IMI-Standpunkt 2014/048

MH-17-Zwischenbericht: Alle Fragen offen!

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 9. September 2014

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Am 17. Juli 2014 stürzte die Zivilmaschine MH-17 über der Ostukraine ab, fast 300 Menschen fanden dabei den Tod. Bereits am nächsten Tag wussten große Teile der deutschen Medien ganz genau, was passiert war: Die einen erblickten „plausible Indizien“ (FAZ), andere gar „erdrückende Indizien“ (Süddeutsche Zeitung), dass die Tat von separatistischen Kräften, womöglich mit Unterstützung Russlands begangen worden sei. Begleitet wurde dies mit einem Trommelfeuer an anti-russischer Propaganda, die seit dem Ende des Kalten Krieges ihresgleichen suchte. Doch viele dieser „Indizien“ standen von Anfang an auf tönernen Füßen – vieles sprach auch dafür, dass die Tat seitens ukrainischer Regierungskräfte hätte verübt worden sein können (siehe IMI-Standpunkt 2014/035b).

Mit der Untersuchung des Vorfalls wurde schließlich das „Dutch Safety Board“ beauftragt, nachdem die Niederlande mit 193 der 298 Menschen die meisten Opfer der Katastrophe zu beklagen hatten. Am heutigen 9. September 2014 wurde nun ein erster Zwischenbericht und eine zusammenfassende Pressemitteilung vorgelegt, die aber alles in allem wenig neue Erkenntnisse liefern. Die wohl wichtigste klare Aussage besteht darin, es gebe „keine Hinweise auf technische Fehler“. Im Umkehrschluss bedeutet dies logischerweise, dass irgendjemand für den Absturz verantwortlich zu machen ist. Auch wenn eine genaue Untersuchung der Wrackteile noch nicht möglich gewesen sei, könne aus den bisherigen Erkenntnissen geschlossen werden, dass der Absturz Resultat des Beschusses „einer großen Anzahl von hochenergetischen Objekten war, die das Flugzeug von außen her durchdrangen.“ Dies habe zur Folge gehabt, dass „das Flugzeug in Stücke zerbrochen ist“.

Der aber wesentlichste Punkt des Berichtes besteht darin, dass er klar angibt, zum aktuellen Zeitpunkt noch keine genauen Angaben über nähere Details, insbesondere natürlich die wahrscheinlichen Urheber, machen zu können: „Die vorläufigen Ergebnisse der Untersuchung deuten auf eine externe Ursache des MH-17-Absturzes hin. Weitere Nachforschungen sind erforderlich, um die Ursache mit größerer Präzision bestimmen zu können.“

Das ist eigentlich schon ein Hammer: Fast zwei Monate nach dem Ereignis sehen sich Profis der zuständigen Behörde außerstande, auch nur halbwegs den Hergang, geschweige denn die Verantwortlichen benennen zu können – nahezu die komplette deutsche Journaille sah sich hierzu aber schon am Tag danach vollkommen in der Lage.

Das Zwischenergebnis heißt dabei natürlich ebenfalls nicht, dass eine Verantwortlichkeit pro-separatistischer Kräfte (oder gar Russlands) hierdurch ausgeschlossen wäre – er heißt aber sehr wohl, dass die Faktenlage bei weitem nicht eindeutig genug war und ist, um irgendwelche handfesten Schlüsse auf den Urheber zu ziehen. Und noch weniger, um auf dieser Grundlage einen politischen Eskalationskurs sondersgleichen einzufordern. Doch genau dies haben die deutschen Medien getan und damit eine üble Kriegstreiberei betrieben, bei der die Opfer des Flugzeugabsturzes auf perfide Weise instrumentalisiert wurden.