Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2014/014 - in: junge Welt, 19.04.2014

Die Eskalationsverstärker

Sanktionen verschärfen Konflikte und sind ein Instrument der Kriegsvorbereitung.

Sevim Dagdelen und Martin Hantke (19.04.2014)

Angesichts der sich zuspitzenden Lage in der Ukraine und den von den USA und der EU verhängten Sanktionen gegen Rußland hat sich die Debatte über Sinn und Zweck von restriktiven Maßnahmen gegen Personen bis hin zu einem Wirtschaftsembargo erneut verstärkt. Es scheint, als ob die Repressionen gegen Moskau in unmittelbaren Zusammenhang mit einer stärkeren militärischen Präsenz der NATO an der Ostgrenze des Bündnisses gestellt würde. So skizziert Michael Rühle, der das Referat für Energiesicherheit bei der NATO leitet, in einem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung vom 11. April 2014 die Notwendigkeit für die Vorwärtsbewegung der NATO: »Und man wird nicht umhinkommen, die früher gemachte Aussage zu überprüfen, man sehe keine Notwendigkeit für mehr militärische Kräfte in den neuen NATO-Staaten.« Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich zugleich für härtere Sanktionen gegen Rußland aus. Vor dem Ost-Ausschuß der Deutschen Wirtschaft betonte er, die Unternehmen müßten verstehen, daß die Politik »über weitergehende Maßnahmen« nachdenke (FAZ vom 11.4.2014). Steinmeier drohte zudem unverhohlen, das russische Vorgehen auf der Krim öffne die »Büchse der Pandora« für den Vielvölkerstaat Rußland.

Vor diesem Hintergrund nimmt eine Debatte um Sinn, Wirksamkeit und die wirkliche Gründe von Strafmaßnahmen neue Fahrt auf. »Sanktionen mögen dem sogenannten Feind nicht viel anhaben, geben aber denen, die sie verhängen, ein gutes Gefühl«, schrieb einst die britische Tageszeitung The Independent. Eine ähnliche Haltung trifft man oft auch in der aktuellen politischen Debatte an, wonach es sich bei Sanktionen um harmlose Papiertiger, um eher symbolische Gesten handele. Ein kurzer Überblick über die Geschichte solcher Zwangsmaßnahmen zeigt, wie falsch und gefährlich diese Einschätzung ist. Richtig ist, daß Sanktionen sehr selten ihren proklamierten Zweck erfüllen, Staaten auf »friedlichem« Wege zu drängen, gewisse Handlungen durchzuführen oder von ihnen Abstand zu nehmen. Langfristig verschärfen Sanktionen Konflikte. Sie stellen gerade nach dem Ende des Kalten Krieges ein immer wichtigeres Instrument der Kriegsvorbereitung dar. Sie manipulieren die öffentliche Meinung und helfen bei der Konstruktion von Feindbildern. Mit ihrer Hilfe werden Koalitionen geschmiedet und »Abtrünnige« auf Linie gebracht, und sie legitimieren den Truppenaufmarsch, schwächen den Gegner und hindern ihn seinerseits an der Aufrüstung.

Dabei bergen Sanktionen die Gefahr, eine Eigendynamik zu entfalten, die auch dann in einen tatsächlichen Krieg führen kann, wenn niemand diesen Konflikt wirklich will. Dieses Risiko wächst, da die Sanktionsmechanismen gegenwärtig enorm ausgeweitet und ausdifferenziert werden. So deutete z.B. mit den US- und EU-Beschlüssen Anfang 2012, Iran kein Erdöl mehr abzunehmen, vieles darauf hin, daß trotz einer leichten Entspannung infolge des Präsidentenwechsels im Iran eine Rückkehr zum Totalembargo, wie im Fall des Irak (1990–2003), nicht ausgeschlossen erscheint. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, daß linke und konservative Kritiker einer Sanktionsspirale gegen Syrien und den Iran als »Unterstützer« der jeweiligen Regime oder »Vulgärpazifisten« diffamiert werden. In bezug auf Rußland wird versucht, Politiker, die sich gegen eine Eskalation wenden als »Rußland-Versteher« oder sogar als »Putins U-Boot im deutschen Parlament« – so Thorsten Denkler auf Süddeutsche.de am 18. März 2014, zu diffamieren. Ähnliche Stigmatisierungsversuche fanden sich analog im Vorfeld des Irak-Krieges. So argumentierte etwa der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz am 11. September 2002, der damalige Kanzler Gerhard Schröder sei mit seinem Kurs gegen einen Irak-Krieg zum »Kronzeugen« des irakischen Diktators Saddam Hussein geworden (Spiegel online, 11.9.2002).

Kurze Geschichte der Sanktionen

Die 1990er Jahre lassen sich als »Sanktionsdekade« bezeichnen. Während der UN-Sicherheitsrat in den ersten 45 Jahren seit dem Bestehen der Vereinten Nationen nur zweimal Sanktionen (gegen Südrhodesien 1966 und Südafrika 1977) erlassen hatte, ist seit dem Ende der antagonistischen Weltordnung geradezu von einer Explosion in der Anwendung dieses Mittels zu sprechen – ähnlich wie bei der wachsenden Anzahl UN-mandatierter Militäreinsätze nach Kapitel VII der UN-Charta. So verhängte der Sicherheitsrat allein in der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts eine Vielzahl von Zwangsmaßnahmen z.B. gegen den Irak (1990–2003).

Besonders gerne wird das alte Südafrika für die Rechtfertigung von Wirtschaftsembargos herangezogen. Doch auch hier ist Skepsis angebracht. Jenseits der symbolischen Wirkung einer weltweiten gesellschaftlichen Boykottbewegung gegen das Apartheidregime wird die Wirksamkeit der Sanktionen zumindest in den wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen weitgehend in Frage gestellt. So kommt u.a. 2002 eine Studie des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) zu dem Befund: »Die Sanktionen, die gegen das Land verhängt wurden, haben in erster Linie die nichtweiße Bevölkerung getroffen, die Arbeitsplätze und Einkommen verlor. Die eigentlich zu treffenden Eliten haben hingegen durch die Verknappung der Güter und durch Desinvestitionen häufig sogar profitiert. Bisweilen wird argumentiert, daß die Sanktionen gegen Südafrika das Apartheidregime eher verlängert als verkürzt hätten.« Auch wenn das HWWA zu einer anderen Bewertung kam, so ist doch zu konstatieren, daß sich die neueren Sanktionen nur schwer unter Hinweis auf die Zwangsmaßnahmen gegen das Apartheidregime rechtfertigen lassen. Insbesondere die gegen den Irak verhängten ließen sogar die Embargobefürworter erkennen, daß Strafmaßnahmen immer die Bevölkerung treffen. Mit Bezug auf den Irak wurde auch die Kritik geäußert, die Druckmittel hätten lediglich zur Vorbereitung des Angriffskrieges der »Koalition der Willigen« im Jahr 2003 gedient.

Nach dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait 1990 waren mit der UN-Resolution 661 weitreichende Sanktionen gegen das Land verhängt und die Aufhebung dieser an einen vollständigen Rückzug der Einheiten Bagdads gekoppelt worden. Zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat in der Resolution 660 eine Gefährdung des Weltfriedens festgestellt. Zu den Maßnahmen zählten neben umfassenden Wirtschaftssanktionen auch ein Waffenembargo sowie zum ersten Mal die Einschränkungen der Reiserechte und das Einfrieren von ausländischen Bankkonten der Mitglieder der Regierung. Nach dem Rückzug der irakischen Armee aus Kuwait wurden die Zwangsmaßnahmen nicht aufgehoben, sondern mit weiteren Forderungen verknüpft. Sie blieben bis zum Golfkrieg 2003 insgesamt 13 Jahre bestehen. Und sie hatten bereits vor Beginn der Kampfhandlungen eine humanitäre Katastrophe ausgelöst. Unabhängigen Schätzungen zufolge forderten sie bis zu eine Million zivile Opfer. Dies und die öffentliche Kritik an den Pressionen führten zu einer Neudefinition von Sanktionsmaßnahmen.

Sogenannte Smart sanctions – intelligente Sanktionen – wurden entwickelt. Grundgedanke der neuen Instrumente war, die Maßnahmen so zu gestalten, daß sie direkten Druck auf Personen oder Stellen ausüben, von denen angenommen wird, sie könnten tatsächlich Einfluß auf die durch die Repressionen angestrebten politischen Veränderungen nehmen. Dieses Konzept wurde in der Folge auf internationalen Konferenzen in Interlaken, in Bonn/Berlin und Stockholm verfeinert und differenziert. So beschäftigte man sich in Interlaken mit den Folgen zielgerichteter finanzieller Sanktionen, in Bonn/Berlin waren Waffenembargos sowie Reise- und Flugverbote der Gegenstand, und in Stockholm hatte man sich mit der effektiven Implementierung und Überwachung solcher Maßnahmen beschäftigt. Zweck dieser Konferenzen war es, nicht nur die Belastung für die Bevölkerung, sondern auch für die Protagonisten eines Embargos zu minimieren. Dabei rückten insbesondere zielgerichtete Finanzsanktionen in den Mittelpunkt. Aber daß solche die Bevölkerung in einem ganz erheblichen Maße treffen können, darf mittlerweile als anerkannt gelten.

Definition des Aufmarschgebietes

Sanktionen im Rahmen der Vereinten Nationen werden nach Kapitel VII der UN-Charta verhängt und setzen die Feststellung eines Bruchs oder einer Gefährdung des Weltfriedens voraus. Dieselbe Bedingung gilt für militärische Maßnahmen mit UN-Mandat. Bewaffnete Einsätze lassen sich jedoch mit einem Exportverbot für gewisse Güter wesentlich leichter durchsetzen. Staaten, die sich im UN-Sicherheitsrat gegen die Feststellung eines Bruchs oder einer Gefährdung des Weltfriedens aussprechen, sind regelmäßig dem Vorwurf der »Untätigkeit« oder gar »Kollaboration« ausgesetzt. Die anderen hingegen, die mit einigen Erfolgsaussichten einen entsprechenden Resolutionsentwurf das Gremium einbringen, globalisieren damit ihre eigene Darstellung des Konflikts und diesen selbst: Hier der Aggressor oder Unruheherd, der den Frieden gefährdet, dort die internationale Gemeinschaft, welche den Frieden mit vorgeblich friedlichen Mitteln wiederherstellen möchte.

Sanktionen dürfen eigentlich nur nach besagtem Kapitel VII verhängt werden, da sie in die Souveränität der mit ihnen belegten Staaten eingreifen und diese de facto außer Kraft setzen. Das ist neben der angeblichen »Gefährdung des Weltfriedens« ein – wenn auch mit ihr eng zusammenhängendes – weiteres Indiz dafür, daß mit Sanktionen bereits ein latenter Kriegszustand herbeigeführt wird.

Was im Einzelfall propagandistisch aufbereitet und, mit der entsprechenden öffentlichen Empörung garniert, wenig Widerstand erfährt, hat mit der massiven Ausweitung der Sanktionsregimes bereits das durchgesetzt, worauf westliche Geopolitiker gezielt hinarbeiten: ein Zwei-Klassen-Völkerrecht, in dem Souveränität und Interventionsverbot nur noch für die eigenen Verbündeten (und, gezwungenermaßen, die Atommächte) gelten, für weite Teile des globalen Südens jedoch aufgehoben sind. UN-Sanktionen sind gegenwärtig gegen Somalia und Eritrea, Irak, Liberia, die Zentralafrikanische Republik, Mali, die Demokratische Republik Kongo, Guinea-Bissau, Jemen, Côte d’Ivoire, den Sudan, Libanon, Nordkorea, Iran und Libyen in Kraft. Außer Eritrea, Nordkorea und dem Iran haben in allen diesen Staaten seit Verhängung der Strafmaßnahmen militärische Interventionen in unterschiedlicher Form stattgefunden. Auffällig an der Liste der durch die UN sanktionierten Länder ist, daß neben den Atom- und also den Vetomächten im Sicherheitsrat in der Regel auch deren Verbündete fehlen. Auch dies ist ein Hinweis dafür, daß es bei den Sanktionsverhandlungen letztlich darum geht, die Räume zu definieren, in denen ein militärisches Eingreifen von allen Großmächten geduldet werden kann.

Sanktionsregime außerhalb der UN

Sowohl die USA als auch die Europäische Union setzen zum einen Zwangsmaßnahmen des UN-Sicherheitsrates um. Zum anderen haben sie mittlerweile ein eigenständiges Regime entwickelt, das weit über die jeweiligen UN-Sanktionen hinausgeht. Dabei verhängt auch die EU eigenständig Strafen, die auch als »restriktive Maßnahmen« bezeichnet werden und die nicht auf einem Mandat des UN-Sicherheitsrates beruhen. Mittlerweile gehören sie zum Standardinstrumentarium der EU-Außenpolitik; seine Wirkung wurde beständig verfeinert.

Über Embargomaßnahmen gegen zur Zeit mehr als 25 Staaten hat auch die EU potentielle Aufmarschgebiete für die Kriege der Zukunft definiert. Mit der Arabischen Liga betritt im Gefolge des Libyen-Krieges (Frühjahr 2011) gegenwärtig ein weiterer Akteur mit eigenen Sanktionen die Weltbühne. Völkerrechtlich sind diese Prozesse außerhalb des UN-Rahmens mehr als fragwürdig. Solange sie aber über die Unterstützung der NATO-Staaten verfügen, scheint dies gerade in deren Öffentlichkeit kaum jemanden zu stören. Die Interessen von Saudi-Arabien und anderen Golfdiktaturen, den Bürgerkrieg in Syrien zu befördern, werden nicht hinterfragt. Eine Unterstützung bewaffneter, dem Wahhabitismus nahestehender Oppositionsgruppen gilt als vertretbarer politischer Kollateralschaden, genauso wie etwa eine Einführung der Scharia im Post-Ghaddafi-System Libyens. Die »Logik« von USA und EU »der Feind meines Feindes ist mein Freund« spiegelt sich auch in Sanktionenen wider. Mit ihr wird die Basis für ein Bündnis des Westens mit den reaktionärsten Kräften weltweit installiert. Beispiele sind die Unterstützung einer auch durch Faschisten bestellten Regierung in der Ukraine und die Belieferung von Dschihadisten in Syrien, die versuchen kurdische Enklaven im Norden Syriens mit Terror zu überziehen. Eigene Sanktionsregime sowohl der USA als auch der EU sowie die Förderung reaktionärer Gruppen weltweit verschärfen die Kriegsgefahr.

Das Beispiel Iran

Offizieller Anlaß für die Sanktionen gegen den Iran ist nicht die womögliche Verletzung von Menschenrechten – die, wie Wikileaks enthüllte, bewußt und taktisch immer in diesem Kontext thematisiert wird –, sondern das vermeintliche Atomwaffenprogramm des Landes. Das aber ist selbst nach Einschätzungen der US-Geheimdienste aus dem Jahre 2007 bereits 2003 eingestellt worden. Der Iran arbeite demnach an der zivilen Nutzung der Kernenergie. Hierzu hat der Teheran ein international verbrieftes Recht, ist aber – quasi im Gegenzug – verpflichtet, die Entwicklung seines zivilen Atomprogramms offenzulegen und Inspektionen zuzulassen. Wie weit diese Verpflichtungen in der Praxis jedoch genau gehen, ist in jedem Staat Gegenstand schwieriger Auseinandersetzungen. Das Programm wurde zum Gegenstand geopolitischer Auseinandersetzungen und landete 2006 vor dem UN-Sicherheitsrat, was vor allem Ergebnis eines intensiven Bemühens der USA und der Bildung einer »Vermittlergruppe« aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien ist, welche dem Konflikt eine internationale Dimension gaben.

Die UNO erließ die ersten Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms im Dezember 2006 und stellte damit in der Resolution 1737 eine »Bedrohung oder Bruch des Friedens« fest. Die Initiative hierzu ging offiziell von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) aus. Aber daß die Entwicklung bestimmter Waffensysteme – und seien es Atomwaffen – als Bedrohung oder Bruch des Friedens im Sinne der UN-Charta gelten kann, ist eines von vielen Beispielen der Beugung und »Weiterentwicklung« internationalen Rechts durch die normative Kraft des Stärkeren. Die UN-Charta selbst bietet hierfür jedenfalls keine Grundlage. Das hat der Internationale Gerichtshof – wohlgemerkt vor dem Konflikt um das Atomprogramm des Iran – explizit in seinem »Atomwaffengutachten« von 1996 unterstrichen und darauf hingewiesen, daß die Androhung von Gewalt – unabhängig davon, ob diese nuklearer oder konventioneller Art ist – dem Völkerrecht widerspricht.

Die Grundlage dafür, daß sich die 1957 gegründete und außerhalb des UN-Rahmens existierende IAEO überhaupt an den Sicherheitsrat wenden kann, ist ein »Beziehungsabkommen« zwischen beiden Körperschaften – und ein herausragendes Beispiel für die stetige Aushöhlung der UN-Charta durch die »Weiterentwicklung« des Völkerrechts. Die Sanktionen von Ende 2006 zielten vordergründig lediglich auf den Export von Gütern, die für das unterstellte iranische Atomwaffenprogramm genutzt werden könnten, sowie auf entsprechende finanzielle oder wissenschaftliche Unterstützung. Es wurde jedoch auch hier bereits die Möglichkeit von Reisebeschränkungen und Kontensperren geschaffen und – wie bei UN-Sanktionen üblich – ein Komitee eingerichtet, das relativ diskret darüber entscheiden kann, gegen wen diese gezielten Maßnahmen verhängt werden. Zugleich jedoch erließen die USA parallel zu den UN-Sanktionen, jedoch weit über diese hinausgehend, unilaterale Strafmaßnahmen – obwohl, wie gesagt, die US-amerikanischen Geheimdienste zu diesem Zeitpunkt davon ausgingen, der Iran habe sein Atomwaffenprogramm längst eingestellt. Auch hier dienten derartige Repressionen deshalb eher dazu, das Kampffeld abzustecken und den Feind zu markieren, mit der immer wieder bemühten Option eines Kriegs gegen den Iran. Ziel war es zudem, schlicht den Einfluß des Iran in der Region zurückzudrängen, der insbesondere nach dem Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein 2003 zugenommen hatte.

Eine »rote Linie«

Nicht nur Rußland, auch China fühlte sich mit seiner Enthaltung zur UN-Resolution 1973 von den westlichen Staaten hinters Licht geführt. Nur einen Monat vor der Abstimmung zur UN-Sicherheitsratsresolution im Hauptquartier in New York, die die NATO zum Losschlagen ermächtigte, hatte dieser UN-Sicherheitsrat weitreichende Finanzsanktionen gegen Libyen verhängt. Die entsprechende UN-Resolution 1970 war der Beginn der Verhängung immer neuer Sanktionen, die schließlich in den NATO-Krieg gegen Libyen mündete.

Gerade auch Brasilien, Indien und Südafrika fühlen sich ebenso von den NATO-Staaten im Hinblick auf vorangegangene Smart sanctions gegen Libyen hintergangen und wenden ein, diese hätten möglicherweise nur der Vorbereitung eines völkerrechtswidrigen, von der NATO herbeigebombten Regime Change gedient, der mindestens 40 000 Menschen in dem nordafrikanischen Land das Leben gekostet hatte. Entsprechend skeptisch ist man daher nicht nur, was Strafmaßnahmen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm angeht, sondern insbesondere was die Verhängung von intelligenten Sanktionen mit finanziellen und/oder ökonomischen Implikationen gegen Syrien angeht. Diese Skepsis der BRICS-Staaten gegenüber einem verschärften Sanktionsregime wurde von den USA als auch von der EU mit der Androhung eines einseitigen Ölembargos beantwortet. Angesichts der zugespitzten Situation wird jede Kritik an einem Totalboykott denunziert, und die Aggressoren USA und EU setzen offenbar bewußt auf eine schnelle Destabilisierung Syriens. Dafür sollen Totalembargo und Smart sanctions wie im Fall des Irak kombiniert werden. Einwände, daß hier doppelte Standards angewandt werden, die NATO-Staaten Saudi-Arabien trotz seiner Intervention zur Niederschlagung der Opposition in Bahrain und seiner Menschenrechtsverletzungen weiterhin gerade auch mit großangelegten Rüstungslieferungen unterstützen, werden mittels einer einseitigen Informationspolitik unterdrückt.

Um dieses Mal im Fall Syrien entsprechenden Kriegsvorbereitungen einen Riegel vorzuschieben, hatten China und Rußland mit ihrem Veto gegen weitgehendere UN-Sanktionen gegen Syrien eine rote Linie markiert. Doch das internationale Repressionssystem hat sich – wie beschrieben – ausdifferenziert, und damit wurden auch Entscheidungen aus dem UN-Sicherheitsrat ausgelagert. Die USA und die meisten NATO-Staaten haben bereits Zwangsmaßnahmen erlassen, ebenso die Arabische Liga.

Ähnlich verhält es sich im Fall der Ukraine und Rußlands. Gerade weil angesichts der Vetomacht Rußland klar ist, daß im UN-Sicherheitsrat kein Plazet für Sanktionen gegen Moskau zu erreichen ist, setzen USA und EU auf unilaterale Sanktionen gegen Rußland. Und sie forcieren ihre Politik der Einkreisung, indem sie Truppen und militärisches Gerät an die NATO-Ostgrenze entsenden und zudem am Projekt eines letztlich gegen Moskau gerichteten Raketenschilds festhalten.

Auf dem Spiel steht das gesamte UN-System und die globale Auflösung völkerrechtlicher Bindungen, die bislang Kriege verhinderten. Mit Sanktionen sollen der Feind und das Kriegsgebiet durch die NATO markiert werden.

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