IMI-Standpunkt 2005/042

Rede zum Auftakt der Tour de Frieden 2005

02.07.2005, Marktplatz in Karlsruhe:

von: Arno Neuber | Veröffentlicht am: 5. Juli 2005

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Liebe Friedensfreunde!

Ich möchte euch ganz herzlich zum Auftakt der „Tour de Frieden“ begrüßen. Ich finde es großartig, dass sich hier Jung und Alt auf eine gemeinsame Fahrt gegen Aufrüstung und Krieg, für ein friedliches und soziales Europa machen.

„Wir müssen uns stellen“, schreibt Albert Einstein in seiner berühmten Rede „Für einen militanten Pazifismus“.

„Wir müssen uns stellen, für die Sache des Friedens die gleichen Opfer zu bringen, die wir widerstandslos für die Sache des Krieges gebracht haben. (…) Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern.“

Was für eine aktuelle Vision!

Wir müssen uns stellen. Offenbar gewöhnen sich allzuviele Menschen gerade wieder einmal an Kriege und Kriegsvorbereitung, als seinen sie etwas selbstverständliches.

Wer erinnert sich noch daran, dass die NATO nach dem 11. September 2001 den Verteidigungsfall ausgerufen hat und seither einen angeblichen Krieg gegen den Terror führt, der niemals enden kann. Wenn im Bundestag das Mandat für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan erneut ausgeweitet wird, dann ist das kaum noch eine Meldung in den Medien wert.

Die „50-jährige Erfolgsgeschichte der Bundeswehr fortschreiben“ und sie „als leistungsfähiges Mittel deutscher Außenpolitik erhalten“ gab Wehrminister Struck dieser Tage als Zielstellung für die Truppe aus.

5.000 Soldaten stehen zu diesem Zweck in Auslandseinsätzen der NATO. Unter EU-Flagge in Bosnien und bei den „battle groups“ der Europäischen Union sind es die Deutschen, die die größten Truppenkontingente stellen. „Dass unsere Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird, wird mittlerweile kaum noch bezweifelt“, ist sich Struck sicher. Die „Enttabuisierung des Militärischen“ in diesem Land heften sich Schröders Mannen als ihren Sieg über den Antimilitarismus und Pazifismus an die inzwischen ziemlich schlaffe Fahne.

Wenn Struck im September die Koffer packen muss und möglicherweise ein CDU-Mann das Kommando übernimmt, wird sich am Ausbau der Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe nichts ändern. „Die Grundzüge der Bundeswehrreform, die Struck gemacht hat, sind ja nicht falsch“, erklärt Wolfgang Schäuble im FAZ-Interview. Allerdings möchte die CDU die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren verstärken. Eine Grundgesetzänderung soll es ermöglichen, dass künftig der Ministerpräsident eines Landes auf die Bundeswehr für Einsätze im Inneren zurückgreifen kann, „wie etwa in Amerika der Gouverneur auf die Nationalgarde“. Das wird eine Truppe mit mehr Soldaten erfordern. Und auch die weitere Erhöhung des Rüstungshaushaltes steht neben einer allgemeinen Dienstpflicht im Vorhabenplan der CDU.

Die Aussicht auf einen Wechsel im Ministerium wird den rechten Schrumpfköpfen in der Bundeswehr weiteren Auftrieb geben, die sich bereits in den letzten Wochen im Zuge der 50-Jahre-Feiern nach vorne gedrängelt haben. Sie propagieren die „zeitlos gültigen soldatischen Tugenden“, verlangen „den Soldatentyp ‚Kämpfer‘ heranzubilden“ und wollen das „Traditionserbe der Wehrmacht“ wieder pflegen.

Den Boden dafür hat ihnen die Politik der Bundesregierung bereitet.

Mit dem Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee werden die reaktionärsten militaristischen Positionen in der Truppe ermuntert. Heeresinspekteur Gerd Gudera, den Struck für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan belobigte, nutzte seine Verabschiedung in den Ruhstand zu einem „politischen Paukenschlag“ („Die Welt“), in dem er erklärte, „nirgendwo außerhalb Deutschlands werden Soldaten in ähnlicher Art und Weise verunglimpft und in ihrer Ehre beschnitten“. Sein Nachfolger, Hans-Otto Budde, einst Kommandeur der Deutsch-Französischen Brigade, der Kerntruppe der EU-Interventionsarmee und der Division Spezielle Operationen der Bundeswehr fordert den „archaischen Kämpfer und den, der den High-Tech-Krieg führen kann“.

Die Zeit, in der Kriegseinsätze der Bundeswehr mit humanitären Floskeln begründet wurden, geht möglicherweise dem Ende entgegen. „Soldaten, die kämpfen sollen und dabei die Todesgefahr einkalkulieren müssen, sollten davon überzeugt sein, ihr Einsatz diene der Nation“, heißt es in einem aktuellen Jubiläumsband zur Geschichte der Bundeswehr.

Liebe Friedensfreunde!

In Karlsruhe hat im Juni eine Mehrheit des Gemeinderates den Oberbürgermeister aufgefordert, der internationalen Initiative für die Abschaffung aller Atomwaffen „mayors for peace“ beizutreten. OB Fenrich lehnt das ab. Mit dieser Haltung steht Karlsruhe völlig isoliert da. Inzwischen haben 1036 Städte in 112 Ländern diesen Appell aus Hiroshima und Nagasaki unterzeichnet. In Deutschland sind es 240, darunter auch Pforzheim, das Ziel unserer Friedenstour, Stuttgart, Heidelberg, Offenburg, Mannheim und Freiburg.

Am 6. August jährt sich zum 60. Mal der erste Atombombenabwurf auf Hiroshima. Es ist sehr wichtig, dass wir rund um diesen Jahrestag unsere Arbeit zur Abschaffung der Atomwaffen verstärken.

Weltweit gibt es immer noch rund 30.000 atomare Sprengköpfe, die unseren Planeten mehrfach vernichten können. In den USA und Russland sind 4.000 davon ständig in höchster Alarmbereitschaft. Auch in Frankreich und Großbritannien stehen Atomraketen zum sofortigen Abschuss bereit.

Ende Mai scheiterte in New York die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages an der Haltung der US-Regierung. In Washington fühlt man sich offensichtlich nicht mehr an die Abrüstungsverpflichtung des Vertrages gebunden. Stattdessen arbeiten die US-Forscher an neuen Atomwaffen, Mini-Nukes genannt, die gegen verbunkerte Ziele im sogenannten Antiterror-Krieg eingesetzt werden können.

Die Militärdoktrin der USA droht mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen auch gegen Länder, die solche Waffen nicht besitzen. Auch Frankreich ist bei seinen Atomwaffen zu keiner weiteren Abrüstung bereit. Im Gegenteil. Dort ist die Modernisierung der Atomstreitmacht in vollem Gange.

Der Rüstungskonzern EADS baut derzeit eine neue Atomrakete M51, die ab 2010 sechs atomare Sprengköpfe 6-8000 Kilometer weit tragen soll. Bis 2008 will Frankreich allein für seine Atomstreitmacht 17 Mrd Euro ausgeben. Und Frankreich will, ähnlich wie die USA, künftig Atomwaffen auch zur Sicherung seiner Interessen einsetzen.

Liebe Friedensfreunde!

Unser Einsatz ist gefordert, wir müssen uns stellen. Der Frieden braucht die vielen kleinen und großen Aktionen, Veranstaltungen, Demonstrationen und Friedenstouren. Und da gibt es auch die kleinen und großen Erfolge, die Mut machen.

Ein großartiger Erfolg war die Ablehnung der unsozialen und militaristischen EU-Verfassung beim Referendum in Frankreich und dann auch in den Niederlanden.

Und ein Erfolg war der Freispruch eines Bundeswehrmajors durch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in der vorletzten Woche. Er hatte sich geweigert, an der Entwicklung einer Computersoftware mitzuarbeiten, die im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Irak stand. Diesen Krieg hält er für völkerrechtswidrig und folgt daher lieber seinem Gewissen, als den Befehlen seiner Vorgesetzten.
Arno Neuber