of the European Union: Council conclusions on implementing the EU Global Strategy in the area of Security and Defence. 14.11.2016.
[6] Vgl. Mitteilung des Europäischen Rates. 23.6.2017. (S.6)
[7] Vgl. Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich: Rat begründet die ständige strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) mit 25 teilnehmenden Mitgliedsstaaten. 11.12.2017.

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