IMI-Standpunkt 2006/078 - Gastkommentar in: Junge Welt, 13.10.2006

Sudan-Debatte


von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 14. Oktober 2006

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Die Linke im Bundestag hat sich mehrheitlich entschieden, das sogenannte »vereinfachte Verfahren« zu nutzen und die »Nichtzustimmung« zur Mandatsverlängerung für die Bundeswehr in deren Sudan-Einsatz nur noch schriftlich zu Protokoll zu geben. Zentrales Argument: Die Fraktion sieht in den Debatten nicht gut aus. Bei diesem Vorgehen handelt es sich offensichtlich um einen Formelkompromiß, da es in der Linksfraktion einige Abgeordnete gibt, die nicht mehr gegen den ­UNMIS-Einsatz stimmen wollen.

Folgende Argumente müßten immer wieder gegen einen UNMIS-Bundeswehreinsatz angebracht werden: Die UN-Truppen haben offiziell die Aufgabe, den im Januar 2005 geschlossenen »Friedensvertrag« zwischen den Bürgerkriegsfraktionen, der sudanesischen Regierung im Norden und der im Süden operierenden Rebellenorganisation SPLM, zu überwachen. Die Zustimmung zu dem »Friedensvertrag« ist der sudanesischen Regierung aber seinerzeit unter massiven Kriegsdrohungen abgetrotzt worden. Vorgesehen ist, daß im Jahr 2011 im Süden ein Referendum über die Abspaltung vom Norden stattfinden soll. Da sich aber nahezu sämtliches Öl des Landes, dessen Verkauf den Großteil der Staatseinnahmen ausmacht, im Süden befindet, würde dies für den Norden einen schweren Schlag bedeuten.

Bislang wird eine Abspaltung (noch) dadurch verhindert, daß die einzige Exportroute des boomenden Ölsektors über nördliches Territorium verläuft. Genau hier kommen deutsche Wirtschaftsinteressen ins Spiel. Ein deutsches Firmenkonsortium – beteiligt ist u.a. Thyssen-Krupp – hat von der SPLM den Zuschlag für ein Infrastrukturprojekt erhalten. Geschätztes Gesamtvolumen: ca. acht Milliarden US-Dollar, für die der Südsudan über seine dann sprudelnden Einnahmen aus dem Ölsektor selbst aufkommen soll. Anders gesagt: Es wurde sichergestellt, daß die Ölerlöse des Landes direkt in die Taschen deutscher Konzerne wandern.

Sollte sich das Sezessionsszenario konkretisieren, dürfte die Regierung in Khartum mit einer Wiederaufnahme des Bürgerkriegs reagieren. Im Vorgriff auf diese Auseinandersetzung sollen die UNMIS-Truppen die notwendige »Stabilität« garantieren oder diese im Falle einer erneuten Eskalation wieder herstellen, um die Sezession des Südens – und damit die Realisierung deutscher Profitinteressen–zu gewährleisten.

Was sich im Sudan abspielt, hat also sehr wohl etwas mit der militärischen Flankierung der Durchsetzung ökonomischer Interessen zu tun. Um Derartiges zu verhindern, gab es bei der UNO einmal den ungeschriebenen Grundsatz, keine Truppen von Ländern zu entsenden, die ökonomische Interessen in der Region haben, insbesondere nicht von Groß- und Mittelmächten. Dies kann gar nicht oft genug wiederholt werden. Auch im Bundestag.

Der Autor gehört der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament an und ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß