Pressebericht - in: Neues Deutschland, 25.11.2009

Aufrüstung gegen Aufstände

IMI-Kongress über Krise und Militarisierung

von: Michael Schulze von Glaßer | Veröffentlicht am: 25. November 2009

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

»Ich sehe viele Anzeichen für eine neue Blockkonfrontation«, leitete Jürgen Wagner in seinem Vortrag über »globale Machtverschiebungen im Kontext der Krise« den diesjährigen Kongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) ein, für den am Wochenende 200 Friedensbewegte nach Tübingen gekommen waren. Die noch relativ unbekannte Shanghaier-Vertragsorganisation mit ihren führenden Mitgliedern China und Russland würden sich zunehmend zu einem Block festigen. Die NATO-Staaten rückten ebenfalls wieder enger zusammen, was zu Aufrüstung und einem neuen Kalten Krieg führen könne, warnte der IMI-Geschäftsführer.

Ein Höhepunkt der zweitägigen Veranstaltung war der Vortrag des Politikwissenschaftlers Elmar Altvater über »Ökonomie, Krise und Krieg«, in dem er für mehr Kapitalismuskritik plädierte. Nach einem kurzen historischen Vergleich der aktuellen mit der in Teilen sogar schwächeren Weltwirtschaftskrise von 1929 ging Altvater zu einer umfangreichen Kritik der heutigen Ökonomie über. Diese schaffe prekäre Arbeitsverhältnisse und andere Missstände, die vom Staat mit militärischen Mitteln durchgesetzt würden. Eine kritische Öffentlichkeit gibt es nach Altvaters Einschätzung nicht.
Kanonenfutter für den Westen

Auch wenn soziale Unruhen hierzulande noch nicht zu spüren sind, bereitet sich die Politik bereits vor. Eine zentrale Rolle bei künftiger Aufstandsbekämpfung komme dem Katastrophenschutz zu, erklärte IMI-Vorstandsmitglied Christoph Marischka. Dieser werde zunehmend von Reservisten der Bundeswehr geleitet. Im Falle einer Katastrophe plane die Bundesregierung weitreichende Grundrechtseinschnitte, warnte er. Als Katastrophen gelten demnach schon Streiks in wichtigen Infrastrukturbereichen wie Häfen. Als Grund für die rigorosen Pläne machte Marischka die Absicherung politischer Macht und der kapitalistischen Ökonomie aus.

Eine neue Entwicklung beim Aufbau militärischer Fähigkeiten ist die Ausbildung und Ausrüstung von Soldaten in Drittstaaten. Die westlichen Staaten schicken immer weniger eigene Truppen ins Ausland, erklärte IMI-Mitarbeiterin Jonna Schürkes. Um eigene Verluste zu vermeiden, versuchten sie vielmehr gleich vor Ort, einen Militärapparat aufzubauen.

Sarah Nagel und Mechthild Exo zeigten am Sonntag, wie die Hochschulen mittlerweile fest in die EU-Militarisierung eingesponnen sind. Dabei gehe es neben der technische Rüstungsforschung auch immer mehr um geisteswissenschaftliche Studien, die vom Militär gefördert würden. An der Theologischen Fakultät Heidelberg forschte das Militär beispielsweise an den Themen »Ethik der Inneren Führung« und »Gerechter Frieden – Gerechter Krieg«.

Rolf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, kritisierte die Vermischung von Polizei, Geheimdiensten und Militär als Gefahr für die Demokratie. Zusammen mit der Gewerkschafterin Hedwig Krimmer und dem ehemaligen EU-Parlamentarier Tobias Pflüger diskutierte Gössner über die weiter zunehmende Repression der sozialen Bewegung in Zeiten der Krise. Dabei wurde auf die Notwendigkeit von breiten Bündnissen für Demonstrationen verwiesen, da es gelte, so viele Menschen wie möglich auf die Straße zu bringen. Einig waren sich die Podiumsteilnehmer auch, dass sich die Situation weiter verschärfen werde.