Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2005/043 - in: in: Linksruck Nr. 203, 6. Juli 2005

Einsatz im Machtspiel

In der letzten Woche sind zwei Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan gestorben. Claudia Haydt erklärt, warum die Bundeswehr dort nichts zu suchen hat. - Das Kommando Spezialkräfte im Einsatz in Afghanistan - Spezialisten in Drogenbekämpfung und Demokratie?

Claudia Haydt (08.07.2005)

Was macht die deutsche Bundeswehr in Afghanistan?

Es gibt zwei deutsche Militäreinsätze in Afghanistan. Im Rahmen der ISAF sind dort seit über dreieinhalb Jahren 2.200 Soldaten stationiert, deren offizielle Aufgabe die Herstellung von Menschenrechten und Stabilität ist. Sie sollen auf 3.000 erhöht werden, doch die Lage in Afghanistan bleibt unverändert angespannt.
Außerdem sind neuerdings neben US-amerikanischen und britischen Spezialtruppen auch 100 Soldaten vom deutschen KSK (Kommando Spezialkräfte) im Einsatz. Über deren Aufgabe gibt die Bundesregierung keine Auskunft, aber sie sollen zusammen mit den Alliierten im „Kampf gegen den Terror“ faktisch den Widerstand brutal bekämpfen. Diese Einsätze waren bis heute genauso wenig erfolgreich wie die ISAF-„Friedenstruppe“.

Die Soldaten helfen also nicht beim Aufbau der Demokratie?

Nein. Es geht lediglich darum, eine legitim erscheinende Regierung aufzubauen, mit der die gewünschten Verträge über Pipelinebau, Truppenstationierung, Wirtschaftskooperation und ähnliches geschlossen werden können. Mit Menschenrechten und Demokratie hat das nichts zu tun, wie ein Blick in afghanische Gefängnisse zeigt.

Die Frage der Gefangenen ist für die Soldaten ein Dilemma. In den USA würde Gefangenen die Todesstrafe drohen. Sie sollen deswegen an afghanische Sicherheitskräfte übergeben werden. Aber die Todesstrafe gibt es auch dort. Das Foltern und Morden an afghanische Behörden zu delegieren ist viel „eleganter“ und sorgt für weniger schlechte Presse.

Und gleichzeitig schiebt Deutschland Flüchtlinge ab.
Natürlich ist das ein Widerspruch. Die Lage in Kabul etwa ist nicht nur gefährlich. Noch schlimmer für die Menschen ist die fehlende Infrastruktur wie Wasser- und Abwasserversorgung. Es gibt Cholerafälle, die sich im Sommer ausweiten können. Es gibt kaum Arbeit. Das alles betrifft auch die abgeschobenen Flüchtlinge.

Könnte es dazu kommen, dass die Bundeswehr gegen die Bevölkerung Gewalt anwendet?
Ja. Die ISAF-Soldaten dürfen Waffengewalt nicht nur zur Selbstverteidigung einsetzen, sondern auch zum Schutz der afghanischen Regierung. Die Entsendung des KSK ist ein wichtiger Baustein im Aufbau eines effektiven Besatzungsregimes. Der zukünftige deutsche Sektor wird sich wahrscheinlich über den gesamten Norden Afghanistans erstrecken. Die Aufteilung des Landes in Zonen ist laut Berliner Zeitung vom 23. Mai angeblich verbunden mit dem „Kampf gegen Drogen“. Eigentlich geht es um die Zerstörung der Drogenökonomie. Daraus finanziert sich der Widerstand in Afghanistan, aber auch Teile der normalen Bevölkerung. Deshalb kann von starkem Widerstand ausgegangen werden, der von den Menschen unterstützt wird. Das deutsche Außenministerium befürchtet, dass „die deutschen Soldaten dadurch vermehrt zum Ziel von Anschlägen werden können“ (Berliner Zeitung, 23.Mai). Eine Eskalation der Situation ist sehr wahrscheinlich.

Die SPD hat die letzten Bundestagswahlen gewonnen, weil sie sich gegen den Irak-Krieg stellte. Betreibt sie wirklich eine friedliche Außenpolitik?
Im Gegenteil. Die rot-grüne Regierung hat Krieg und Militäreinsätze wieder zum Bestandteil deutscher Außenpolitik gemacht. Sie hat die Bundeswehr zu einer „Einsatzarmee“ umstrukturiert, hat die nötigen Aufrüstungsprogramme durchgeführt und die zugehörigen Strategien entwickelt. Die Militarisierung der Europäischen Union wurde von Deutschland vorangetrieben.

Was sind denn die wahren Ziele des deutschen Einsatzes?
Gegenüber der US-Regierung ist es eine Ablasshandlung, um nicht an der Besatzung im Irak teilnehmen zu müssen. In Gesprächen mit Washington verweist die Berliner Regierung gern auf ihr großes Engagement in Afghanistan. Außerdem steigt mit der Zahl der Soldaten auch der Einfluss, denn wie Schröder sagt; „aus der Mitverantwortung folgt auch Mitsprache.“ Das Wichtigste ist, dass Deutschland als weltpolitischer Akteur etabliert werden soll. Die Militäreinsätze sind ein Faustpfand für internationalen Einfluss.
Afghanistan ist auch ein Übungsfeld. Unter realen Bedingungen, im rechtsfreien Raum und ohne lästige Presse können die Soldaten Kriegserfahrung sammeln. Die KSK-Soldaten können begrenzt selbst über direkte Kampfhandlungen entscheiden.
Es geht aber letztendlich um globale Machtansprüche. Bisher lief die Umsetzung dieser Projekte weitgehend reibungslos. Nötig ist deswegen lautstarke und entschiedene Opposition.

Claudia Haydt ist Mitglied des Vorstands der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

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