Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht - in: junge Welt, 05.05.2014

»Militainment«

Gerd Bedszent (05.05.2014)

Michael Schulze von Glaßer, aktives Mitglied der »Informationsstelle Militarisierung« in Tübingen, ist jW-Lesern durch sein Engagement gegen Werbeeinsätze der Bundeswehr an Schulen bekannt. Sein kürzlich erschienenes Buch »Das virtuelle Schlachtfeld« beschäftigte sich allerdings mehr mit Videospielen und ihrer Rolle bei der Rekrutierung von militärischem Nachwuchs.

Der Autor geht wohl zu Recht davon aus, daß die meisten politisch interessierten Menschen sich nie Militainment-Videospiele reinziehen würden. Die Industrie macht zwar mit solchen Spielen riesige Umsätze, der Kreis der Konsumenten ist jedoch begrenzt. Im Buch werden daher ausführlich gängige Videospiele vorgestellt, die darauf zielen bei politisch nicht gefestigten jungen Leuten militaristische Denkweisen und neokonservativ geprägte Feindbilder zu erzeugen. In den Produkten der zumeist US-amerikanischen Herstellerfirmen sind es entweder islamische Terroristen, die als Bösewichter präsentiert werden, oder aber gegnerische Militärs aus dem Iran, China und Rußland. Die betreffenden Länder protestierten zwar gelegentlich gegen die Verbreitung dieser diffamierenden Machwerke, und ihr Militär konterte mit Entwicklung eigener Videospiele. Der Autor konstatiert jedoch, daß die Spieleindustrie mittlerweile eines der Felder einer weltweit geführten Propagandaschlacht sei.

Schulze von Glaßer hat einen Schwerpunkt seiner Recherchen auf das Zusammenwirken der Produzenten mit Militär und Rüstungsindustrie gelegt. Sämtliche Spiele, bei deren Entwicklung eine solche Zusammenarbeit nachgewiesen ist, werden im Buch als solche gekennzeichnet. Federführend bei der Nutzung von Videospielen für die Rekrutierung ist die US-Army. Die Bundeswehr hat bisher in kaum nennenswerten Umfang in die Entwicklung von Militärvideospielen investiert. Das Rekrutierungspotential wurde von ihr aber erkannt. Sie ist daher auf Videomessen stets präsent und verteilt dort großzügig Werbebroschüren.

Der Autor ist kein grundsätzlicher Gegner von Videospielen, betont im Vorwort, er selbst habe jahrelang gespielt. Und Militainment-Videospiele seien zwar ein großer, aber letztlich nur ein Teil der von der Industrie angebotenen riesigen Palette von Spielen. An mehreren Stellen des Buches verweist er auf Produkte kleinerer, unabhängiger Studios, die sich dem Trend zu Militarisierung verweigern, auf die Entwicklung alternativer Produkte zwecks Förderung von Kreativität der spielenden Personen setzen.

Michael Schulze von Glaßer: Das virtuelle Schlachtfeld. Videospiele, Militär und Rüstungsindustrie. PapyRossa, Köln 2014, 205 Seiten, 14,90 Euro

http://www.jungewelt.de/m/2014/05-05/052.php

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