Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2013/062

Kooperation Verlage und Bundeswehr

Jürgen Wagner (31.10.2013)

Das erst kürzlich gegründete „Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr“ (ZMSBW) versteht sich nach Eigenangaben als „die zentrale wissenschaftliche Institution im Geschäftsbereich des BMVg für militärgeschichtliche und sozialwissenschaftliche Forschung sowie für die Aus- und Weiterbildung in diesen Fachgebieten.“

Aus Reihen des Archiv3-Verbundes wurde nun darauf hingewiesen, dass eine „Aus- und Weiterbildung“ seitens des ZMSBW (bzw. von einem der Vorgängerinstitute, dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt, MGFA) vor allem über die „Wegweiser zur Geschichte“ erfolgt. Die in dieser Reihe publizierten Bücher werden in Zusammenarbeit mit einem großen Verlag vertrieben, wie auf der Homepage des ZMSBW betont wird: „Der Bereich ‚Einsatzunterstützung‘ entwickelt und gestaltet unter den Prämissen Einsatzarmee sowie Bundeswehr nach 1990 fachgerechte Ausbildungs- und Informationsmittel im historisch-politischen Bereich und steuert sie in den Ausbildungsbetrieb der Bundeswehr ein. Das Kernformat bilden die seit 2005 im F. Schöningh Verlag erscheinenden ‚Wegweiser zur Geschichte‘, die jeweils über Geschichte, Kultur und aktuelle Konfliktbereiche eines Landes bzw. einer Region informieren.“

Die „Wegweiser“ zeichnen ein ganz eigenes – natürlich bundeswehrfreundliches – Bild auf die Einsätze der Truppe. So heißt es etwa im „Wegweiser“ zum Bundeswehr-Einsatz im Kongo, im Jahr 2006, dieser „diente der Absicherung demokratischer Wahlen.“ Eine solche Einschätzung  wird getroffen, obwohl die größte zivile Oppositionspartei (UDPS) seinerzeit die Wahl boykottiert hatte. Kritische Stimmen kommen deshalb vielmehr zu dem Schluss, dass der Einsatz darum ging, Joseph Kabila, der die Minenkonzessionen des Landes günstig verscherbelte, an der Macht zu halten und ihm diese nun auf „demokratischem Wege“ zuzuschanzen (siehe etwa IMI-Standpunkt 2013/033).

Davon ist jedoch im „Wegweiser“ zum Kongo nichts zu lesen, dennoch erfreute sich der Band eines reißenden Absatzes und prägte – zumindest nach ZMSBW-Einschätzung – die Sicht auf den Einsatz und den Konflikt in der deutschen Öffentlichkeit maßgeblich mit. So heißt es im Vorwort der dritten Auflage des Kongo-Wegweisers: „Die erste Auflage des vorliegenden Bandes konzipierte das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) unmittelbar vor dem Einsatz der EUFOR RD Congo. Mit dieser Mission half die Europäische Union 2006 dabei, in der Demokratischen Republik Kongo die Wahlen zum Parlament und für das Amt des Staatspräsidenten abzusichern. Das Einsatzkontingent der Bundeswehr nutzte den »Wegweiser zur Geschichte« intensiv zur Aus- und Weiterbildung, im Buchhandel fand er – als eine der wenigen deutschsprachigen Publikationen zur Demokratischen Republik Kongo überhaupt – zahlreiche Abnehmer.“

Die Wegweiser stehen gratis als PDF-Download zur Verfügung, können in Print von Angehörigen der Bundeswehr kostenlos bezogen werden, sind aber auch über den Buchhandel und über Internetportale wie Amazon für alle Interessierte (die hierfür bezahlen wollen) gedruckt beziehbar. Ein Blick ins ZMSBW-Gesamtverzeichnis zeigt, dass die Kooperation mit dem F. Schöningh Verlag kein Einzelfall ist. Dort werden insgesamt 55 Verlage aufgeführt, bei denen Publikationen des ZMSBW (oder seines Vorgängers, des MGFA) erschienen sind bzw. noch erscheinen. Neben mehr oder weniger linken Verlagen wie dem LIT-Verlag und der Ch. Links-Verlag, bei denen eine solche Zusammenarbeit doch sehr überrascht, stößt vor allem auf, dass sich in der Liste das „Who is Who“ des deutschen Verlagswesen findet. Gelistet werden unter vielen anderen etwa C. H. Beck, Campus, DVA, Fischer, Juventa, Kohlhammer, Piper etc.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Verlage an dieser Kooperation vor allem deshalb interessiert sein dürften, weil die Bundeswehr sicher allein schon wegen der Gratisabgabe an ihre Angehörigen für eine hohe Auflage und damit sichere Einnahmen garantiert. Bedauerlich, dass sie offensichtlich hierfür bereit sind, ihren guten Namen für Propagandazwecke herzugeben.

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