Dokumentation: in: AUSDRUCK (Oktober 2010)

Militärische Machtmittel unverzichtbar – Kriegsdienstverweigerung problematisch

Brief des Evangelischen Landesbischofs Frank Otfried July an die württembergischen Wehrpflichtigen

von: Dokumentatioun / Frank Otfried July / Daniel Weitbrecht / Gerhard Bausch | Veröffentlicht am: 7. September 2010

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http://imi-online.de/download/DW-AUSDRUCK-10-2010.pdf

Im August 2009 versendete Frank Otfried July, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, über die Dekanat- und Pfarrämter an alle evangelischen Wehrpflichtigen im Zuständigkeitsbereich einen Brief, der uns erst kürzlich zuging.

Der Brief enthält eine Reihe hochproblematischer Aussagen, u.a. die folgenden beiden Zitate:

„Die evangelische Kirche ist sich dessen bewusst, dass in der gegenwärtigen Weltlage das Gewaltmonopol des Staates, einschließlich der militärischen Mitteln unverzichtbar ist.“

„Wer andererseits den Kriegsdienst verweigert, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit möglicherweise Menschen in Spannungsgebieten der Gewalt anderer preisgibt.“

Der gesamte Brief findet sich hier: http://imi-online.de/download/Landesbischof-Wehrpflichtige.pdf

Eine ausführliche Replik unseres IMI-Beirats Gerhard Bausch ist hier zu finden: http://imi-online.de/download/Landesbischof-Wehrpflichtige-Gerhard-Bausch.pdf

Es folgt nun die Reaktion unseres IMI-Beirats Daniel Weitbrecht:

An das
Büro des Landesbischofs
Gänsheidestraße 4
70184 Stuttgart

Sehr geehrter Herr Landesbischof July,

ich bin Mitglied der evangelischen Landeskirche in Württemberg und habe von Ihrem Brief an die Wehrpflichtigen erfahren. Dieser Brief hat mich empört.

Anstatt ein klares NEIN zum Kriegsdienst kund zu tun, so wie es die christliche Botschaft von uns fordert („Du sollst nicht töten“, „Liebet Eure Feinde“, „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“ …), werfen Sie den Kriegsdienstverweigerern vor „Menschen in Spannungsgebieten der Gewalt anderer Preis“ zu geben.

In der Realität ist aber die ursprüngliche Propaganda von militärischen Auslandseinsätzen als Aufbau- und Schutzeinsätzen längst demaskiert. Denken wir nur an die Bombardierung der beiden Tanklaster bei Kunduz im September 2009. Oder die Erschießung von Unschuldigen an Kontrollstellen durch Bundeswehrsoldaten. Die Auslandseinsätze dienen der Bündnistreue, dem freien Zugang zu Rohstoffen und anderen machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen, sie sind nicht humanitär begründbar, wenn man realistisch sein will. (Man erinnere sich nur an die Äußerungen des ehem. Bundespräsidenten Köhler).

Aber selbst, wenn man Ihrer Argumentation folgen wollte, dass Kriegsdienstverweigerer „Menschen in Spannungsgebieten der Gewalt anderer“ preisgeben. Warum erwähnen Sie diesen Vorwurf nicht auch gegenüber den meisten wehrpflichtigen Bundeswehrsoldaten? Denn auch diese gehen meistens nicht in Auslandseinsätze. Nur einige wenige Freiwillige aus den Wehrpflichtigen, sowie Längerdienende und Berufssoldaten gehen in Auslandseinsätze.

Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Sie die Soldaten gegenüber den Kriegsdienstverweigerern klar bevorzugen. Und sich, satt der unbequemen, christlichen Friedensbotschaft anzuschließen, sich mit dem Staat gemein machen. Wie dies leider viele Christen seit der Konstantinischen Wende schon vor Ihnen getan haben.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Weitbrecht
Tübingen, den 20.8.2010