Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Studie 2011/03 - in: AUSDRUCK (Februar 2011)

Die UN und der neue Militarismus (Teil IV): Die Rüstungsindustrie und das Peacekeeping

Thomas Mickan (14.02.2011)

Im vierten und abschließenden Teil seiner Studie „Die UN und der neue Militarismus“ untersucht Thomas Mickan die Verquickungen zwischen Rüstungsindustrie und UN-Peacekeeping:

Komplette Studie hier: http://imi-online.de/download/Februar2011_UNIV.pdf

Teil I der Studie findet sich hier: https://www.imi-online.de/2010.php?id=2099
Teil II der Studie findet sich hier: https://www.imi-online.de/2010.php?id=2128
Teil III der Studie findet sich hier: http://imi-online.de/download/TM-AUSDRUCK-10-2010.pdf

Einleitung:

„Afrika ist der letzte große unerschlossene Rüstungsmarkt. […] Verteidigungsgüter in Afrika zu verkaufen ist jedoch vielen Kreisen fast ein Gräuel. Und in der Tat ist es tatsächlich aufgrund der schlechten finanziellen Lage und Zahlungsfähigkeit vieler Staaten und der Beschränkungen für Rüstungsexporte aufgrund von Menschenrechten und anderen politischen Gründen schwierig zu bewerkstelligen. Aber mit der ASF [African Standby Force][1] wird der Verkauf von Waffen an Afrika moralisch richtig, wenn nicht sogar zum zwingenden Gebot.“[2]

Diese Einschätzung wurde auf der Seite defenceWeb, einem Internetnachrichtenportal verschiedener Rüstungsfirmen, über die ökonomischen Chancen und „moralischen“ Verpflichtungen der Zunft für den afrikanischen Rüstungsmarkt bereits im Jahr 2004 vertreten. Wiewohl zwar nun ab dem Jahr 2011 eine Verlangsamung des „substantiellen“ Wachstums von 2005-2009 für den Kontinent von Forecast International, einer Firma für Rüstungsmarktanalysen, prognostiziert wird,[3] scheint ein Ende der Goldgräberstimmung nicht in Sicht.

Das mag einerseits daran liegen, dass neue Geschäftsfelder erschlossen werden, wie die maritime Aufrüstung afrikanischer Staaten, von der Brenthurst Foundation als „Schlüsselkomponente der kollektiven Sicherheit und damit als Teil der Grundlage wirtschaftlicher Entwicklung“[4] identifiziert; oder am Ausbau der innerafrikanischen Grenzsicherungsregime, welcher auf Konferenzen der Rüstungsindustrie diskutiert[5] und von Deutschland, wohl eher für ein „effektiveres Migrationsmanagement“ denn für die Beilegung von Grenzstreitigkeiten, gefördert wird;[6] oder aber an Überlegungen, die ASF doch auch außerhalb Afrikas einzusetzen, wie es erst kürzlich auf einer Konferenz der Friedrich Ebert Stiftung auf der Agenda stand.[7] Neben diesen marktfördernden Impulsen liegt das nicht so baldige Ende der Goldgräberstimmung anderseits jedoch ganz entschieden an einer fragwürdigen Konzeption, wie Frieden auf dem afrikanischen Kontinent Einzug halten könne. Die Bundesregierung nennt, wohlgemerkt im Abrüstungsbericht 2009, das prominenteste Beispiel dafür: die Aufrüstung der ASF als friedensschaffenden Faktor.[8]

Während sich der vorangegangene dritte Teil der Studie „Die UN und der neue Militarismus“ mit den damit verbundenen politischen Maßnahmen und Implikationen der ASF-Aufrüstung beschäftigte, soll nun hier auf die ökonomische Akteurs-Ebene, also die der Rüstungsfirmen, die sich diese Aufrüstung zunutze machen, geblickt werden. Es wird sich dabei zeigen, dass im Besonderen die Figur des „Peacekeeping“, also der gemeinhin antizipierte Einsatz „blaubehelmter Friedenstruppen“ der UN, als wichtige Legitimationsfigur für das Geschäft mit Waffen, Ausrüstung und Dienstleistungen fungiert. Dieses „Peacekeeping“ verschafft der Rüstungsindustrie dabei aber weit mehr als nur die direkt entstehenden Verdienstmöglichkeiten, also, plakativ gesagt, Profiten aus dem Verkauf blauer Helme[9] oder aus dem Peacekeepertraining. Es erschließt ebenso ganz neue Räume für die Kunden-Akquise, die Etablierung von Marktplätzen sowie Imagegewinnen mittels des sog. „Bluewashing“, worauf im Folgenden ebenfalls eingegangen wird. Zum Abschluss dieses vierten Teils der Studie „Die UN und der neue Militarismus“ sollen zudem die gewonnenen Ergebnisse aller vier Teile zusammengefasst und die sich daraus ergebende Dynamik aufgezeigt werden. Eine Dynamik, welche in Anlehnung an George Orwell als „KRIEG IST PEACEKEEPING“ beschrieben werden kann.

Komplette Studie hier: http://imi-online.de/download/Februar2011_UNIV.pdf

Anmerkungen:

[1] Als „African Standby Force“ wird der sich im Aufbau befindliche militärische Arm der Afrikanischen Union (AU) bezeichnet. Näheres zur ASF siehe: Thomas Mickan: Die UN und der neue Militarismus (Teil II), in: AUSDRUCK (Juni 2010), auf: www.imi-online.de, S. 13.

[2] Leon Engelbrecht (2004): Africa: The last great untapped defence market, auf: http://www.defenceweb.co.za/index.php?option=com_content&view=article&id=1489&catid=58:Previously%20published%20articles%20&Itemid=140, Wiederveröffentlicht: 30.3.2009.

[3] Shaun McDougall (2010): African Defense Spending Growth Expected to Slow, auf: http://www.forecastinternational.com/press/release.cfm?article=218.

[4] Steve Stead et al.: Maritime Development in Africa, The Brenthurst Foundation Discussion Paper 2010/03, auf: http://www.polity.org.za/article/maritime-development-in-africa-an-independent-specialists-framework-july-2010-2010-07-26, S. 3.

[5] Border Control 2011 Konferenz am 11.2.2011 in Midrand, auf: http://www.defenceweb.co.za/index.php?option=com_registrationpro&view=event&Itemid=142&did=6.

[6] Auswärtiges Amt (2010): Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2008 und 2009, S. 28.

[7] Friedrich Ebert Stiftung (2010): Minutes. A Canadian Perspective on Peacekeeping – Matching Demand and Capacities, auf: http://www.fes.de/GPol/pdf/Luncheon_Minutes_Peacekeeping_29102010.pdf.

[8] Auswärtiges Amt (2010): Bericht zur Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung 2009, S. 32.

[9] Es sei angemerkt, dass die deutschen Aramidhelme für „genuine“ UN-Einsätze nicht neu lackiert werden, sondern lediglich der Tarnbezug zu Blau verändert wird. Lieferant der Bundeswehrhelme ist dabei die Firma Schuberth GmbH in Magdeburg als führender Hersteller für Militärhelme, die auch die Formel 1 Helme für Schumacher und Co fertigt.

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