Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2013/033

Kongo: UN-Offensive und Rohstoffausbeutung

Jürgen Wagner (18.07.2013)

In IMI-Aktuell 2013/051 wurde bereits darauf hingewiesen, dass Teile der ca. 22.000 Mann starken UN-Truppe MONUSCO im Kongo nun auch „robust“ vorgehen dürfen. Dies geschieht auf Grundlage von UN-Resolution 2098 vom 28. März 2013, die die Befugnis erteilt, „entweder allein oder zusammen mit der FARC [der kongolesischen Armee] gezielte offensive Operationen durch die Interventionsbrigade durchzuführen.“ Laut Al Jazeera (16.07.2013) scheint diese „Force Intervention Brigade“ (FIB), die angeblich einen Umfang von 3069 Soldaten hat, nun kurz vor ihren ersten Offensivoperationen zu stehen. Das Ziel sei vor allem M23, aber auch eine ganze Reihe weiterer Rebellengruppen, die in der Resolution auch namentlich aufgeführt würden (Democratic Forces for the Liberation of Rwanda (FDLR), Allied Democratic Forces-National Army for the Liberation of Uganda (ADF-NALU), National Forces of Liberation (FNL), Alliance of Patriots for a Free and Sovereign Congo (APCLS)).

Der Al Jazeera-Artikel zitiert eine Reihe von Experten, die besorgt sind, dass die Brigade die Situation im Land weiter eskalieren könnte. Auch ein offener Brief an UN-Generalsekretär Ban-Ki-Moon, der von 19 Nichtregierungsorganisationen unterzeichnet wurde, warnt davor, dass vor allem die Zivilbevölkerung unter intensivierten Kämpfen zu leiden haben wird. Vor allem aber weist der Artikel richtigerweise darauf hin, dass sich die Vereinten Nationen hierdurch endgültig auf eine Seite des Bürgerkriegs schlagen, hierdurch ihre Neutralität einbüßen und damit auch jede Aussicht verlieren, glaubwürdig einen Friedensprozess in Gang setzen zu können: „Die Entsendung der UN-Elitetruppe scheint sich auch negativ auf die Friedensgespräche in Kampala, Uganda, auszuwirken, die von der Internationalen Konferenz zur Region der Großen Seen vermittelt wurden. M23 militärisch ins Visier zu nehmen sendet eine radikal andere Botschaft aus, als der Aufruf zum Dialog der UN-Sonderbeauftragten Mary Robinson. […] Dabei könnte nicht weniger als die philosophische Grundlage von Friedenseinsätzen – strikte Unparteilichkeit – auf dem Spiel stehen, die bereits seit 2005 durch gemeinsame Operationen mit der FARC gefährdet ist.“

Was neben dem Bürgerkrieg auch noch floriert, sind augenscheinlich die Profite multinationaler Konzerne, die sich die desolate Situation des Landes zunutze machen. Schon 2007 hatten verschiedene Nichtregierungsorganisationen eine Gruppe gebildet, um die Vertragsabschlüsse des kongolesischen Staates mit zwölf internationalen Bergbau-Unternehmen zu studieren. Die 2008 veröffentlichten Resultate waren ernüchternd und veranschaulichen, weshalb sich Präsident Joseph Kabila im Westen bis heute großer Beliebtheit erfreut: „Von den 61 begutachteten ‚Joint Venture‘-Verträgen wurde hier kein einziger als akzeptabel bewertet, 38 hingegen als revisionsbedürftig und 23 als nicht verhandelbar, also aufzulösen. Nicht weniger als zwei Drittel der Verträge waren in den Jahren 2003 bis 2006 abgeschlossen worden, also während der Interimsregierung.“

Viel verändert hat sich an diesen Ausbeutungsmechanismen leider nicht, wie aus dem kürzlich erschienenen Africa Progress Report 2013 zum Thema „Gerechtigkeit mit Rohstoffen“ hervorgeht. In der Pax Christi-Pressemitteilung zum Bericht wird Jean Djamba von der Pax Christi-Kommission Solidarität mit Zentralafrika folgendermaßen zitiert: „Die Studie ‚Gerechtigkeit mit Rohstoffen‘ legt die Finger auf offene Wunden. Sie zeigt z.B. auf, dass multinationale Konzerne durch Rohstoffausbeutung doppelt so viele Geldmittel aus Afrika abziehen, als durch sogenannte Entwicklungshilfe den Kontinent erreichen. Am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo wird dargestellt, wie Briefkastenfirmen für Schürfrechte ‚einen Pappenstiel‘ bezahlen und diese in Einzelfällen in Steueroasen kurz darauf mit hohem Profit weiter veräußern.“ Exemplarisch seien fünf Fälle ausgewählt worden und obwohl die kongolesische Regierung zugesagt habe, bei der Vergabe künftig transparenter und stärker im Interesse der Bevölkerung (bzw. der Staatskasse) vorzugehen, seien die Resultate weiterhin schockierend: „Allein für die fünf untersuchten Verträge beläuft sich der Verlust für den Kongo auf 1,36 Mrd. Dollar. Eine aufschlussreiche Bezugsgröße zu solchen Summen sind die 698 Mio. Dollar, die der kongolesische Staat derzeit für Gesundheitsfürsorge und Bildung ausgeben kann und die Tatsache, dass im Kongo 17 von 100 Kindern sterben bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen.“

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