IMI-Standpunkt 2015/022

Ukraine: Saakaschwili neuer Gouverneur von Odessa

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 31. Mai 2015

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Die Personalpolitik des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko wird immer „interessanter“. Zuerst feuerte er im März 2015 den Gebietsgouverneur von Dnipropetrowsk, Igor Kolomoiski, nachdem es mit ihm zu heftigen Konflikten gekommen war (siehe IMI-Aktuell 2015/164). Danach scharte er Mitte Mai eine illustre Runde an pro-westlichen Beratern um sich (siehe IMI-Aktuell 2015/238). Neben Hardlinern wie dem US-Senator John McCain oder dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlamentes, Elmar Brok, befindet sich unter ihnen auch der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili, der 2003 durch eine vom Westen unterstützte „farbige Revolution“ an die Macht gekommen war. Unter seiner Ägide kam es wiederholt zu brutalen Niederschlagungen von Protesten, u.a. 2007, als er den Notstand ausrufen ließ. Außerdem ist er auch für den Angriff auf Süd-Ossetien 2008 verantwortlich (den er allerdings wohl ohne westliche Plazet nie begonnen hätte), der anschließend zu einem Krieg mit Russland führte. Kurz gesagt: eine pro-westlichere und anti-russischere Person hätte der ukrainische Präsident Poroschenko wohl nur schwer für den neuen Posten des Gouverneurs von Odessa finden können: „Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den in Georgien mit Haftbefehl gesuchten Ex-Staatschef Michail Saakaschwili zum Gebietsgouverneur von Odessa ernannt. […] Poroschenko hat mehrere Schlüsselposten des krisengeschüttelten Landes mit Politikern besetzt, die nicht in der Ukraine geboren wurden – auch, um Vetternwirtschaft zu bekämpfen. Saakaschwili erhielt einen ukrainischen Pass.“ (dpa, 30.05.2015)

Zwar handelt es sich hier nicht um die erste Berufung eines Ausländers auf einen hohen Posten, wie Ulrich Heyden heute auf Telepolis schreibt: „Im Dezember 2014 bekamen drei Ausländer Ministerposten. Natalia Jaresko (aufgewachsen in den USA) wurde Finanzministerin, Aivaras Abromavičius (Litauen) Wirtschaftsminister und Alexander Kvitashvili (Georgien) Gesundheitsminister. Die drei seien geeignet, ‚unorthodoxe’, radikale Reformen durchzuführen, erklärte der ukrainische Präsident damals.“ Doch Saakaschwili ist nicht nur Ausländer, sondern seit seinem Ausscheiden aus dem Amt im Oktober 2013 auch auf der Flucht – ihm wird vorgeworfen, 5 Mio. Dollar für persönliche Zwecke aus der Staatskasse entnommen zu haben.

„Was hat Poroschenko nun veranlasst, eine solch windige Figur wie Saakaschwili zum Gouverneur zu ernennen, fragen sich Kritiker der Regierung in Kiew“, fragt Ulrich Heyden und sieht hierauf zwei mögliche Antworten (die sich nicht gegenseitig ausschließen): „Saakaschwili übernimmt in Odessa ein Amt, das bisher Igor Paliza innehatte. Paliza ist ein Vertrauensmann des Oligarchen Igor Kolomoiski. Dieser konnte Paliza nach dem Progrom im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014 als neuen Gouverneur durchsetzen. Im März 2015 kam es jedoch zwischen Poroschenko und Kolomoiski zu einem Streit um staatliche ukrainische Energie-Unternehmen. […] Möglicherweise wird Saakaschwili auch als ‚Enteiser von vereisten Konflikten’ gebraucht. Das vermutet zumindest der Chefredakteur des oppositionellen Internetportals Timer aus Odessa, Juri Tkatschew. Das Gebiet Odessa grenzt direkt an die von Moldau abtrünnige und von Russland unterstützte Region Transnistrien (Pridnestrowskaja Moldawskaja Resublika). In den letzten zwei Wochen hatten die Spannungen zwischen Moldau und Russland um die international nicht anerkannte ‚Transnistrische Moldauische Republik’ zugenommen.“