IMI-Aktuell 2016/073

Krieg als Verteidigungsfall

von: 10. Februar 2016

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„Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt“, so lautete 2002 der denkwürdige Satz, mit dem der damalige Verteidigungsminister Peter Struck versuchte, den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan als Landesverteidigung im Sinne des Grundgesetzes zurechtzubiegen.

Die FAZ berichtet nun über „interessante“ aktuelle Versuche, den damaligen Vorstoß systematisch zu reaktivieren. Denn aktuell wird sich bei Bundeswehr-Einsätzen i.d.R. auf Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes berufen, der angibt, Auslandseinsätze der Bundeswehr müssten im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Das habe den „Nachteil“, dass hierüber ein Bundeswehr-Einsatz von einem Mandat der Vereinten Nationen – und damit von der Zustimmung Russlands und Chinas – abhängig werde, wird nun innerhalb der Union argumentiert. Deshalb müssten Bundeswehr-Einsätze von einem Mandat des UN-Sicherheitsrates entkoppelt werden und das könne mit Bezug auf den Verteidigungsfall erreicht werden: „Ziel des vom Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) unterstützten Anliegens, das vor dem Hintergrund des Irak- und des Syrien-Einsatzes erörtert wird, ist es, gegebenenfalls künftig den Verteidigungsfall nach Artikel 87a Absatz 2 des Grundgesetzes heranzuziehen.“ Die FAZ zitiert daraufhin weiter den Berichterstatter im Rechtsausschuss des Bundestages, Hendrik Hoppenstedt (CDU): „Wenn man… regelmäßig Artikel 24 Absatz 2 GG als Rechtsgrundlage heranzieht, führt das bei Nicht-Existenz einer UN-Sicherheitsratsresolution entweder dazu, dass wir unsere Soldatinnen und Soldaten mit einer nicht tragfähigen Rechtsgrundlage entsenden und damit verfassungswidrig handeln oder den Einsatz nicht durchführen können.“

Die Aussage Hoppenstedts interpretiert die FAZ folgendermaßen: „Dieses würde bedeuten, dass de facto in Moskau oder Peking über den Einsatz der Bundeswehr entschieden werde.“ Das ist zumindest irritierend, stellte doch schon der NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien einen Präzedenzfall dar, in dem ohne UN-Mandat ein NATO-Einsatz mit Bundeswehr-Beteiligung erfolgte. Damals wurde noch frank und frei eingestanden, es habe sich bei dem Einsatz nicht um Landesverteidigung und damit um einen klaren Völkerrechtsbruch gehandelt – der Krieg sei „illegal, aber legitim“ gewesen, so lautete die Formel, auf die sich der Westen anschließend auf Grundlage eines Untersuchungsberichtes verständigte.

Die aktuelle Initiative scheint nun in jedem Fall das Ziel zu haben, Bundeswehr-Einsätze ganz routinemäßig als Verteidigungsfall umzudeklarieren, um sie so vor jeder Anschuldigung, es handele sich dabei um eine Völkerrechtsverletzung zu immunisieren. (jw)