Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht - in: WDR5: Politikum – Das Meinungsmagazin, 6.2.2012

Smart Sanctions oder Mittel der Kriegsführung?

Embargos dienen oft nicht den erklärten Zielen

Christoph Fleischmann (07.02.2012)

John F. Kennedy drohte in seiner Antrittsrede im Jahr 1961 ganz im Stile einer selbstbewussten Weltmacht:

O-Ton 1 Kennedy mit Overvoice 4’05

Alle unsere Nachbarstaaten sollen wissen, dass wir uns ihnen im Widerstand gegen jeden Aggressions- oder Subversionsversuch in ganz Amerika anschließen werden. Jede andere Macht der Erde soll wissen, dass diese Hemisphäre beabsichtigt Herr im eigenen Hause zu bleiben.

Diese Ansage war auf die Schmuddelkinder im amerikanischen Hinterhof gemünzt -insbesondere auf das revolutionsbewegte Kuba. Die Karibikinsel ließ sich neuerdings Öl und Waffen von der Sowjetunion liefern. Die Amerikaner hatten zuvor seit der Revolution keinen kubanischen Zucker mehr importiert und wichtige Exporte nach Kuba eingestellt. Das US-Embargo gegen Kuba war keineswegs eine Alternative zur kriegerischen Intervention, sondern eine flankierende Maßnahme: 1961 war die Invasion der Schweinebucht – getragen von Exilkubanern und unterstützt von der CIA – gescheitert. Auch Sanktionen unter UN-Reglement seien in der Regel keine Alternative zu militärischem Eingreifen, meint Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen:

O-Ton 2 Marischka 0’21

Wenn man sich das mal historisch anschaut, gegen welche Länder […] im UN-Rahmen Sanktionen erlassen wurden, dann haben wir da den Irak, Jugoslawien, Libyen, Angola, Haiti, Ruanda, Liberia und Sierra Leone und Eritrea. Und die kurze Auflistung zeigt uns schon, dass eigentlich in fast allen diesen Staaten eine militärische Intervention in verschiedenen Formen gefolgt ist oder zumindest der Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung eskaliert ist. Insofern scheinen Sanktionen empirisch eher eine vorbereitende oder flankierende Maßnahme zu militärischen Interventionen zu sein.

In den neunziger Jahren provozierte das UN-Embargo gegen den Irak öffentliche Kritik, da es verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung hatte. Darauf machte das Stichwort smart sanctions, intelligente Sanktionen, die Runde: Passgenau bestimmte Personen zu treffen, ist das Ziel: Zum Beispiel durch das Einfrieren von Konten. Marischka ist davon nicht überzeugt. Gegen die Elfenbeinküste hatte die Europäische Union im Dezember 2010 Sanktionen verhängt, um dem Präsidenten Laurent Gbagbo eine wichtige Einnahmequelle zu nehmen:

O-Ton 3 Marischka 7’17

Das Einfrieren der Konten der Hafenbehörden, auch der nationalen Kakaogesellschaft etc. hat dazu geführt, dass es nicht mehr möglich war, überhaupt irgendwelche Schiffe zu löschen.

Innerhalb von nur drei Monaten sei die Wirtschaft zusammengebrochen, dann habe es einen kurzen aber blutigen Bürgerkrieg gegeben; Gbagbo wurde verhaftet.

O-Ton 4 Marischka 7’43

Insofern waren die Sanktionen nicht gezielt, wie es hieß, weil überwiegend die Zivilbevölkerung gelitten hat, aber sehr wirkungsvoll.

Faktisch wird derjenige, der in latent bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu Sanktionen greift, selber Bürgerkriegspartei, agiert also nicht mehr zivil. Das ist wohl auch in Syrien derzeit der Fall. Außerdem zeigen die Beispiele Elfenbeinküste und Syrien, dass nicht nur die USA, sondern auch andere Regionalmächten mittlerweile der UN das Monopol auf Sanktionen streitig machen. Seit die EU die Strukturen für eine gemeinsame Außenpolitik geschaffen hat, also seit rund 5 Jahren, ist sie mit eigenen Sanktionen im internationalen Geschäft:

O-Ton 5 Marischka 10’35

Die EU will ja als eigenständiger politischer Machtblock, Machtakteur in Erscheinung treten und da ist eben unterhalb der militärischen Intervention, sind die Sanktionen eins der wichtigsten Mittel. Und tatsächlich hat die Europäische Union gegenüber 25 Staaten mittlerweile Embargo-Maßnahmen verhängt. Die Embargo-Maßnahmen werden mehr oder weniger im Monatsrhythmus durch den […] Außenministerrat verändert.

Eine Kontrolle durch die Nationalen Parlamente findet nicht statt und deswegen auch nur selten eine öffentliche Diskussion über Sinn und Ziel der Sanktionen. Sie gelten als zivile, also anständige Mittel humanitärer Intervention. Ihre tatsächlichen Wirkungen sind aber oft nicht zivil und treffen fast immer auch die breite Bevölkerung eines Landes. Die Menschenrechtsrhetorik verschleiert dabei das machtpolitische Interesse der Europäischen Union, die immer öfter auf eigene Faust handelt. Eine Friedensordnung im Rahmen der UN wird damit weiter entwertet.

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