IMI-Standpunkt 2010/010

Rede von Tobias Pflüger, Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und ehemaliger Europaabgeordneter der LINKEN

auf dem Ostermarsch in Stuttgart am 3. April 2010

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 3. April 2010

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Liebe Freundinnen und Freunde!

Die Bundeswehr führt Krieg in Afghanistan. Das ist inzwischen auch bei den Regierenden angekommen. Es hat zwar ziemlich lang gedauert, bis sie das zugegeben haben. Aber jetzt ist es offiziell, dass Krieg ist in Afghanistan; dabei wird gestorben und getötet. Erst gestern kamen drei Bundeswehrsoldaten “im Gefecht” – wie es heißt, um. Heute töteten Bundeswehrsoldaten “aus Versehen” sechs afghanische Armeeangehörige. Wir wollen, dass das Töten und getötet werden endlich aufhört. Auch Deshalb fordern wir: Bundeswehr sofort raus aus Afghanistan!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir stehen hier vor dem Kreiswehrersatzamt in Stuttgart. Hier werden wie in den anderen Kreiswehrersatzämtern bundesweit junge Menschen gemustert. Ich kann mich noch sehr gut an meine eigene Musterung erinnern. Ich hatte schon den Kriegsdienst verweigert – wie sich das gehört – und wurde trotzdem nach militärischen Kriterien gemustert. Spätestens heute ist klar: Die jungen Menschen werden hier gemustert für den Kriegseinsatz, wer ist wehrtauglich, wer ist kriegstauglich und wer nicht. Ich will klar sagen: Wir wollen nicht, dass junge Menschen auf Kriegstauglichkeit gemustert werden.

Wir wollen nicht, dass junge Menschen zur Bundeswehr gehen, in den Krieg gehen, deshalb fordern wir sie auf den Kriegsdienst zu verweigern!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wenn die Bundeswehr Krieg führt und die Bundesregierung die Bundeswehr in den Krieg schickt, muss die Bundeswehr Soldaten rekrutieren. Und die Bundeswehr rekrutiert immer offensiver. Die Bundeswehr rekrutiert an den Arbeitsagenturen, an Schulen, vor allem Berufsschulen, auf Jugendmessen etc. Wir wollen nicht, dass die Bundeswehr dort auftritt, deshalb fordern wir: Bundeswehr raus aus den Schulen, raus aus den Arbeitsagenturen und raus aus den Jugendmessen!
Liebe Freundinnen und Freunde!

Ich will einige konkreten Zahlen nennen: Die Zielgröße der jährlichen Rekrutierungen ist 20.000 Soldaten. Von den zum Zeitpunkt der Erhebung im Auslandseinsatz befindlichen 6.391 Soldaten, heute sind es ca. 8.500 Soldaten im Auslandseinsatz, waren 3.143 Soldaten aus Ostdeutschland, das sind 49,2 % obwohl die Ostdeutschen nur 20 % der Bevölkerung ausmachen in Deutschland. Bei den 4 Generälen im Auslandseinsatz war kein Ostedeutscher dabei, bei den Stabsoffizieren nur 16,6 % und haltet Euch fest, bei den Mannschaften waren es sage und schreibe 62,5 % aus Ostdeutschland. Die Bundeswehr und die Bundesregierung nutzen hier die wirtschaftlich und sozial schlechtere Situation in Ostdeutschland schamlos aus, um zu rekrutieren. Wir wollen nicht, dass eine schlechte soziale Situation ausgenutzt wird von der Bundeswehr, um Menschen dazu zu bringen, zur Bundeswehr zu gehen! Geht nicht zur Bundeswehr!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Die Bundeswehr hat die Anforderungen der – wie es heißt – psychologischen Belastbarkeit und Verhaltensstabilität im Jahre 2006 herabgesetzt. Die Zeitung “Die Welt” schrieb dazu: “Es wird praktisch jeder genommen.”

Ich habe hier ein Flugblatt der Wehrdienstberatung Stuttgart: Dort heißt es:

“Hauptschule fertig? Bewirb dich in die Mannschaftslaufbahn! Werde vier Jahre lang Soldat in einer Kampftruppe bei den Gebirgsjägern, Fallschirmjägern oder den Panzergrenadieren! – Realschule gemacht? Die Unteroffizierslaufbahn ist das genau Richtige für dich! Wir bieten 65 Ausbildungsgänge aus allen Berufszweigen an. … Abitur in der Tasche? – Studiere bei der Bundeswehr! Mehr als 20 Studiengänge – von BWL über Medizin bis zu Luft- und Raumfahrttechnik – stehen dir offen. Du willst deinen Traum vom Fliegen wahrmachen? Die Grenzen deiner Leistungsfähigkeit neu definieren? Werde Hubschrauber- oder Jetpilot! Auf den Geschmack gekommen? Ruf an!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Der Job bei der Bundeswehr ist kein sicherer Job, wie es in deren Werbung heißt. Es kann ein todsicherer Job werden, wie die Ereignisse von gestern und heute zeigen. Es wird getötet und gestorben. Deshalb an alle: Verweigert den Kriegsdienst oder gebt den Soldatenberuf auf!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Neben diesen Rekrutierungen betreibt die Bundeswehr umfangreiche Werbemaßnahmen. Dazu einige Zahlen: 2009 hatte die Bundeswehr fast 1.000 Werbeauftritte, auf Festen, Messen, in Arbeitsagenturen und Schulen. 1.346 mal ist das Musikkorps der Bundeswehr aufgetreten. Es gab 180 öffentliche Gelöbnisse, zwölf große Zapfenstreiche und 98 andere militärische Zeremonien. Es findet also eine Militarisierung der Gesellschaft statt. Und am 30. Juli diesen Jahres will die Bundeswehr in Stuttgart ein Gelöbnis veranstalten. Machen wir es den Münchnerinnen und Münchnern nach, und protestieren wir wirkungsvoll gegen dieses geplante Gelöbnis in Stuttgart! Zeigen wir der Bundeswehr, dass sie in Stuttgart im öffentlichen Raum nicht erwünscht ist. Ich rufe Euch dazu auf, gegen das Gelöbnis zu demonstrieren.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Die Bundeswehr hat neuerdings ein Kriegerdenkmal in Berlin. Offiziell heißt das nicht so. Dort soll der – wie es heißt – gefallenen Soldaten gedacht werden. Was hier passiert, ist eine Glorifizierung des Totes mit dem Ziel für mehr Auslandseinsätze zu werben. Diese Glorifizierung des Totes durch die Bundeswehr lehnen wir ganz klar ab!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Das Kultusministerium Baden-Württemberg hat eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr abgeschlossen. Danach soll die Bundeswehr privilegiert an den Schulen Baden-Württembergs auftreten können. Jugendoffiziere sollen wohl auch Unterricht von Lehrerinnen und Lehrern übernehmen können. Wir wollen keine Bundeswehr an den Schulen! Wir fordern, dass diese Kooperationsvereinbarung zwischen Bundeswehr und Kultusministerium sofort wieder gekündet wird!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Interessant ist, dass solche Kooperationsvereinbarungen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz vereinbart worden sind. Die Bundeswehr betreibt hier offenbar eine bundesweite Offensive. Doch es gibt Bundesländer, die lehnen eine solche Kooperationsvereinbarung ab: Dazu gehören Schleswig-Holstein, Bremen, Brandenburg und Thüringen. Baden-Württemberg sollte dem Beispiel dieser Bundesländer folgen, und seine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr wieder auflösen!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Inzwischen wehren sich immer mehr Schülerinnen und Schüler gegen diesen Einmarsch der Bundeswehr an den Schulen. Die Landesschülervertretung in Berlin hat sich gegen die Bundeswehr an Schulen ausgesprochen und in Freiburg gab es eine Demonstration gegen Bundeswehr an Schulen! Wir senden hier vom Ostermarsch Baden-Württemberg unsere solidarischen Grüße an diejenigen die gegen die Bundeswehr an Schulen protestieren. Wir unterstützen Euch. Die Bundeswehr hat an Schulen nichts zu suchen!

Liebe Freundinnen und Freunde!

In der Süddeutschen Zeitung vom 26. März gab es einen lesenswerten Artikel über Bundeswehr an den Schulen. Darin wird ein Fall geschildert wie Schülern in Schleswig-Holstein stolz ein Waffensimulator vorgeführt wurde, mit dem Hinweis das sei besser als jedes Computerspiel.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Das ist kein Spiel, was die Bundeswehr hier macht, das ist tödlicher Ernst. Wir lehnen diese Militarisierung von Bildung ab!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Es wird gestorben und getötet bei der Bundeswehr. Die Bundeswehr ist in Afghanistan im Krieg, im Angriffskrieg. Dort werden immer wieder auch Zivilisten durch die NATO und Bundeswehr getötet. Das hat nicht zuletzt das Massaker von Kunduz gezeigt.

Rein juristisch ist klar, wie der Befehl von Oberst Klein mit den mindestens 145 Toten zu bewerten ist. Juristisch war das Mord. Auch wenn ich nicht glaube, dass es zu einer Verurteilung kommen wird.

Wir wollen nicht, dass Soldaten zu Mörder werden. Auch deshalb wollen wir den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, und wir fordern die Soldaten der Bundeswehr auf, den Kriegsdienst zu verweigern oder – wenn nötig – zu desertieren!

Vielen Dank!