IMI-Standpunkt 2006/031

Atomare Abrüstung überall – kein Krieg gegen Iran

OM- Rede in Landshut

von: Uwe Reinecke | Veröffentlicht am: 17. April 2006

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Redebeitrag für den Ostermarsch in Landshut am Ostermontag, 17.04.2006

„Eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr ist abzulehnen.“

Uwe Reinecke (in Landshut)

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Freundinnen und Freunde,

(Dabei Berufung auf den Schwur von Buchenwald und Artikel 139 GG).

In diesem Jahr stehen der angedrohte und wohl unmittelbar bevorstehende Krieg gegen den Iran und die Atomrüstung bundesweit im Mittelpunkt der Ostermärsche.

Die Forderung nach atomarer Abrüstung war von Beginn an immer eines der Hauptthemen der Ostermärsche.

Daher auch das „Peace-Zeichen“ als Wiedererkennungszeichen der Ostermarschbewegung seit 1958 in England bzw. seit 1960 in Deutschland, später international für die Friedensbewegung allgemein.

Es symbolisiert die Forderung nach weltweiter atomarer Abrüstung und entstammt dem Flaggenmorse- Alfabeth.

Weil es seit fast einem halben Jahrhundert das Zeichen der Ostermärsche ist, wollte ich es heute einmal zeigen: mit zwei kleinen Flaggen und bestimmten Handstellungen werden die Buchstaben N und D gezeigt – sie stehen für nuklear disarmament (= atomare Abrüstung).

Ich setze mit einem Zitat aus einem Bundestagsprotokoll fort:

Vor 48 Jahren debattierte der Bundestag vier Tage lang über den so formulierten Antrag der damaligen SPD (ebenso Anträge der FDP).

CDU und CSU (sowie DP) wollten im Gegensatz dazu gerade die ausdrückliche Befürwortung einer Atombewaffnung der Bundeswehr erreichen. Letztere stellten einen entsprechenden eigenen Antrag und setzten sich durch. Somit wurde nicht die deutsche Atombewaffnung, sondern der SPD-Antrag abgelehnt. Es kam also am 25. März 1958 zu dem denkwürdigen Beschluss des Bundestages, dass die Bundeswehr mit den „modernsten Waffen“ – wie es hieß – ausgerüstet werden solle. Mit den „modernsten Waffen“ waren die Atomwaffen gemeint, darüber ließ die Debatte keinen Zweifel zu. Dieser Atombeschluss war ein Bruch internationaler Verträge, die die Bundesrepublik Deutschland bis dahin ratifiziert hatte.

Mit dieser Erinnerung an den 25. März 1958 möchte ich, meine lieben FreundInnen, an die gegenwärtige Atomdiskussion um den Iran anknüpfen.

Ich bin zudem gebeten worden etwas zur Militarisierung der EU zu sagen. Hier sind exemplarisch die EU-Verfassung und die EU-Kampftruppen zu nennen. Die EU-Verfassung soll den EU-Vertrag von Nizza ersetzen. Nizza verbietet die Finanzierung von EU-Militäreinsätzen mit EU-Geldern. Genau deswegen soll es die EU-Verfassung geben. Diese EU-Verfassung verlangt nicht nur eine permanente Aufrüstung, sondern ermöglicht EU-Kampfeinsätze als Angriffskriege. Damit wird dann Artikel 26 GG ausgehebelt, der Angriffskriege unter Strafe stellt. Diese Kampftruppen und Kampfeinsätze sind dann auch mit EU-Geldern zu finanzieren, so sieht es die EU-Verfassung vor.

Die Entwicklung der EU zu einer Militärmacht ist hier sicherlich bekannt.

Ich werde mich also zunächst auf den Iran-Konflikt beziehen und danach etwas zur EU sagen, dabei allerdings mich im Wesentlichen auf die innere Verfasstheit Deutschlands beziehen. Denn Deutschland ist in der EU bei der Militarisierung ein Hauptakteur.

Zunächst also zum Iran:

Ich hatte eingangs den Bundestagsbeschluss zur Atombewaffnung der Bundeswehr erwähnt.

Anders als der Iran zurzeit, hat Deutschland also ausdrücklich erklärt, eigene Atombomben haben zu wollen. Und Deutschland ist auf dem Weg zur Atommacht.

Bekanntlich sind mindestens 150 US-Atomwaffen in Deutschland stationiert.

Wir stehen hier um es klar zu sagen: Diese Atomwaffen und alle anderen weltweit müssen verschrottet werden!

Diese Atomwaffen dürfen auch nicht durch andere „modernere“ Massenmordwaffen ersetzt werden!

Die Bundesrepublik Deutschland muss auf ABC-Waffen vollständig verzichten und die entsprechende Forschung sofort einstellten.

Ich sagte, Deutschland ist auf dem Weg zur Atommacht:

Ja, im münsterländischen Gronau reichert Deutschland industriemäßig Uran an. Deutschland macht also das, was es dem Iran verbieten will.

Im Forschungsreaktor Garching bei München wird mit waffenfähigem Uran gearbeitet. Deutschland macht also das, was es dem Iran verbieten will und ist auf dem Weg zur Atommacht wesentlich weiter voran geschritten als der Iran es in den nächsten zehn Jahren vermutlich erreichen kann.

Im Rahmen der NATO ist die Bundeswehr ferner in die „Nukleare Teilhabe“ voll integriert.

Darüber hinaus besitzt die Bundesrepublik Deutschland Tornado-Kriegsflugzeuge,

mit denen die Bundeswehr das Abwerfen von US-Atomwaffen trainiert.

Das alles hat sofort aufzuhören!

Wenn man über die Atombewaffnung der NATO bzw. einiger NATO-Staaten (GB, F und USA) und der deutschen Teilhabe daran nachdenkt, weiß man, dass eben nicht der Iran gegenwärtig eine atomare Gefahr für die Welt ist, sondern das sind ganz andere Staaten und Deutschland ist einer davon. Die Regierungen Frankreichs und der USA drohen offen damit, Atomwaffen auch im Iran einsetzen zu wollen, um eine weitere Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Das klingt nicht nur unlogisch, sondern ist ausgemachter Unsinn. Gefährlicher Unsinn zudem.

Hinzu kommt, dass der Iran nach Informationen der IAEA in Wien sich bisher an den Atomwaffensperrvertrag gehalten hat und auch gar nicht in der Lage ist, eigene Atomwaffen herzustellen. Ferner erklärt die Regierung des Iran immer wieder, dass der Iran gar keine eigenen Atomwaffen haben will. Ob das geflunkert ist, können wir nicht ehrlich beurteilen.

Zu berücksichtigen ist allerdings immer, dass es keine „rein zivile“ oder „friedliche“ Nutzung der Atomkraft geben kann. Insofern ist das Verhalten des Iran zu kritisieren, wie alle anderen Atomstaaten zu kritisieren sind.

Indiens Regierung jedenfalls hat nicht einmal den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, bekommt aber von den USA eine Unterstützung im eigenen Atomprogramm zugesichert.

Deswegen haben Russland und China jetzt Ähnliches miteinander vereinbart.

Diese Heuchelei muss aufhören! Deutschland muss der irrwitzigen Argumentation deutlich widersprechen, die unweigerlich zu einem Krieg gegen die iranische Bevölkerung führt. Die deutsche Regierung wird aber genau das nicht tun.

Ein Krieg gegen den Iran wäre die logische Fortsetzung des Krieges gegen den Irak. Deutschland war am Irak-Krieg beteiligt und wird sich am Iran-Krieg noch stärker beteiligen.

Jetzt komme ich zur konkreten Politik der EU. Ich werde mich an das Beispiel Bundesrepublik Deutschland als Hauptakteur in der EU halten:

Aktivitäten der Bundeswehr sollen immer international eingebunden werden, ob im Rahmen von UN, NATO oder EU ist der Regierung dabei egal.

Wie hatte Kriegsminister Peter Struck gesagt? „Mögliches Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt.“ Und vorher sagte er schon: „Die Sicherheit Deutschlands wird zukünftig auch am Hindukusch verteidigt.“ Damit wird der KSK-Einsatz beispielsweise in Afghanistan gerechtfertigt. Diese Truppe ist als Kommando Spezialkiller der Bundeswehr zu bezeichnen. Sie kämpft im Geheimen, nicht einmal der Bundestag weiß, was diese Soldaten tun und wo sie es tun.

Einer von Strucks Amtsvorgängern, der christliche Politiker Volker Rühe, erklärte zudem schon 1992, dass die Bundeswehr den „ungehinderten Zugang zu Rohstoffen und Märkten in aller Welt sichern“ solle.

Über ähnliche Erklärungen iranischer PolitikerInnen ist bis heute nicht berichtet worden. Das sollte uns zu denken geben.

Und das mit der „ganzen Welt“ haben die beiden Herren von SPD und CDU ernst gemeint.

Über 6.000 SoldatInnen der Bundeswehr stehen in rund zehn Staaten der Welt. Sie tun dies im Rahmen der UN, der NATO oder der EU. Hinzu kommen deutsche PolizistInnen und Angestellte so genannter „Sicherheits“-Firmen sowie deutsche Söldner. Die letzten drei Gruppen übrigens ohne Bundestagsbeschlüsse oder gar Kontrolle.

Wohl gemerkt, es ist nicht so, dass z.B. afghanische, mazedonische oder iranische Soldaten in Deutschland stationiert sind und hier – von der deutschen Regierung unkontrolliert – Straßenkontrollen und Hausdurchsuchungen sowie willkürliche Verhaftungen oder Verschleppungen durchführen. Nein, das alles macht umgekehrt die Deutsche Bundeswehr, irgendwo in der Welt. Und auch das hat sofort aufzuhören!

Mit dem „Krieg gegen Terror“, wie das genannt wird, hat der Westen dem Rest der

Welt einen permanenten Krieg um Rohstoffe, Märkte und Einfluss erklärt. Daher die permanente Bombardierung der eigenen Bevölkerung mit anti-islamischen Wortattacken und das ständige Gerede von Terror, bis hin zur Volksverhetzung geht das.

Dieser Krieg um Einfluss und Rohstoffe ist weder örtlich noch zeitlich begrenzt.

Außerdem ist der erfundene Gegner anders als zu Zeiten des Kalten Krieges nicht hinter einem Eisernen Vorhang zu lokalisieren, sondern quasi überall.

Das ist das Perfide an der Regierungsargumentation: „Terroristen“ sind überall und sind kaum sichtbar. Wenn man also dieser Argumentation von Regierung und Medienmehrheit über den angeblichen „internationalen Terrorismus“ glaubt, dann sieht man überall Gefahren und alle Menschen sind misstrauisch zu beobachten. Schlimmer noch: wer sich nicht verdächtig verhält, ist ein „besonders geschickter Terrorist“ und muss noch schärfer kontrolliert werden. Das ist gezielt erzeugte Angst als Mittel des Herrschens.

Die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, verdachtsunabhängige Passkontrollen im Bahnhof oder in der Fußgängerzone, die Passkontrollen vor einer Demonstration (so bei den Demos in Mittenwald jedes Jahr um Pfingsten. Dort feiern sich Altnazis gemeinsam mit den Bundeswehr-Gebirgsjägern. Protest dagegen ist dem Staat verdächtig) und weitere Repressionsmaßnahmen werden mit dem angeblichen Feind von außen erklärt, richten sich aber immer in erster Linie nach innen.

Das hat sofort aufzuhören!

Aufhören muss auch, die unmenschliche Behandlung von so genannten „AusländerInnen“.

An den Grenzzäunen, in Polizeigewahrsam und bei Abschiebungen sind unzählige

Menschen bereits getötet worden bzw. „unter nicht geklärten Umständen“ gestorben. Oury Jalloh ist ein besonders krasser Fall. Er verbrannte unter Aufsicht der Polizei, die ihm jede Hilfe verweigerte. Weil ihr Opfer zu laut schrie, wurde die Gegensprechanlage aus seiner Zelle leiser gestellt.

Jedes Jahr ertrinken oder erfrieren zwischen 500 und 1.000 Menschen an den EU-Außengrenzen. Allein an der deutsch-polnischen Grenze kamen in den ersten 12 Jahren nach Oktober 1990 mindestens 100 Menschen ums Leben. Die Berliner Mauer ist nicht verschwunden, sondern einfach von der DDR in EU-Besitz übergeben und um einige Kilometer nach Osten verlagert worden. Vor zwei Jahren wurde sie nochmals verschoben, weil die EU größer wurde. An Tödlichkeit hat das Grenzregime nicht nachgelassen. Hier sollte die UN einschreiten und Demokratie sowie Menschenrechte nach Deutschland bringen!

Überhaupt die Behandlung von „AusländerInnen“ in Deutschland: Wie kann ein Mensch, der in einem Land lebt, dort als „Ausländer“ bezeichnet werden? Das ist sprachlicher Unsinn und die Politik die dahinter steckt ist hochgradig unmenschlich und hat deutlich rassistische Züge. Mit Menschenwürde haben der „Asylkompromiss“ der 1990er Jahre und das rot-grüne Zuwanderungsgesetz nichts zu tun.

Die Abschiebungen von Menschen, die mehrere Jahre hier leben, sind nicht zu akzeptieren! Wir werden sie nicht hinnehmen oder unbeantwortet lassen.

Die „Residenzpflicht“ für Asylsuchende ist ein weiteres rassistisches Element deutscher Politik, die in der EU als Vorbild benutzt wird. Asylsuchende dürfen den ihnen zugewiesenen Landkreis nicht verlassen und müssen jederzeit identifizierbar sein.

Deutsche Behörden, sowie Polizei und Armee sind geübt in diesem bürokratischen Rassismus. Die deutsche Kolonialarmee führte die Residenzpflicht für Schwarze in den Kolonien ein.

Auch damals nannte man das nicht beim Namen. „Kolonie“ sagte man nicht, sondern „Schutzgebiete.“ Und heute spricht man von „Ausreisezentren“, wenn man Abschiebeknäste meint.

Dass die Bundesrepublik Deutschland Traditionen der Kaiserzeit und des Kolonialismus weiter führt, sagt sehr viel über die BRD. Zu dieser unheilvollen Tradition kommt dann noch der moderne Militarismus hinzu. Ich erwähnte bereits die zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Diese Kriege führende und rassistisch agierende Bundesrepublik Deutschland also, gehört mit Großbritannien und Frankreich zu den „EU 3“, die den „Irankonflikt“ lösen soll.

Das sagt auch sehr viel über die EU.

Damit schließe ich den Kreis und komme zum Schluss.

Wir antworten darauf: Kein Krieg gegen den Iran und keinerlei Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen Iran.

Das heißt: keine Überflugrechte für die Kriegsparteien.

Keine deutschen Besatzungen in AWACS-Kriegsflugzeugen.

Abzug aller BundeswehrsoldatInnen aus dem Ausland, wo immer sie sich gerade befinden.

Abzug aller BND-Beamten aus dem Ausland und die sofortige Auflösung des BND! Denn Kriege als Maximum an Menschenrechtsverletzungen und Terror machen auch Folter nötig, wie uns die Verstrickung von BND und BKA in Folterlager beweisen.

Sondern ganz im Gegenteil sind nötig:

atomare Abrüstung sowieso! Und Abrüstung allgemein sowie die Aufnahme von Deserteuren in Deutschland.

Wir wollen eine demokratische und zivile Antwort auf die gegenwärtige Kriegspolitik in Deutschland und der EU!

Vielen Dank.