Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, 10.04.2007

Gegen eine Angriffsarmee

Rund hundert Tübinger waren beim Ostermarsch in Calw dabei

von: Pressebericht / Schwäbisches Tagblatt | Veröffentlicht am: 31. Dezember 2006

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CALW/TÜBINGEN (eik). „Bundeswehr, raus aus Afghanistan!“ – das war die zentrale Forderung der Demonstranten auf dem diesjährigen Ostermarsch am Samstag in Calw. Auch etwa hundert Tübinger waren dabei. Friedlich, aber mit Wut im Bauch demonstrierten sie vor der Kaserne des „Kommando Spezialkräfte“. Calw erlebte damit die zentrale Osterdemonstration der Friedensaktivisten in Baden-Württemberg. Die Demonstranten sorgten sich um die Lage in Afghanistan und warntem vor einem drohenden Krieg im Iran.

Die Polizei sprach von 500 Teilnehmern. Die Veranstalter zählten 1300 Friedensbewegte, die am vergangenen Samstag beim Ostermarsch durch die Calwer Innenstadt zogen. Unter den christlichen, linkspolitischen, grünen und frauenbewegten Gruppen waren auch etwa hundert Tübinger Aktivisten.

Mit Zuspruch zufrieden

„Klar ist das nicht mehr das große Engagement wie noch in den achtziger Jahren“, kommentierte die Tübinger Bundestagabgeordnete der Linksfraktion, Heike Hänsel, die Entwicklung der Ostermärsche. „Aber wir befinden uns ja auch in einer ganz anderen gesellschaftlichen Situation.“ Mit dem Zuspruch zum diesjährigen Haupt-Ostermarsch in Baden-Württemberg war die Politikerin ganz zufrieden.

Den Ort hatten die Aktivisten in diesem Jahr sehr bewusst gewählt: In der Kreisstadt Calw ist seit seiner Gründung im Jahre 1996 das „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) der Bundeswehr stationiert, dessen Soldaten auch in Afghanistan eingesetzt werden. Den Demonstranten ist gerade diese Einheit ein Dorn im Auge: „Das KSK ist die aggressivste Einheit der Bundeswehr und hat auch deutlich rechtsradikales Potenzial“, meinte einer der Friedensbewegten, der wie andere auch seinen Namen nicht nennen mochte.

Für Tobias Pflüger, Abgeordneter des Europaparlaments für die Linke und Vorsitzender der Tübinger Informationsstelle Militarisierung, ist das KSK ein Zeichen dafür, dass sich die Bundeswehr langsam, aber sicher von ihrer Beschränkung löse, eine reine Verteidigungsarmee zu sein: Die Spezialkräfte „haben Zulieferung zu Folterungen betrieben und sind Folterunterstützer“. Als sogenannte Elite-Einheit ziehe das KSK automatisch Rechtsradikale an. Pflüger wies unter dem Applaus der Demonstranten darauf hin, dass das KSK auch schon als „Kommando- Spezial-Killer“ bezeichnet wurde.

Mit Bussen, Zügen oder Privatautos waren die Demonstranten ins beschauliche Calw gekommen. Von der Graf-Zeppelin-Kaserne am Stadtrand, wo das KSK stationiert ist, zogen sie am frühen Nachmittag in die Innenstadt. Tübinger Friedensbewegte waren auch als Ordner und Organisatoren vertreten. „Ich war schon in den achtziger Jahren dabei“, erzählte ein Aktivist. „Damals habe ich auch schon mal die Grünen gewählt. Heute würde ich das nicht mehr tun.“

Enttäuscht von den Grünen

Wen man auch fragte: Gerade die Enttäuschung über die Politik der Öko-Partei war unter den Demonstranten groß. „Die sollte man mal in den Kosovo schicken, damit sie da die Uran-Munition wieder aufsammeln“, schimpfte ein Demonstrant und meinte damit das Engagement der einstigen Regierungspartei für einen militärischen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien. „Die Grünen sind heute eine gespaltene Partei“, bewertete Heike Hänsel die Lage. „Auf den Ostermärschen sind ja sehr viele Basis-Grüne unterwegs. Die Parteispitze jedoch hat sich von denen sehr entfremdet.“

Auf der Rednerliste standen, neben den Abgeordneten Hänsel und Pflüger die Gewerkschafter Bernd Riexinger (Verdi) und Martin Spreng (DGB) sowie der Heidelberger Theologe Ulrich Duchrow. „Rebellen stehen wieder auf“, rief er den Demonstranten zu und verwies auf die Ostergeschichte, die für viele Christen die Grundlage der Ostermärsche bildet: Direkte Aktion und ziviler Ungehorsam seien auch die Mittel des politischen Jesus im damals von den Römern besetzten Palästina gewesen.

Symbolische Orte, die den Krieg veranschaulichen, sollen auch weiterhin die Schauplätze von Osterdemonstrationen bleiben, sagte Heike Hänsel gegen Ende der Kundgebung in Calw. „In Metropolen wie Stuttgart kommen nicht unbedingt mehr Menschen, auch wenn die Logistik dort unkomplizierter ist. Hier aber sind wir direkt an Orten der Militarisierung und machen sie damit auch sichtbar.“