IMI-Standpunkt 2013/009 - in: AUSDRUCK (Februar 2013)

Der Krieg gegen den Terror in der Sahara

Ein unvollständiger Überblick über Militär- und Polizeimissionen der EU, ihrer Mitgliedsstaaten und der USA

von: Jonna Schürkes | Veröffentlicht am: 13. Februar 2013

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Die Militarisierung der Sahara wird von der EU und den USA seit Jahren vorangetrieben. Für den Kampf gegen den „Terror“ und die „Organisierte Kriminalität“ werden in den meisten Ländern der Sahel militärische und polizeiliche Einheiten zur „Terrorbekämpfung“ ausgebildet und ausgerüstet. Zudem wird eine Infrastruktur geschaffen, die es ermöglichen soll, Territorien und Grenzen besser zu kontrollieren (Gefängnisse, Militär- und Polizeiposten in den peripheren Gebieten der Staaten). Der Aufbau der Sicherheitskräfte und der Versuch, das staatliche Gewaltmonopol auszuweiten, haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Situation im Norden Malis eskalierte.

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Die EU im Sahel
Die EU-Strategie für den Sahel wurde im März 2011 verabschiedet. Die Notwendigkeit der Intervention im Sahel wird vor allem mit europäischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen begründet. Um diese durchzusetzen, setzt die EU vor allem auf die Ausweitung der Präsenz des Staates in den Ländern der Region, was faktisch vor allem über die Stärkung der Sicherheitskräfte erfolgt.
In Folge der Verabschiedung der Sahel-Strategie realisierte und finanzierte die EU zahlreiche Projekte, wie beispielsweise das „Programme spécial pour la paix, la sécurité et le développement au Nord-Mali“ (PSPSDN). Im Rahmen dieses Programms wurden u.a. eine Antiterroreinheit („Task Force Sahel”) und ein Gefängnis in den Regionen Gao und Kidal, im Norden Malis, aufgebaut. Das Programm wurde zu einem Viertel von der EU finanziert.
Das von der EU realisierte Programm „Counter Terrorism Sahel“ verfügt über den Zeitraum 2012-2014 über 6,7 Mio € aus den Töpfen des Instruments für Stabilität (IfS). Mit diesen Geldern soll u.a. ein virtuelles „Sahel Security College“ errichtet werden, in dem Polizeikräfte aus Mali, Mauretanien und Niger, auch unter Einbeziehung der Militärs der jeweiligen Länder, in der Bekämpfung des Terrorismus ausgebildet werden. Auch ist der Aufbau einer Westafrikanischen Polizeidatenbank geplant (Finanzierung durch IfS: 2,2 Mio.), an der Benin, Ghana, Mali, Mauretanien, Niger, die ECOWAS und Interpol beteiligt sein sollen.

EU-Missionen in der Region

EUCAP Sahel Niger
Die Mission EUCAP Sahel wurde im August 2012 entsandt und soll zwei Jahre andauern (mit einem jährlichen Budget von 8,7 Mio. €. Die Mission wird geleitet von einem Oberst der spanischen Gendarmerie-Einheit. Die 50 Militärs und Polizisten sollen die Nigrischen Sicherheitskräfte (Gendarmerien, Polizei, Nationalgarde) im Kampf gegen Terroristen und Organisierte Kriminalität ausbilden. Ähnliches war auch für Mali und Mauretanien geplant, bis heute wurden jedoch nur jeweils ein Verbindungsbeamter in deren Hauptstädte entsandt.

EU-Mission in Libyen
Die EU plant eine Mission, in dessen Rahmen libysche Grenzschützer ausgebildet und beraten werden sollen. Ziel sei die kurzfristige Sicherung der Landgrenzen, langfristig soll ein „integriertes Grenzkontrollsystem“ aufgebaut werden. Details (Umfang, Zeitpunkt etc.) sind noch nicht bekannt.

Der Krieg in Mali

Operation Serval
Die Intervention der französischen Truppen in Mali begann am 11.01.2013. Begründet wurde diese mit dem Vormarsch der „Islamisten“ in den Süden Malis auf den das französische Militär spontan reagiert habe. Angesichts der Komplexität solcher Einsätze ist diese Behauptung allerdings unglaubwürdig (s. Beitrag „Regime Change mal anders“ in diesem Heft). Inzwischen (04.02.2013) sind 4.000 französische Soldaten in Mali stationiert. Unter französischem Kommando stehen auch 2.000 tschadische Soldaten, die in der Region Kidal stationiert sind.
Die französische Intervention wird vor allem in den Bereichen Logistik, Aufklärung und Luftbetankung durch die Streitkräfte der EU und der USA unterstützt. Auch sind aus verschiedenen Ländern Spezialeinheiten vor Ort. In den meisten Fällen behaupten die Regierungen, diese seien lediglich zum Schutz der Botschaft in Bamako. Nur Großbritannien hat zugegeben, dass ihre Spezialeinheiten die Franzosen im Krieg im Norden unterstützen. Zur Debatte um die deutsche Beteiligung an der Operation s. Beitrag „Mali – Kriegsgetrommel…“ in diesem Heft.

EUTM Mali
Am 1. April soll die EU-Mission zur Ausbildung malischer Soldaten (EUTM Mali) in Koulikoro beginnen. Ziel der Mission ist es: „die malischen Sicherheitskräfte zu trainieren und anzuleiten, um sie zu befähigen […] die territoriale Integrität des Landes wiederherzustellen“. Es sollen 250 Soldaten als Ausbilder, 100 Soldaten als logistische Unterstützung und 150 Soldaten zum Schutz der Ausbilder entsandt werden. Deutschland hat angekündigt sich mit 40 Militärausbilder und 40 Sanitätssoldaten zu beteiligen. EUTM wird von verschiedenen Seiten kritisiert (s. Beitrag „Mali – Kriegsgetrommel…“ in diesem Heft).

ECOWAS/AFISMA
Die Mission der ECOWAS in Mali (AFISMA) wurde am 20.12.2012 vom UN-Sicherheitsrat mandatiert. Die Entsendung von 3.300 Soldaten war eigentlich für September 2013 geplant, wegen der französischen Intervention sind allerdings seit Mitte Januar 2013 Truppen in Mali stationiert. Die Mission soll langfristig die malische Armee dabei unterstützen, den Norden zu kontrollieren. Die Kosten der Mission werden von der ECOWAS mit 960 Mio. US$ angegeben. Auf der Geberkonferenz in Addis Abeba am 29.01.2013 sagte die EU 50 Mio. € zu, die aus dem Europäischen Entwicklungsfond (EDF) finanziert werden. Zudem wird die AFISMA logistisch von westlichen Militärs unterstützt, u.a. werden die Soldaten aus den jeweiligen Ländern von Spanien und den USA nach Mali geflogen. Deutschland hat drei Transall entsendet, die in Dakar (Senegal) stationiert sind. Großbritannien und die USA haben zudem Truppen in verschiedene ECOWAS Staaten entsandt, die Soldaten für die AFISMA vorbereiten sollen.

Aufbau der ECOWAS-Eingreiftruppe
Ebenso wie in anderen Regionen wird seit Jahren in Westafrika eine regionale Eingreiftruppe aufgebaut, die militärische Missionen in Ländern der Region realisieren soll. Der Aufbau dieser Truppe wird u.a. von der EU finanziert, auch das Training der afrikanischen Soldaten wird überwiegend den ehemaligen Kolonialmächten und der EU durchgeführt. Die ECOWAS hat bereits in Liberia, Sierra Leone, Guinea-Bissau, Guinea und der Côte d’ Ivoire militärisch interveniert.
Seit 2008 hilft die Durchführungsorganisation der deutschen Entwicklungshilfe GIZ beim Aufbau der Polizeikomponente der ECOWAS Eingreiftruppe.
Im Traingscenter „Ecole de Maintien de la Paix Alioune Blondin Beye“ in Bamako werden die Soldaten für die Eigreiftruppen der ECOWAS ausgebildet. Die Schule wird vor allem von Frankreich betrieben und finanziert; Deutschland unterstützte die Baumaßnahmen finanziell. Zudem werden von Deutschland Polizeikurse finanziert.

TSCTP
Im Rahmen der Trans Sahara Counter-Terrorism Partnership (TSCTP) bilden die USA seit 2005 Einheiten zur Terrorismusbekämpfung in der Region aus. Partnerländer sind Algerien, Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien, Marokko, Niger, Nigeria, Senegal, Tunesien. Das Ziel der TSCTP ist u.a. die Militärs der Region in den Bereichen Aufklärung, Regionale Zusammenarbeit, Logistik, Grenzkontrollen und Zielerfassung auszubilden. 2013 verfügt das Programm über 44 Mio. US$, wovon der größte Teil für „sicherheitsrelevante“ Zwecke ausgegeben wird. Inzwischen wurde bekannt, dass mehrere malische Eliteeinheiten, die von den USA im „Krieg gegen den Terror“ ausgebildet wurden, zu den Rebellen im Norden Malis übergelaufen sind.