Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht - in: woxx (Luxembourger Zeitung), 21.01.2005 - IMI-Standpunkt 2005/007

"Mich stört die Grundausrichtung des EU-Verfassungsvertrages"

Interview der linksalternativen Luxemburger Wochenzeitung WOXX mit Tobias Pflüger (MdEP), 21. Januar 2005

Ines Kurschat / Tobias Pflüger (21.01.2005)

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woxx: Sie sind Gegner der EU-Verfassung, wie sie in Rom von den EU-Regierungen verabschiedet wurde. Warum?

Tobias Pflüger: Mich stört die Grundausrichtung des EU-Verfassungsvertrages, er ist neoliberal und antisozial und vor allem, das ist für mich der zentrale Punkt, warum ich gegen den EU-Verfassungsvertrag in seiner jetzigen Fassung bin: Die wesentlichsten Veränderungen werden durch ihn im Bereich der EU-Militärpolitik vorgenommen, damit wird eine Militarisierung der Europäischen Union festgeschrieben.

Nennen Sie ein Beispiel.

In Artikel I, 41, Absatz 3 werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Das ist nichts anderes als eine Aufrüstungsverpflichtung. Zudem werden im Vertrag neben Kampfeinsätzen, wie sie bereits in den Petersbergaufgaben formuliert sind, auch so genannte „Entwaffnungsmissionen“ festgeschrieben. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer hat das mal Abrüstungskriege genannt und sich dabei eindeutig auf den Irak bezogen. Das heißt, die EU befindet sich auf einer Ebene mit den USA. Das halte ich für eine ganz gefährliche Entwicklung.

Auch viele Linke fordern eine europäische Verteidigungspolitik. Damit soll dem Unilateralismus und den imperialistischen Bestrebungen der USA etwas entgegengesetzt werden, so die Argumentation.

Das halte ich für falsch. Denjenigen, die nachher unter Krieg zu leiden haben, den Bevölkerungen, ist es völlig gleichgültig, ob sie nun von den USA, von der EU, der NATO oder von Einzelstaaten bombardiert werden. Wer solche militärischen Strukturen schafft, wird sie eines Tages auch einsetzen.

Der EU-Vertrag beruft sich bei möglichen militärischen Auslandseinsätzen auf die Charta der Vereinten Nationen. Ihnen reicht das nicht. Warum?

Der Text verweist auf die Grundsätze der Vereinten Nationen. Das ist ein Unterschied. Stünde im Vertrag, die EU verpflichtet sich auf die UN-Charta, hätten die Vereinten Nationen die Entscheidungsgewalt. In dem sich die EU aber ausdrücklich nur auf die Grundsätze bezieht, ist sie das Entscheidungsorgan. Das heißt nichts anderes: Man bezieht sich auf Grundsätze der UN-Charta, definiert aber selbst, wann diese zutreffen und wann nicht.

Die ersten europäischen Elite-Kampftruppen, die 'Battle Groups', gibt es bereits unter deutsch-französischer Federführung. Wie bewerten Sie die militärische Zusammenarbeit von Paris und Berlin?

Eines ist offensichtlich: Das Konzept des Kerneuropas unter deutsch-französischer, und zum Teil mit Großbritannien ist bereits institutionalisiert. Die zwei, drei Großen gehen vor, die anderen ziehen nach. Das lässt sich zum Einen an den entstehenden militärischen Strukturen ablesen, etwa bei den Battle Groups. War es im ersten Durchlauf noch eine deutsch-französische und britische Angelegenheit, wollten danach alle mitmachen, einschließlich Österreich und Luxemburg. Das Konzept eines Kerneuropas ist auch im Vertrag verankert. Der sieht eine „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ im Militärbereich ausdrücklich vor.

Könnte eine EU-Verteidigungspolitik nicht korrigierendes Gegengewicht gegenüber nationalen Militarisierungsbestrebungen sein? Die Hoffnung wird innerhalb der Linken geäußert.

Die Argumentation: Es wird im Militärbereich eine EU-Ebene geschaffen und dann werden die einzelstaatlichen Armeen aufgelöst, kenne ich. Sie ist Unsinn, illussionäre Realpolitik. Was tatsächlich passiert, ist, dass die EU-Militärpolitik hinzukommt. Es wird eine zusätzliche Ebene geschaffen. Frankreich und Großbritannien achten ganz genau darauf, dass bestimmte Bereiche ihrer Militärpolitik nicht unter EU-Führung gelangen: Atomwaffen zum Beispiel

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. In Frankreich wird übrigens viel offener als sonst in der EU gesagt, dass die EU-Militärpolitik auch eine Gegenmacht zu den USA darstellen soll.

Was spricht dagegen, etwas Gegenmacht aufzubauen? Diplomatische Bemühungen bewirken manchmal mehr, wenn dahinter eine gewisse Gewaltandrohung steht.

Als ich in Indien auf dem Weltsozialforum über die EU-Militärpolitik referierte, sagte ein indischer Teilnehmer: „Von den USA wusste ich das bereits, aber dass die EU ähnliches vorhat, ist mir völlig neu. Wir haben die EU immer als Partnerin gesehen, aber wenn sie das Gleiche aufbaut, dann ist sie als Partnerin nicht länger interessant.“ Was ich sagen will: Europa tritt in die Fußstapfen der USA. Das Auftreten der EU weltweit ist zunehmend militärischer. Die Akzeptanz schwindet. Hier wird mit der gleichen falschen Grundidee gearbeitet.

Wie lautet denn Ihre Alternative: die Nato, die Vereinten Nationen oder gar Fundamentalpazifismus?

Die Nato ist ebenfalls ein Kriegsführungsbündnis und scheidet daher als Alternative aus. Die UN wird vom Weltsicherheitsrat gelenkt, in dem die Atommächte sitzen. Ich würde sagen: Die UN ist die beste der schlechten zwischenstaatlichen Institutionen.

Der EU-Vertrag geht in seinen militärpolitischen Optionen aber nicht so weit wie die Vereinten Nationen in ihrer Charta.

Die EU läßt so genannte „Entwaffnungsmissionen“ zu. Ich bin für die Einhaltung des Völkerrechts und für einen Direktbezug auf die UN-Charta. Die UN-Charta ist nicht gut, aber sie ist eine Stufe auf der Leiter, wo ich eigentlich hin will. Ich tappe aber nicht in die Falle, in die viele meiner linken Kollegen laufen. Nur weil die UN einen Einsatz mandatiert, ist dieser nicht zwangsläufig gut.

Pazifist sind Sie also nicht.

Ich verstehe mich als Antimilitarist. Für mich ist eine EU, die sowohl wirtschaftlich brutal als auch militärisch brutal auftritt, nichts, auf das ich mich positiv beziehen kann. Im European Defence Paper und das die Vorlage für das EU-Weißbuch ist, vom Pariser EU-Institut für Internationale Sicherheitsstudien (das die Möglichkeiten und Mittel einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstrategie untersucht, d. Red.) wird offen über Präventivkriege diskutiert. Ich kenne keine Bevölkerung, die das will. Doch wenn ich sehe, was an Militärs und Strategen im Parlament derzeit aufläuft, ist die Entscheidung für eine EU-Militärmacht längst gefallen. Es gibt keine Zivilmacht Europa. Das ist Vergangenheit.

Warum sind Sie im Europaparlament, wenn die Marschrichtung ohnehin beschlossene Sache ist?

Weil ich an Informationen rankommen will und diese weitergeben will und weil ich Gegenproteste mitorganisieren (helfen) will. Es ist illusionär zu glauben, man könnte auf dieser Ebene in diesem Politikbereich wirklich Einfluss nehmen, dazu sind die Positionen zu festgezogen. Mir geht es darum, den kommenden Entwicklungen Steine in den Weg zu legen. Ich mache keine Staatspolitik; meine Alternative sind Opposition und Widerstand von unten.

Interview: Ines Kurschat

Zur Person:

Tobias Pflüger (39) ist seit Anfang der 80er Jahren in der deutschen Friedens- und Anti-Atom-Bewegung aktiv. Er begründete 1996 die „Informationsstelle Militarisierung“ und ist Redakteur der Internetpublikation „Imi-List“ (www.imi-online.de). Darüber hinaus war er Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“. Seit den Europawahlen im Juni 2003 sitzt der parteilose Friedensaktivist, der über die PDS den Weg nach Straßburg schaffte, für die Vereinigte Linke (GUE/NGL) im Europaparlament. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die EU-Außen- und Militärpolitik, Friedenspolitik, Antifaschismus, europäische Asylpolitik und Anti-Atompolitik.

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