IMI-Studie 2009/03

Die Erneuerung der NATO auf dem Balkan.


von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 15. Februar 2009

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Dieser Text erschien in der von der Informationsstelle Militarisierung und der DFG-VK herausgegebenen Broschüre „Kein Frieden mit der NATO“. Vorbestellung der Broschüre mit 72 Seiten für 2 Euro zzgl. Versand an: imi@imi-online.de

Wie alle IMI-Publikationen steht auch die NATO-Broschüre kostenlos für den Download zur Verfügung:
http://imi-online.de/download/webversion-imi-nato.pdf

Als Einzeltext findet sich der Beitrag hier: http://imi-online.de/download/CM-NATO-Balkan.pdf

Einleitung

Der Balkan – eigentlich ein Gebirge – sei hier als die Halbinsel verstanden, die neben den Staaten, die aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgingen, auch Albanien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Teile der Türkei umfasst. Es geht also um einen Raum, in dem Orient und Okzident, Europa und Arabien, Christentum und Islam historisch immer wieder aufeinander trafen, ineinander übergingen und sich zeitweise bekämpften. Dies ist zumindest einer der Hintergründe, weshalb der Balkan wiederholt von Europa aus mit äußerst negativen Konnotationen der Bedrohung versehen wurde, geopolitisch heute als Inbegriff von ethnisch aufgeladener, konflikthafter Kleinstaaterei gilt. Eine aktuelle Variante dieser Tendenz, den Balkan als Brücke für über Europa hereinbrechende Gefahren zu beschreiben, ist der Begriff des „Kriminalitätskorridors“, wie er in Publikationen des BND und deutscher Strafverfolgungsbehörden verwendet wird.

Hier soll es um das Engagement der NATO auf dem Balkan seit 1989 gehen. Entsprechend nehmen Griechenland und die Türkei, welche bereits seit 1952 Mitglieder der NATO sind, im Folgenden einen wesentlich kleineren Raum ein als Bulgarien, Rumänien und Albanien, die erst in jüngster Zeit Mitglieder der NATO wurden bzw. unmittelbar vor der Aufnahme stehen. Intensiver noch als diese, werden die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens behandelt, von denen einige sich nur mithilfe der Gewalt der NATO von der Belgrader Zentralregierung lösen konnten.

Von einer vorausplanenden Gesamtstrategie der NATO, der ihr damaliger Raison d´ être mit der Auflösung des Warschauer Paktes abhanden kam, gegenüber dem Balkan zu sprechen, ist nicht möglich. Zweifellos aber kann man sagen, dass sich die Gesamtstrategie der neuen NATO kontinuierlich und wesentlich mit ihrem Engagement auf dem Balkan entwickelt hat. Anstatt einer Auflösung strebte das Militärbündnis die Ausdehnung nach Osten an und entwickelte hierfür mit dem Programm „Partnerschaft für den Frieden“ (PfP) 1994 ein wichtiges und wegweisendes Instrument. Die ersten Länder, die bis Februar 1994 im Rahmen der PfP in eine engere Kooperation mit der NATO einwilligten, waren Rumänien, Litauen, Polen, Estland, Ungarn, Ukraine, Slowakei, Bulgarien, Lettland und Albanien. Jugoslawien verblieb als einziges Land auf dem Balkan mit einer engeren Anbindung an Russland als an die NATO. In den folgenden Jahren unterstützte die NATO die Unabhängigkeit der ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken und der Provinz Kosovo von Belgrad und setzte diese zum Teil auch militärisch durch. Heute sind ausnahmslos alle Staaten[1] des Balkans entweder Mitglieder der NATO oder der PfP.

Christopher Bennett, Herausgeber der NATO-Review und zuvor Experte der International Crisis Group für den Balkan, beschrieb diese Entwicklung 2004 wie folgt: „Während sich der Balkan früher politisch anscheinend in eine ganz andere Richtung bewegte als die anderen Regionen des europäischen Kontinents, ist die Integration in die euro-atlantische Staatengemeinschaft heute ein realistisches Ziel aller Staaten und Entitäten – und dies ist weitgehend auf die Sicherheitspräsenz des Bündnisses zurückzuführen.
Heute sind sowohl Bosnien und Herzegowina als auch Serbien und Montenegro, die noch vor kaum mehr als fünf Jahren Ziel lang anhaltender Luftangriffe der NATO waren, Beitrittskandidaten des Bündnisprogramms der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Albanien, Kroatien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien streben die NATO-Mitgliedschaft an und stellen bereits Kontingente für NATO-Operationen außerhalb des euro-atlantischen Raumes zur Verfügung.“[2] Wenn auch selbst im Jahr 2000 noch von keiner offiziellen und erklärten Strategie der NATO ausgegangen werden kann, den gesamten Balkan zu unterwerfen, so gab es spätestens zu diesem Zeitpunkt zumindest innerhalb der NATO den erklärten Willen, eine solche geopolitische Situation herbeizuführen. So berichtete Willy Wimmer, Bundestagsabgeordneter der CDU und bis 1992 Staatssekretär im Verteidigungsministerium, über eine sicherheitspolitische Konferenz in Bratislava vom April 2000, auf der amerikanische NATO-Vertreter geäußert hätten, „der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren [womit Jugoslawien dem sowjetischen Einflussbereich zufiel]. Eine Stationierung von US-Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen […] Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.“[3] Dieses Ziel wurde einerseits durch eine imperiale Militärbürokratie, andererseits durch handfeste Angriffskriege erreicht und spiegelt damit das Wesen der neuen NATO wider.

Den gesamten Text gibts hier: http://imi-online.de/download/CM-NATO-Balkan.pdf