IMI-Standpunkt 2013/048 - in: Zeitung gegen den Krieg (ZgK) 36 - in: AUSDRUCK (Oktober 2013)

Drohnenkriegführung über das US AFRICOM in Stuttgart

von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 4. September 2013

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Das US AfriCom wurde 2008 gegründet, um die Aktivitäten der US Army auf dem afrikanischen Kontinent zu koordinieren. Eigentlich wurde hierfür ein Standort auf dem afrikanischen Kontinent angestrebt, bislang fand sich dort jedoch kein Staat bereit, das AfriCom zu beherbergen. Deshalb führt die US Army ihre Einsätze auch in Afrika weiter von Stuttgart-Möhringen aus. Seine Aufgaben wurden gegenüber dem Streitkräfteausschuss des US Repräsentantenhauses so definiert: „United States Africa Command schützt und verteidigt die nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten durch die Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten der afrikanischen Staaten und Regionalorganisationen und führt auf Befehl militärische Operationen durch, um transnationale Bedrohungen abzuwenden und zu bekämpfen und ein Sicherheitsumfeld zu schaffen, das gute Regierungsführung und Entwicklung fördert.“

Zentral sind dabei Spezialeinheiten, die zuvor dem ebenfalls in Stuttgart ansässigen US EUCOM unterstellt waren, und nun insbesondere am Horn von Afrika, zwischen Uganda und der Zentralafrikanischen Republik und in der Sahel-Region informelle Basen unterhalten und dort Milizen und Sondereinheiten der jeweiligen Staaten ausbilden. Zugleich bauen die USA ein Netz kleiner Stützpunkte auf afrikanischen Flugplätzen auf. Oft als zivile Firmen getarnt, unterhalten sie kleine Flugzeuge, die „vollgestopft mit neuester Spionage-Technik“ (Spiegel Online) sind: „Video-Ausrüstung, Wärmebildkameras und Technik zur Ortung und Bespitzelung von Mobiltelefonen“. Im AfriCom sitzen „Analysten“, die diese und andere Informationen auswerten und nach Angaben des ARD-Magazins „Panorama“ Einzelpersonen insbesondere aus Nord- und Westafrika für gezielte Tötungen „nominieren“, gemeint ist auswählen und damit quasi zum Abschuss freigeben. Diese werden dann überwacht und ggf. durch Drohnen getötet, wenn sie in einen Staat reisen, der – wie augenblicklich v.a. Somalia; zukünftig könnte Libyen eine vergleichbare Rolle spielen – eine dermaßen schwache oder abhängige Regierung hat, dass sie sich gegen solche Gewaltakte nicht wehren kann. Dabei läuft die „Mission Control“ und wohl ein beträchtlicher Teil der Steuerung über die US-Stützpunkte in Stuttgart und Ramstein. Rechtsexperten, die Linkspartei und der Grünen-Abgeordnete Ströbele machten der Bundesregierung gegenüber ihre Auffassung klar, dass sie sich damit dem Verdacht der Beihilfe zu Mord und Totschlag und der Beihilfe zu Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch aussetzt. Die Bundesregierung allerdings will angeblich von den gezielten Tötungen der USA über Stuttgart und Ramstein nichts gewusst haben und sieht auch jetzt noch „keine Anhaltspunkte dafür … dass sich die Vereinigten Staaten auf deutschem Staatsgebiet völkerrechtswidrig verhalten hätten“ (BT-Drucksache 17/14401). Der US-Außenminister habe seinem Amtskollegen Westerwelle gegenüber versichert, „dass jedwedes Handeln der Vereinten Staaten, auch von deutschem Staatsgebiet aus, streng nach den Regeln des geltenden Rechts erfolge“.

Damit scheint sich für die Bundesregierung die Sache erledigt zu haben. Gegenwärtig jedoch arbeiten u.a. der Menschenrechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz und der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke an einer Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen Beihilfe zur Tötung und zu Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Das kann die Bundesregierung zwar in Erklärungsnöte bringen. Dennoch muss bezweifelt werden, dass ernsthaft ermittelt wird. Das wird insbesondere mit dem Vorgehen des Generalbundesanwaltes im Fall der Tötung eines deutschen Staatsbürgers bei einem US-Drohneneinsatz am 4. Oktober 2010 in Pakistan dokumentiert (siehe Seite 1). Dieser stellte das Ermittlungsverfahren u.a. wegen der Behauptung ein, „bei keinem der Getöteten handelte es sich um eine Zivilpersonen (sic)“. Kurz zuvor wird in der Begründung noch angegeben, dass bei dem Angriff „drei nicht identifizierte paschtunische Einheimische ums Leben“ (generalbundesanwalt.de) kamen. Diese oberflächliche Auseinandersetzung – sowohl der Bundesregierung als auch des Generalbundesanwalts – steht in krassem Widerspruch zu dem Argument, das in der Debatte um die Anschaffung bewaffneter Drohnen immer wieder vorgetragen wird: Danach würden Deutschland und die Bundesregierung solche Drohnen niemals zu gezielten Tötungen entsprechend der US-Praxis anwenden, weil sie „sich sicher nicht der amerikanischen Rechtsauffassung annähern und diese legitimieren“ wolle (Stiftung Wissenschaft und Politik) bzw. weil „gezielte Mord-Missionen in der Bundesrepublik … nie durchsetzbar“ wären und „gegen das Grundgesetz verstoßen“ würden (Süddeutsche Zeitung 11./12. Mai 2012).

Hinzu kommt jedoch, dass die Drohnenkriegführung in einem undurchdringlichen Dickicht militärischer und nachrichtedienstlicher Geheimhaltung stattfindet. Nur das ermöglicht es der Bundesregierung auch, trotz ihrer engen Zusammenarbeit mit der US-Army und speziell auch dem AfriCom, Ahnungslosigkeit vorzuschützen. Diese ist tatsächlich äußerst unglaubwürdig. So wurden die US-Beiträge zum NATO-Krieg gegen Libyen vom AfriCom aus koordiniert. In diesem Zuge wurden auch tödliche Kampfeinsätze durch US-Drohnen geflogen und wie später bekannt wurde, war die Bundeswehr während des Krieges u.a. in jenen Stäben beteiligt, die „im Bereich der sogenannten Zielauswahl“ tätig waren (Spiegel Online). Außerdem unterhält die Bundeswehr ein eigenes Verbindungskommando, das gegenüber dem AfriCom und dem EUCOM u.a. den Auftrag hat, an „Planung, Vorbereitung, Anlage und Analyse von NATO-Übungen und -Einsätzen oder sonstigen Übungen und Einsätzen, an denen sich deutsche und amerikanische Streitkräfte beteiligen oder bei denen amerikanische und deutsche Interessen berührt sind“, mitzuwirken.

Sowohl gemeinsame Einsätze, als auch enge Überschneidungen deutscher und US-amerikanischer Einsätze gab es bereits viele. So beteiligt sich die Bundeswehr spätestens seit 2005 an regen Aktivitäten und regelmäßigen Manövern in Westafrika, welche die US-Streitkräfte seit 2002 im Zuge des „Krieg gegen den Terror“ durchführen. In deren Rahmen hat seit 2008 unter Koordination des AFRICOM auch das Kommando Spezialkräfte „Ausbildungsunterstützung für einzelne militärische Gruppen aus westafrikanischen Staaten geleistet“, so die Bundesregierung, ohne jedoch auch auf näheres Fragen der Abgeordneten Sevim Dagdelen Angaben zu Herkunft und Umfang dieser militärischen Einheiten machen zu können. Verschiedene Quellen jedoch geben an, dass mehrere der zumindest von den USA im Antiterrorkampf ausgebildeten Gruppen an den Gefechten Anfang 2013 in Mali beteiligt waren und zwar im Kampf gegen die französische Intervention. Zugleich haben die USA diese Intervention mit Aufklärungsdrohnen unterstützt (und gleich dafür genutzt, zusätzliche Drohnen im Nachbarstaat Niger zu stationieren).

Auch am Horn von Afrika ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den USA weit fortgeschritten. In Djibouti haben die USA ihre wichtigste Drohnenbasis – gleichzeitig hat die Bundeswehr dort Aufklärungsflugzeuge stationiert. In Somalia unterhalten die USA gemeinsame Militär- und Geheimdienstbasen, von denen aus sie die (bisweilen sehr jungen) Männer rekrutieren, die dann in Uganda u.a. von Bundeswehrsoldaten ausgebildet werden, um anschließend von den USA nach Somalia zurückgeflogen zu werden und im dortigen Bürgerkrieg gegen die radikalislamistischen Al Shabab zu kämpfen.

Was letztlich wem auf welcher Seite im Einzelnen über die Aktivitäten der anderen in ihrem gemeinsamen „Krieg gegen den Terror“ bekannt ist, wird sich vermutlich nie herausfinden lassen. Fest steht jedoch: Wer sich an diesem weltweiten Krieg beteiligt oder dafür auch nur Militärbasen zur Verfügung stellt, macht sich in vollem Umfang mitschuldig.