Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2014/037

Spiegel: Shitstorm und Russlandhetze

Jürgen Wagner (01.08.2014)

Das aktuelle Titelbild des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ bildet Opfer des Flugzeugabsturzes in der Ost-Ukraine ab, versehen mit der unmissverständlichen Aufforderung: „Stoppt Putin jetzt!“ Mit diesem bestenfalls geschmacklosen, aber wohl eher zielsicher kriegstreiberischen Titelblatt hat die anti-russische Hetze des Magazins einen neuen unrühmlichen Höhepunkt erreicht. Wie das Blatt selbst einräumt, habe dies „einige heftige Reaktionen“ ausgelöst, weshalb sich es sich genötigt sah, sich mit dem Beitrag „Wer ist der Kriegstreiber?“ auf Spiegel Online den Kritikern zu stellen.

Doch von irgendeiner Einsicht keine Spur: Im Prinzip wird die Auffassung vertreten, man habe alles richtig gemacht und unter den Kritikern seien ohnehin viele „organisiert auftretende, anonyme User“ – gemeint sind offensichtlich von Russland finanzierte Agenten – gewesen. Dann werden „harte wirtschaftliche Sanktionen“ gefordert. Als Begründung hierfür wird angeführt: „Diese Forderung ähnelt […] der von 52 Prozent der Deutschen, die laut einer repräsentativen SPIEGEL-Umfrage Sanktionen auch dann unterstützen würden, wenn sie viele Arbeitsplätze gefährden sollten.“ Auf den Haken an dieser Umfrage hat aber u.a. Telepolis hingewiesen: „Die Frage, die laut Spiegel TNS-Infratest im Auftrag vom Spiegel stellte: ‚Sollen nach dem Abschuss des malaysischen Flugs MH17 die Strafmaßnahmen gegen Russland verschärft werden?‘ Eine Suggestivfrage, die suggeriert, Russland sei an dem Abschuss schuld, obwohl es dazu bisher keine Beweise oder Untersuchungen gibt.“

Anschließend krönt das Blatt seine schonungslose Auseinandersetzung mit sich selbst, indem dann einfach noch einmal der Leitartikel der aktuellen Ausgabe abgedruckt wird, aus dem sich schließlich ohnehin zwingend die Forderung „Stoppt Putin!“ ergebe. Darin heißt es dann: „Niemand im Westen zweifelt noch ernsthaft daran, dass das Flugzeug mit einem Buk-Luftabwehrsystem abgeschossen wurde, das die Separatisten höchstwahrscheinlich aus Russland erhalten haben. Einer ihrer Anführer hat selbst zugegeben, dass sie über ein solches System verfügten, und die Indizienkette ist eindeutig.“ So ganz weiß man hier auch nicht mehr, was auf eine so dreiste Art und Weise, mit dem Sachstand umzugehen, noch erwidert werden soll. Dass an der Täterschaft der Separatisten (und noch mehr der Involvierung Russlands) Zweifel existieren, räumen selbst die US-Geheimdienste ein.  Und der „Anführer“, der den Besitz des Waffensystems zugegeben haben soll, wurde nach eigener Aussage von Reuters falsch zitiert. Man mag Aussagen, Erkenntnisse und Hinweise unterschiedlich bewerten, wer aber davon spricht, es existiere eine „eindeutige Indizienkette“, der lügt buchstäblich wie gedruckt (siehe ausführlich IMI-Standpunkt 2014/035).

Diese und noch einige weitere „Nachlässigkeiten“ des Leitartikels (siehe mehr dazu hier) lassen nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder sind die Autoren vollkommen unfähig oder – und wahrscheinlicher – es handelt sich hier um eine besonders üble Form anti-russischer Propaganda. In jedem Fall hat der „Spiegel“ hier sein letztes bisschen Integrität eingebüßt. So in etwa lautet auch das Fazit von Stefan Niggemeier, der bis 2013 für den Spiegel arbeitete und der sich in seinem Blog mit der aktuellen Spiegel-Berichterstattung auseinandersetzte: „Ich bräuchte Medien, denen ich vertrauen könnte. Bei denen ich das Gefühl hätte, dass sie mir auch Dinge erzählen, die den dominierenden Gut-Böse-Vorstellungen über diesen Konflikt vielleicht widersprechen. Medien, die die Welt nicht übersichtlicher machen als sie ist. Und die auf Kritik an ihrer Berichterstattung nicht mit durchsichtigen Ablenkungsmanövern reagieren. Also nicht diesen ‚Spiegel‘.“

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