IMI-Standpunkt 2013/053 - in: Forum - Das Wochenmagazin, 22.9.2013

„Kriege sind grund­sätzlich verboten“

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 23. September 2013

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Wenn die USA Syrien bombardieren, verstößt das gegen das Völkerrecht. Auch die Drohung, Krieg zu führen, sei durch die UN-Charta nicht gedeckt. Auch das vielzitierte UN-Mandat gibt es nicht, so der Völkerrechtler Tobias Pflüger. 

Herr Pflüger, die USA haben Syrien mit Krieg gedroht. Dürfen Staaten Kriege führen?

Nein. Das Völkerrecht, in diesem Fall die UN-Charta, ist eindeutig: In Artikel 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten Nationen steht ein striktes militärisches Gewaltverbot. In der Deklaration über die Prinzipien des Völkerrechts von 1970 heißt es ebenfalls, dass jeder Staat die Pflicht hat, jede Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates zu unterlassen. Außerdem ist dort klargestellt: „Ein Angriffskrieg stellt ein Verbrechen gegen den Frieden dar, für das Verantwortlichkeit nach dem Völkerrecht besteht.“

Welche Rolle spielt denn dann ein UN-Mandat: Ist dieses notwendig, um ein Land angreifen zu können?

Grundsätzlich gilt: Angriffe sind verboten. Was die letzten Jahre entstanden ist, ist, dass bei militärischen Interventionen, die vor allem westliche Staaten durchführen wollten, egal mit welcher auch noch so dubiosen Begründung, versucht wurde (und wird) ein Votum des UN-Sicherheitsrates einzuholen. Dieses muss dort dann ohne Gegenstimme auch nur eines der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates erfolgen.

Kann ein Land auch ohne UN-Mandat entscheiden, ein anderes anzugreifen?

Nein, vom Völkerrecht her gesehen eindeutig nein. Ein solcher Angriff ist eindeutig völkerrechtswidrig.

Was kann der Sicherheitsrat tun, wenn ein Land ein anderes ohne UN-Mandat angreift?

Dann kann wiederum der UN-Sicherheitsrat Sanktionen oder militärische Maßnahmen gegen dieses Land beschließen, was aber bei (völkerrechtswidrigen) Angriffen westlicher Staaten nie passiert ist. Der quasi kategorische Imperativ des Völkerrechts, dass Angriffe auf andere Staaten verboten sind, kennt nur zwei Ausnahmen: Der UN-Sicherheitsrat kann Sanktionen oder militärische Einsätze beschließen, um den „Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.“ Ansonsten besteht noch das Recht auf Selbstverteidigung, nach Artikel 51 der UN-Charta.

Ein viel diskutierter Angriffskrieg war jener gegen Jugoslawien. Wie wurde dieser begründet?

Der NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien, der mit ethnischen Säuberungen im Kosovo begründet wurde, war eindeutig völkerrechtswidrig. Ansonsten wurde, falls ein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorlag, die Formulierung in Artikel 42 ausgedehnt angewandt, obwohl das nicht der Gedanke der Formulierung ist. Angeblich ging es dann darum, den „Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.“

Es heißt, Chemiewaffen seien geächtet. Das bedeutet, es gibt dazu eine entsprechende UN-Resolution?

Ja. Es gibt eine Chemiewaffenkonvention, aber erst seit 1992, und sie ist erst seit 1997 in Kraft, das hat mit den Chemiewaffenarsenalen der großen Weltmächte Russland und USA zu tun. Bisherige Chemiewaffenbestände müssen vernichtet werden und unter UN-Aufsicht gestellt werden. Es gibt die „Organisation für das Verbot chemischer Waffen“ (OPCW) die das überwachen soll.

Wie beurteilen Sie die Situation in Syrien?

Es war Zeit, dass den Kriegsdrohungen mit Diplomatie begegnet wird. In Syrien herrscht ein Bürgerkrieg bei dem schon über 100.000 Menschen getötet wurden. Dieser Krieg wurde in nicht unerheblichem Maße von außen angeheizt. Dies geschah zum einen durch die Waffenlieferungen an alle Seiten, zum anderen durch die Präsenz von Söldnern und Ausbildern. Dabei stehen die arabischen und westlichen Staaten auf der einen Seite und Russland, der Iran und die libanesische Hisbollah auf der anderen Seite. Eine zusätzliche militärische Intervention, ein Krieg, ist das Letzte, was den Menschen hilft. Im Gegenteil, eine solche Militärintervention würde noch mehr Menschen umbringen und über die 7 Millionen Binnenflüchtlinge (und fast 3 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern) hinaus noch viele weitere Flüchtlinge hervorbringen. Deshalb ist es völliger Wahnsinn, eine Militärintervention auch nur in Betracht zu ziehen.