Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2005/014 - in: Freitag, 11.02.2005

Im Tarnanzug der Friedfertigkeit

IM GESPRäCH Tobias Pflüger, Anti-Kriegs-Aktivist und Mitglied des Europäischen Parlaments, über das neue Image der Münchner Sicherheitskonferenz und die Planung von neuen Interventionen

Freitag / Dokumentation / Interview / Connie Uschtrin / Tobias Pflüger (13.02.2005)

Alljährlich trifft sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz die politische und militärische Elite. Neben öffentlichen Auftritten und vielbeachteten Reden besprechen vom 11. bis 13. Februar Militärs, Vertreter der Rüstungsindustrie und Diplomaten, ob und wie zukünftige Kriege stattfinden.

Freitag: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist in diesem Jahr nicht anwesend. Statt dessen kommen Hillary Clinton und UN-Generalsekretär Kofi Annan, dem eine Friedensplakette überreicht wird. Was hat das zu bedeuten?

Tobias Pflüger: Durch die Anwesenheit Kofi Annans wird die Militärkonferenz in Friedenswatte gehüllt. Gegen Donald Rumsfeld wurde ja in Deutschland Anzeige von US-amerikanischen und deutschen Juristengruppen im Zusammenhang mit Folterungen im Gefängnis Abu Ghraib erstattet. Offensichtlich lässt ihn das nicht kalt. Es ist ein großer Erfolg für die Antikriegs- und Friedensbewegung, dass der wesentlich für die Durchführung des Irakkriegs und politisch für die Folterungen in Abu Ghraib Verantwortliche nicht erscheint. Kofi Annans Teilnahme passt wunderbar in die neue Strategie von Horst Teltschik, dem Veranstalter der Sicherheitskonferenz. Diese Friedensplakette ist ein Hinweis darauf, dass wir als Gegner der Sicherheitskonferenz im Grunde mittlerweile die politische Agenda dort mitbestimmen. Es ändert aber nichts daran, wer sich dort trifft.

„Frieden durch Dialog“ ist das diesjährige Motto von Horst Teltschik. Werden trotzdem für einen Krieg gegen den Iran die Weichen gestellt?

Gut möglich. Die Kraftsprüche von Condoleezza Rice, bei denen unter anderem vom Iran als „Vorhof der Tyrannei“ die Rede war, liegen noch nicht lange zurück. Zwar hat sie jetzt bei ihrem Deutschland-Besuch etwas beschwichtigt, aber klar ist, dass von US-Seite ein Krieg nicht ausgeschlossen wird. Der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt, hat die Haltung der EU-Staaten auf den Punkt gebracht: Man habe die gleiche Linie in Bezug auf den Iran, nur andere Methoden. Auf der Konferenz dürfte man sich über das weitere Vorgehen verständigen. Offiziell wird ja wieder von Massenvernichtungswaffen gesprochen – die Begründungen für den Irakkrieg werden also neu aufgelegt. Die Vorstellung von einer Umsetzung von Interessen liegen zwischen EU und USA jetzt eher weiter auseinander. Insbesondere Deutschland hat ja sehr enge, gute Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran, bei einem Exportvolumen von 2,7 Milliarden Euro. Auf deutscher Seite gibt es daher kein Interesse an einem militärischen Vorgehen.

Welche Strategie wird hier von den EU-Staaten, insbesondere Deutschland, eingeschlagen?

Im Moment laufen Verhandlungen der wichtigsten EU-Staaten mit dem Iran. Da wird enormer diplomatischer Druck ausgeübt. Parallel gibt es die

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Kriegsdrohungen der US-Regierung. Ich sehe hier durchaus ein koordiniertes und arbeitsteiliges Vorgehen. Die Staaten der Europäischen Union sind inzwischen völlig involviert in die Besatzung im Irak und haben sie gutgeheißen, indem sie die Wahlen als völlig in Ordnung bezeichnet haben. Von Deutschland wird im Kontext der NATO die Ausbildung von irakischen Sicherheitskräften vorangetrieben. Bei der Ausarbeitung einer Verfassung und dem Aufbau einer Verwaltung soll nun geholfen werden. Die deutsche Regierung führt nach meiner Einschätzung die Doppelstrategie aus dem Irakkrieg fort: auf diplomatischer Ebene fährt sie einen weichen Kurs, aber insgesamt macht sie unterstützend mit. In Bezug auf den Iran wird sie genauso verfahren.

Horst Köhler, jetziger Bundespräsident und ehemals Chef des IWF, wird auf der Münchner Konferenz zum Thema „Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung“ sprechen. Wie kann man seine Anwesenheit und eine Rede zu diesem Thema verstehen?

Interessant ist in diesem Jahr, dass die Sicherheitskonferenz gleichzeitig mit einer „Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost“ stattfindet. Für mich zeigt sich hier eine entlarvend ehrliche Form des Zusammentreffens von Militär- und Finanzkonferenz. Horst Köhlers Redebeitrag passt sehr gut in diese Gesamtidee beider Veranstaltungen. Dabei hat er als Bundespräsident eine wesentlich höhere Akzeptanz als vorher in der Rolle des IWF-Chefs, vertritt aber selbstverständlich noch genau die gleichen Positionen. Ich habe von ihm noch nicht gehört, dass er für eine grundsätzliche Schuldenstreichung eintritt, zum Beispiel für die Staaten, die von der Tsunami-Katastrophe betroffen sind. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der zusammen mit dem Bundesverband der deutschen Banken (BdB) die Finanzkonferenz ausrichtet, formuliert ja immer offener, dass Militärpolitik im Grunde wirtschaftliche Interessenspolitik ist. Das Motto der Finanzkonferenz lautet: „Mehr Sicherheit durch Investitionen“. Die Proteste richten sich daher auch gegen beide Veranstaltungen.

Jedes Jahr kann man in München anlässlich der Sicherheitskonferenz massive Einschränkungen des Demonstrationsrechtes und Übergriffe der Polizei beobachten. Rechnen Sie wieder mit solchen Szenen?

Auch dieses Jahr wird wieder eine gigantische Polizeimacht das Treffen schützen. Bei mir hat die bayerische Polizei angerufen und sich für die versehentliche Festnahme letztes Jahr entschuldigt. Das hat wohl mit meinem jetzigen Mandat im Europa-Parlament zu tun. Dabei sollte sie sich mindestens noch bei allen anderen entschuldigen, die festgenommen worden sind. Rechtstaatlich haben all diese Festnahmen überhaupt keinen Halt und regelmäßig muss die Polizei im nachhinein juristische Niederlagen hinnehmen.

Das Gespräch führte Connie Uschtrin

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