Dokumentation

Flatternde Triebwerke – Militärtransporter A 400M soll morgen erstmals abheben. Die Kosten haben das schon seit langem getan. Airbus-Chef kündigt Vertragsbruch an von Frank Brendle

und Schadenfreude - Umdenken ist nötig von Inge Höger, MdB

von: Junge Welt / Frank Brendle / Inge Höger | Veröffentlicht am: 10. Dezember 2009

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Die Junge Welt hat am 10.12. einen Schwerpunkt zum Militärairbus A400M gebracht.
Neben einem Gespräch mit IMI-Beirat Lühr Henken finden sich Texte von Frank Brendle und Inge Höger, die wir hier dokumentieren.

Das Gespräch mit Lühr Henken: https://www.imi-online.de/2009.php?id=2055

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Nun zur Dokumentation:

Flatternde Triebwerke

Militärtransporter A 400M soll morgen erstmals abheben. Die Kosten haben das schon seit langem getan. Airbus-Chef kündigt Vertragsbruch an

Frank Brendle

Europäische Rüstungslobbyisten und Militärs schauen gespannt ins spanische Sevilla: Dort soll der neue Militär-Airbus A 400M am morgigen Freitag zu seinem Erstflug abheben. Gelingt er  bei drei Jahren Verspätung ist das nicht garantiert – ist das ein Meilenstein auf dem Weg zur Militärmacht EU. »Das Besondere am A 400M ist, daß er alles kann«, rühmte erst vor wenigen Tagen der für die Rumpfmontage zuständige Airbus-Manager Cord Siefken das milliardenschwere Produkt aus seinem Hause. Dabei kam die Maschine in den letzten Jahren vor allem dadurch ins Gerede, was sie alles nicht kann.

Komplette Neukonstruktion

Den Vertrag zu ihrer Beschaffung hatte 2003 die deutsche SPD-Grünen-Regierung gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich, Spanien, Belgien, Luxemburg und der Türkei unterzeichnet. Die bisherigen »Transall«-Flugzeuge waren nicht nur zu alt, sondern hielten mit dem Anspruch auf weltweite Interventionsfähigkeit nicht Schritt. »Rot-Grün«, gerade in den Afghanistan-Krieg eingestiegen, wollte ein modernes, eigenes Transportflugzeug.

Der Airbus ist keine Weiterentwicklung bestehender Maschinen, sondern eine Neukonstruktion. Aus industriepolitischen Gründen wollten die Auftraggeber weder bereits ausgereifte Flugzeuge kaufen noch auf das Know-how von US-amerikanischen und kanadischen Herstellern zurückgreifen. Der Rüstungskonzern EADS bzw. dessen Tochter Airbus verpflichtete sich, 180 Maschinen zu einem Festpreis von knapp 20 Milliarden Euro zu produzieren, die erste Lieferung war für Oktober 2009 angekündigt. Es gab aber technische Probleme, womit der Zeitplan zur Makulatur wurde. Die Bundeswehr kann frühestens ab 2013 mit der Lieferung der bestellten 60 Maschinen rechnen.

Offen wird von Mehrkosten von über fünf Milliarden Euro gesprochen  laut Vertrag müßte Airbus dafür aufkommen. Dessen Chef Thomas Enders gedenkt jedoch nicht, sich daran zu halten. Er fordert, die Besteller sollten die zusätzlichen Milliarden drauflegen, ansonsten würden entweder weniger oder technisch abgespeckte Flugzeuge geliefert. Wenn ihnen das nicht passe, könne er das Projekt auch abblasen. Südafrika zog im November die Notbremse und stornierte die Bestellung von acht Flugzeugen. Es ist aber nicht zu erwarten, daß die europäischen Kunden dem Beispiel folgen.

EU-Europa hält an diesem Projekt vor allem fest, weil es sich taktische Vorteile erhofft und sich militärisch langfristig auf eigene Füße stellen will. Auf dem Transporter-Markt wären sowohl der US-Typ C-17 zu haben gewesen als auch die russisch-ukrainischen Antonow-Maschinen.

Zwölf Tonnen zu schwer

Der Flieger kommt nicht nur viel zu spät, sondern ist auch viel zu teuer. Darüber hinaus kann er längst nicht alles, was vereinbart wurde. Ursprünglich war eine Reichweite von 9000 Kilometern, eine Nutzlast von 37 Tonnen und eine Geschwindigkeit von 790 Kilometern pro Stunde vorgesehen  laut Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung kann der A 400M aber maximal 25 Tonnen bis in das 5000 Kilometer entfernte Afghanistan bringen. Der neue Schützenpanzer »Puma«, den die deutschen Besatzer dort gerne hätten, ist damit zu schwer. Seine Panzerung muß in Deutschland demontiert und separat an den Hindukusch geflogen werden. Mit den bisher gecharterten Antonow-Transportern wäre das nicht nur kein Problem, sondern auch viel billiger.

Der A 400M ist noch immer zwölf Tonnen zu schwer, was auf Kosten der Zuladung, der Reichweite und der Geschwindigkeit geht. Bei Steilanflügen, wie sie in Kriegsgebieten – etwa in Kabul – erforderlich sein können, beginnen mitunter die Triebwerke zu flattern. Probleme gab es auch mit der Navigationsausrüstung und der Steuerung. Der Erstflug wird zeigen, wie einsatzreif die Maschine ist.

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Schadenfreude

Umdenken ist nötig…

Inge Höger

Die Anstrengungen deutscher und anderer europäischer Luftwaffen für das A-400-M-Programm sind ein Indiz dafür, daß Kriege in Einsatzgebieten außerhalb des Kontinents zur Normalität werden. Dies wird Die Linke niemals hinnehmen!

Der A 400M zeigt, daß sich in den Köpfen europäischer Militärs die Zeiten geändert haben. Vor 1989 hat man allein auf atomare Rüstung gesetzt, in den ehemaligen Kolonien reichte leichte Rüstung aus. Seitdem man aber nach dem Ende des Kalten Krieges eine »EU des Friedens« hat, finden die wichtigsten Kriege außerhalb EU-Europas statt. Das dafür notwendige Gerät muß schneller und effektiver in diese peripheren Regionen transportiert werden können. Wer also die westliche Kriegsstrategie in Afghanistan, am Horn von Afrika und anderswo ablehnt, muß sich auch gegen das A-400-M-Projekt wehren. Das geplante Transportflugzeug ist eine logische Folge des EU-Reformvertrages von Lissabon, in dem eine schnelle EU-Eingreiftruppe festgeschrieben wird.

Daß Deutschland und Frankreich bereits mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern in dieses Projekt gesteckt haben, ist vor dem Hintergrund angeblich leerer Staatskassen ein Skandal. Allerdings kann man sich als Kriegsgegner einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren. Airbus konnte die Wünsche seiner beiden Großkunden bisher nicht erfüllen, denn das Kriegsprodukt ist bisher mangelhaft und die Auslieferung kann frühestens 2012 stattfinden.

Diese Stagnation sollte die Bundesregierung dazu nutzen, umzudenken und aus dem kostspieligen militaristischen Projekt auszusteigen. Denn die Rüstungsindustrie wird noch mehr Geld für das Programm verlangen. Wie jeder Kunde hat auch der deutsche Staat ein Sonderkündigungsrecht, wenn das bestellte Produkt zu teuer wird. Davon sollte die Regierung schleunigst Gebrauch machen, denn die noch ausstehenden Milliarden sind wahrlich besser in sozialen und friedlichen Vorhaben aufgehoben.

Inge Höger (Die Linke) ist Mitglied im Verteidigungsausschuß des Bundestages