Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2009/048

Erklärung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag

Presseerklärung des wissenschaftlichen Beirats von Attac

IMI (17.08.2009)

Es ist zu begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht ein grundlegend neues Begleitgesetz zum EU-Vertrag von Lissabon fordert. Im Urteil vom 30. 06. 2009 finden sich viele Anknüpfungspunkte für eine Verbesserung der demokratischen Partizipation nationaler und regionaler Parlamente an den Entscheidungen auf EU-Ebene. Es wäre noch mehr zu begrüßen, wenn das Urteil zum Anlass genommen würde, eine breite, öffentlich geführte Debatte über die Inhalte eines Begleitgesetzes zum Lissabon-Vertrag einzuleiten, um die Bürgerinnen und Bürger daran so intensiv wie möglich zu beteiligen. Doch laufen die Verhandlungen zum Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon derzeit hinter verschlossenen Türen. Es scheint, als solle das Gesetz geradezu durchgepeitscht werden, um durch einen frühzeitigen Abschluss in Bundestag und Bundesrat das Referendum in Irland am 2. Oktober 2009 über den Vertrag von Lissabon, im Sinne der Vertragsbefürworter, beeinflussen zu können. Wir halten ein solches Verhalten für undemokratisch und intransparent und fordern eine öffentliche Diskussion, die sich nicht auf das Abnicken von Gesetzesvorlagen der Bundesregierung durch die Mitglieder des Bundestages beschränkt.

Vor diesem Hintergrund möchten wir in der Öffentlichkeit folgende Forderungen für ein künftiges Europagesetz in die Diskussion einbringen; dies sind Kernpunkte, die nicht nur in Deutschland, sondern europaweit Gültigkeit beanspruchen:

1. Es muss gewährleistet werden, dass bei EU-Vertragsänderungen dazu in Deutschland, wie in anderen EU-Mitgliedsländern auch, Volksabstimmungen stattfinden können.

2. Es bedarf einer umfassenden Stärkung der Rechte der Parlamente, in Deutschland des Bundestages. Der Bundestag muss in allen Belangen die Position der Bundesregierung im Rat frühzeitig festlegen können. In anderen Ländern sind ähnlich Regelungen vorzusehen. Dies muss selbstverständlich auch für alle so genannten Missionen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sprich EU-Polizei- und Militäreinsätze gelten.

3. Es bedarf dazu auch einer umfassenden Stärkung der Informationsrechte der Parlamente und daher auch des Bundestags, insbesondere indem Zugang zu den Diskussionen in den Ratsarbeitsgruppen und im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee gewährleistet wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass hinter verschlossenen Türen auf Beamtenebene Tatsachen geschaffen werden, ohne dass die Öffentlichkeit überhaupt davon erfährt.

4. Es bedarf eines völkerrechtlichen Vorbehalts durch die Bundesregierung, in dem klar gestellt wird, dass auch künftig der Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr und das Verbot des Angriffskrieges (Art. 26 GG) gelten.

5. Es bedarf eines völkerrechtlichen Vorbehalts durch die Bundesregierung, in dem klar gestellt wird, dass das Sozialstaatsprinzip gilt und damit der Vorrang sozialer Grundrechte im Rahmen des Europäischen Sozialmodells vor den Kapital-, Waren-; und Dienstleistungsfreiheiten gewährleistet werden kann.

Wir wissen, dass ein NEIN zum Lissabon-Vertrag auch aus nationalistischen, europafeindlichen Motiven erfolgen kann. Wir wissen auch, dass ein JA zum Lissabon- Vertrag sehr verschieden, ja gegensätzlich motiviert sein kann.

Die progressive NEIN-Kampagne in Irland verdient unsere Unterstützung, weil sie von der Absicht getragen ist, eine EU deregulierter Märkte, des Sozialabbaus und der militärischen Interventionen zu verhindern und eine demokratische, soziale, friedliche und ökologisch nachhaltige EU zu errichten.

Berlin / Frankfurt/Main, den 17.08.2009

Für Rückfragen und Interviews wenden Sie sich bitte an:

Elmar Altvater, em. Professor der Politikwissenschaft, FU Berlin,
Tel. 30-3550 3250 (nur heute)

Andreas Fisahn, Professor für Öffentliches Recht, Universität Bielefeld,
Tel. 0170-752 7560

Tobias Pflüger, Vorstandsmitglied Informationsstelle Militarisierung, Tübingen,
Tel. 0174-765 0483 (derzeit im europ. Ausland)

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