IMI-Analyse 2015/015 - in: AUSDRUCK (April 2015)

Neue Aufgaben für die Bewegung gegen Drohnen

Gemischte Bilanz der Kampagne

von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 13. April 2015

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Nachdem der damalige Verteidigungsminister de Maizière angekündigt hatte, bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr anschaffen zu wollen, gründete sich im März 2013 in Hannover die „Kampagne gegen die Etablierung der Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung“ (Drohnen-Kampagne.de). Ihren Appell „Keine Kampfdrohnen“ unterzeichneten rasch fast 150 Gruppen bundesweit und tausende Einzelpersonen. Neben diesem Appell beteiligte sich die Kampagne an der internationalen Vernetzung gegen die Drohnenkriegsführung, solidarisierte sich mit britischen Aktivist_innen, veröffentlichte Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013 und beteiligte sich nicht zuletzt am ersten globalen Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen am 4. Oktober 2014 mit über 30 Aktionen alleine in Deutschland.
Einer breiten Öffentlichkeit ist die Kampagne bis heute kaum bekannt, in der bürgerlichen Presse wurde sie selten genannt, ihre inhaltlichen Positionen jedoch fanden sich in den zum Teil heftigen Diskussionen v.a. um Drohnen für die Bundeswehr oft prominent wieder. Sie wirkte auch als Katalysator für zahllose Informationsveranstaltungen und Aktivitäten einzelner Gruppen auf juristischer und parlamentarischer Ebene, gegen Drohnenforschung an Universitäten und die Steuerung von US-Drohnen für „gezielte Tötungen“ von Stützpunkten in Deutschland aus. Darüber hinaus brachte sie vor allem Menschen bundesweit und international zusammen und sorgte für einen guten Informationsstand über Beschaffungspläne der Bundeswehr und Drohneneinsätze durch Polizeien und Armeen weltweit. Dennoch ist es schwierig, nach zwei Jahren eine Bilanz zu ziehen: Inwieweit sind die verschiedenen Aktivitäten, die oft auch prominenten kritischen Stellungnahmen gegen Drohnen und die Verzögerungen bei der Anschaffung bewaffneter Drohnen auf die oft mühsame Vernetzungsarbeit der Kampagne zurückzuführen? Hat sich die Kampagne gelohnt, sollte sie weitergeführt werden und welche Schwerpunkte sollte sie sich in Zukunft setzen? Das waren die Fragen, mit denen sich nach zwei Jahren ein (wie immer für alle offenes) Kampagnentreffen – wieder am Ort der Gründung, in Hannover – am 23. März 2015 auseinandersetzte.

Konferenz zur Drohnenforschung

Am Tag vor dem Treffen fand darüber hinaus an der Universität Hannover eine kleine, gemeinsam von der Informationsstelle Militarisierung und dem AStA der Uni organisierte Konferenz zur Drohnenforschung statt. Die Wahl fiel nicht nur wegen des Kampagnentreffens auf diesen Ort, sondern auch, weil kurz zuvor bekannt geworden war, dass die Uni Hannover nicht nur bundesweit die meisten Drittmittel für wehrtechnische Forschung vom Bundesverteidigungsministerium erhält, sondern damit auch Projekte zur Fernerkundung, künstlicher Intelligenz, Bildgebung und -übertragung finanziert werden, die eng mit Drohnen in Zusammenhang stehen. Glücklicherweise ist auch in Hannover die Studierendenschaft hierüber alles andere als begeistert und der AStA hat mit seiner Unterstützung für die Veranstaltung seinen Willen bekundet, hierüber eine Diskussion auch jenseits der Hochschule anzustoßen. Wie zentral die Drohnenforschung in der Auseinandersetzung um die Militarisierung der Hochschulen ist, hatte kurz zuvor die tageszeitung (taz) angedeutet, als sie unter dem Titel „Drohnen bald tabu?“ über die Pläne des Bremer Senats berichtete, im Landeshochschulgesetz eine Zivilklausel und eine verbindliche Verpflichtung zur Veröffentlichung aller Drittmittel zu verankern. Unmittelbar vor der Konferenz wurde das entsprechende Gesetz tatsächlich verabschiedet und eine Einschätzung eines Bremer Genossen hierzu wurde dann in Hannover vorgetragen.
Ein ausführlicher Beitrag zu Beginn der Konferenz hatte jedoch bereits klar gemacht, dass nicht nur die militärische Nutzung von Drohnen ein Problem sei, sondern auch deren Verwendung in verschiedenen „zivilen“ Anwendungsfeldern wie der polizeilichen Überwachung (etwa von Demonstrationen) oder im Grenzschutz rasant zunähme und häufig auf militärische Entwicklung und Forschung zurückzuführen sei.
Ein zweiter Vortrag beschäftigte sich am Beispiel militärischer Drohnen mit „Künstlichen Neuronalen Netzen“ als Methode der Künstlichen Intelligenz zur Muster- und Zielerkennung. Der letzte Vortrag des Tages berichtete ausgehend von der Praxis der Drohnenkriegsführung durch die USA darüber, wie sich von den USA über Großbritannien nach Deutschland in den letzten Jahren eine aktive und gegenseitig inspirierende Bewegung entwickelt habe und unterstrich, dass der Widerstand gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen in Deutschland (und gegen die Steuerung „gezielter“ Tötungen mithilfe der Stützpunkte in Deutschland) in Europa und weit darüber hinaus Signalwirkung habe: Sollte es tatsächlich gelingen, die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr zu verhindern, verblieben nur noch die USA, Großbritannien und Israel als Nutzer solcher Waffensysteme und eine Ächtung, zumindest Entschleunigung der Rüstungsdynamik wäre wahrscheinlicher. Das war natürlich ein guter Ansporn für die Aktiven der Kampagne, die recht zahlreich zur Drohnenforschungskonferenz erschienen waren. Studierende haben leider nur vereinzelt teilgenommen, was auch mit den Semesterferien zusammenhängen mag. Trotzdem wurde hier die Idee geboren, an anderen Universitäten mit umfangreicher Drohnenforschung vergleichbare Veranstaltungen anzuregen.

Neue Struktur der Kampagne

Das Kampagnentreffen am folgenden Tag war ebenfalls gut besucht und verlief trotz einiger Reibungspunkte produktiv. Das Ergebnis lässt sich grob als Zentralisierung und Ausdifferenzierung der Struktur zusammenfassen. Zuvor war davon ausgegangen worden, dass alle Gruppen, die den Appell „Keine Kampfdrohnen“ unterzeichnet haben, Teil der Kampagne und damit auch „entscheidungsbefugt“ seien, da die Kampagne auch in ihrem Namen spricht. Das führte bei neuen Entwicklungen und einem sich ausdehnenden Themenfeld (die Steuerung „gezielter“ Tötungen via Deutschland etwa war zum Kampagnenstart noch gar nicht bekannt gewesen) natürlich zu komplizierten Abstimmungsprozessen und zur Überforderung derjenigen, die sie koordinierten. Dieser wachsenden Komplexität wurde durch die Gründung von (zunächst) drei Arbeitsgemeinschaften begegnet, die zukünftig relativ autonom zu einzelnen Themenfeldern agieren und weitere Mitstreiter_innen gewinnen sollen: Eine AG zu „gezielten“ Tötungen wird sich mit der Nutzung von US-Basen in Deutschland für die Drohnenkriegsführung und damit der im Appell nicht beinhalteten, aber zentralen Aktivitäten der USA und der Mittäterschaft der Bundesregierung beschäftigen. Eine weitere AG mit dem Titel „Kampfdrohnen ächten“ soll sich weiterhin gegen die Anschaffung bewaffneter Drohnen in Deutschland engagieren und hierzu u.a. Parlamentarier_innen anschreiben und an ihre in den Wahlprüfsteinen getroffenen Aussagen (sowie eine Resolution des Europäischen Parlaments) erinnern. Eine dritte Arbeitsgemeinschaft soll sich mit der Vorbereitung eines weiteren Globalen Aktionstags im Herbst 2015 beschäftigen und hierzu auch in anderen europäischen Ländern Impulse geben.
Während es zur Vorbereitung des Aktionstages wohl wenig Abstimmungsbedarf mit den Unterzeichnergruppen geben dürfte, könnte es hinsichtlich der Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr durchaus nötig werden, diese zu aktivieren und mit einer gemeinsamen Position an die Öffentlichkeit zu treten. Solche gemeinsamen Aktivitäten und Standpunkte soll zukünftig eine kleine, nur leicht veränderte Gruppe von Aktiven koordinieren, die bislang für die Redaktion der Homepage der Kampagne und Beantwortung von Anfragen zuständig war. Alle genannten Strukturen sollen weiterhin offen bleiben und sich um weitere Beteiligung bemühen.

Böse Überraschung: Beschaffungsentscheidung gefallen

Auf dem Treffen wurde auch ein Modus vereinbart, wie sich die Arbeitsgemeinschaften finden und organisieren können. Noch bevor das jedoch in Ruhe vollzogen werden konnte, wurden von der Regierung neue Fakten geschaffen.
Bereits kurz vor dem Treffen hatte diese bekanntgegeben, dass sie ihren Fragenkatalog über die Verwicklung der US-Basen in Stuttgart-Möhringen und Ramstein – dessen Inhalt weiterhin geheim ist und der monatelang genutzt wurde, um kritische Abgeordnete im Bundestag hinzuhalten – durch eine Stellungnahme der US-Regierung als beantwortet betrachte. Das heißt: Die Bundesregierung will keine weitere Aufklärung und nicht wissen, was hinlänglich bekannt ist: dass die Daten für Drohnenangriffe in Somalia, Jemen und Pakistan über deutsche Stützpunkte fließen und hier auch Vorentscheidungen für den Waffeneinsatz getroffen werden. Eine offizielle Bestätigung durch die USA hätte die Bundesregierung in Zugzwang gebracht, hiergegen vorzugehen, da sie sich sonst – so auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags – möglicherweise der „Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt“ schuldig machen würde.
Nach dem Kampagnentreffen kam es jedoch noch dicker: Die Bildzeitung berichtete, dass sich der Verteidigungsausschuss geeinigt habe, noch in diesem Jahr Drohnen samt Bewaffnung anzuschaffen. Kurz zuvor hatte der Spiegel online noch vermeldet, eine Verlängerung des Leasingvertrages für die nicht bewaffnungsfähige Drohnen vom Typ Heron I für den Einsatz in Afghanistan stünde bevor. Dass zusätzlich hierzu bewaffnete Drohnen angeschafft werden sollten, irritierte und die Meldung wurde kaum, allerdings von gut informierten Quellen aufgegriffen und dem Anschein nach bestätigt. Die Informationsstelle Militarisierung veröffentlichte daraufhin gemeinsam mit dem Bundesausschuss Friedensratschlag für die Drohnenkampagne einen Aufruf, „wieder verstärkt Unterschriften“ unter den Appell „Keine Kampfdrohnen“ zu sammeln „und die geplante Anschaffung von Drohnen bei Aktionen wie den Ostermärschen entschieden zurückzuweisen. Nur weil die Regierung die Debatte für beendet erklärt, ist sie das noch lange nicht!“ Tatsächlich wurde das Thema bei den Ostermärschen wieder auf die Agenda geholt, obwohl zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend klar war, ob die Regierung wirklich kurzfristig plant, bewaffnete Drohnen zu kaufen oder zu leasen. Ganz eindeutig klar gemacht hatte sie aber zwischenzeitlich anlässlich des deutsch-französischen Ministerrates, dass sie gemeinsam mit Frankreich und Italien plant, bei der Entwicklung einer EUropäischen Kampfdrohne, die bis 2025 fertiggestellt sein soll, vorangehen will. Ein entsprechendes Abkommen wurde zwischen den beteiligten Firmen bereits geschlossen. Die Entscheidung fiel damit zwischen Regierungen und Industrien der westeuropäischen Staaten und eben nicht im Parlament oder gar im Rahmen der angekündigten “breiten gesellschaftlichen Debatte”.