IMI-Standpunkt 2004/013

Mit dem KSK und Seiner Hoheit im Manöver


von: Ulrich Sander | Veröffentlicht am: 4. März 2004

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Das Heft der „Gebirgstruppe“ (Nr. 1 Februar 2004) ziert vorn wieder das kantige Antlitz des Edelweißkämpfers. Und es ist wieder eine Fundgruppe an militärischer Heimatpflege, alpiner Sentimentalität – und dumpfbackiger Kriegsbereitschaft. Endlich werden die Eroberungspläne Hitlers, gerichtet auf Gibraltar und leider nicht verwirklicht, gewürdigt. Worauf wir lange warten mussten, wir erfahren es jetzt: Die Nazis wollten Franco in den Krieg hineinziehen, England per Besetzung Gibraltars erobern. Es wird uns die kriegsgeschichtliche Gewissheit von 1940 mitgeteilt, „daß der Krieg gewonnen sei und daß es nur noch darum geht, ihn zu beenden.“ (So General Alfred Jodl im Wehrmachtsführungsstab, lt. „Gebirgstruppe“, ob er nüchtern war, ist nicht überliefert.)

Sodann kommt General Reinhard Günzels Truppe zu Ehren, das Kommando Spezialkräfte, von dessen Kommandeurswechsel auch im Februarheft noch nicht Kenntnis genommen wird. Günzels Sorge, die KSK-Truppe könne nicht komplettiert werden, weil der Bewerbungsnachwuchs so schlapp ist, wird bestätigt, aber: „Lieber Lücke als Krücke!“ lautet der Leitspruch der Aufnahmeprüfer. Günzel: „Gefragt ist der stille Profi.“ Ach wäre er doch selber still geblieben, dann dürfte er noch seinen Krieg in Afghanistan führen.

Über einen fiktiven KSK-Bewerber erfahren wir: „Doch nicht allein der Elite-Status motiviert Marcel S. KSK – das garantiert modernste Bewaffnung und Ausrüstung, eine Ausbildung, die in alle Welt (!) führt, berufliche Förderung und schnellere Beförderung.“ Bei Günzel war’s die Beförderung in den Ruhestand. Weiter: „KSK – das bedeutet aber auch Einsatz überall, jederzeit, unter Lebensgefahr, schwierigsten Bedingungen, fern der Familie, die oft nur weiß, dass der Mann Soldat ist. Öffentliche Anerkennung bleibt verwehrt, jeder Einsatz ist geheim, noch Jahre später. Nichts dringt an die Öffentlichkeit, während Operationen laufen. Das wirft Fragen auf.“ Allerdings: Wo bleibt das Prinzip der Parlamentsarmee? Wer kontrolliert die Truppe?

Es stellen sich Fragen „etwa danach, ob deutsche Elite-Soldaten auch in an Afghanistan grenzende Länder Terroristen jagen.“ Das wüssten wir gern, und die Frage danach – gestellt in dem Bundeswehrreservistenblatt „Loyal“ und zitiert von „Gebirgstruppe“ – kann ja nur bedeuten: Sie sind schon weit über den Hindukusch hinaus, die KSK-Krieger. Da mag der Bundestag beschließen, was er will.

Weitere Frage: „Oder ob es KSK-Angehörige waren, die einen ehemals serbischen Freischärler-Führer und mutmaßlichen Massenmörder im Bosnienkrieg in Foca überraschten und ans Kriegsverbrechertribunal übergaben. Schweigen – natürlich – auch über Tote und Verwundete.“ Gibt es also doch mehr tote Deutsche in fernen asiatischen und nahen europäischen Gebirgen als bisher zugegeben wurde? Kriegsverbrecher könnte die KSK übrigens auch zu Hause festnehmen. Die VVN-BdA und der AK Angreifbare Traditionspflege haben vor einem Jahr die Namen von 200 noch lebenden mutmaßlichen Mördern aus der Gebirgstruppe, Tätern in Griechenland, vorgelegt – doch noch immer zögert die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen hinaus. Es soll wohl das biologische Ende des Problems abgewartet werden.

Die Gebirgsjäger von heute drängt es an die Front. Ihre Aggressionskriege nennen sie „Kampfeinsätze einschließlich friedenschaffender Missionen“, wie es in einer Resolution der Gebirgstruppenvereinigungen aus Frankreich, Spanien, Italien, Slowenien, USA und Deutschland heißt, der sich sogar die neutrale Schweiz anschließt. „Frieden schaffen“ – nach dem man ihn vorher gebrochen hat. Das war doch das Ziel jeder Aggression – nur selbst Josef Goebbels ist nicht auf die Idee gekommen, es so zu nennen. Der Chef aller Gebirgsjäger, Brigadekommandeur General Markus Bentler, will seine Truppe in jede sich anbietende Auseinandersetzung schicken und er biedert sich beim Minister an, der von Streichungen bei den Gebirgstrupplern absehen möge: „Die besonderen Stärken der Gebirgstruppe kommen in extrem lebensfeindlichen Regionen, im Hochgebirge, in der Arktis und in Wüsten besonders zum Tragen.“ Die Gebirgs-Brigade 23 – ein besonderer Großverband. Sie sei am besten zu Einsätzen unter allen Bedingungen geeignet. „Niemand sonst hat diese Fähigkeiten,“ schreibt Bentler im Tagesbefehl vom 5.12.2003.

Eine besonders eindrucksvolle Kostprobe bietet das „Gebirgstruppenheft“-Heft mit Berichten von Übungen, etwa mit 2000 Gebirgstrupplern auf den Truppenübungsplätzen von Münsingen und Baumholder, aber auch mit einigen wenigen Leuten in Termes im Süden von Usbekistan, im „Umschlagpunkt für die Soldaten in Afghanistan“, unter denen natürlich die Gebirgstruppler besonders stark vertreten sind.

In Münsingen bot sich dem Stabsfeldwebel der Reserve Herbert Scholl vom Heimatschutzbataillon (HSchBtl) eine besondere Gelegenheit, als Hofjournalist zu wirken, eine Gelegenheit, um die ihn die gelbe Presse sehr beneiden dürfte. Er berichtete vom Heimatschutzbataillon 861 der Gebirgstruppe, das eine Reserveübung durchführte, und zwar unter blaublütiger Aufsicht: „Für den Kommandeur HSchBtl 861, Seine Königliche Hoheit OTL d.R. Prinz Wolfgang von Bayern, war dies sein erster TrÜPl-Aufenthalt mit dem Bataillon. SKH OTL d.R. Prinz Wolfgang von Bayern sowie sein S3 StOffz und Stellvertreter, OTL d.R. Dr. Sattler, waren sehr zufrieden mit dem hohen Engagement und den erbrachten guten Leistungen.“

Für normale Sterbliche: TrÜPl heißt Truppenübungsplatz, S3 StOffz nennt man den Stabsoffizier und Stellvertreter und OTL heißt Oberstleutnant, und der ist eins unterm Oberst. Es sei denn er ist SKH, nämlich Seine Königliche Hoheit. Das ist in Bayern noch immer das Größte. Daneben steht ein Foto mit SKH unter den normalen Reservisten. Schlank und rank und kerzengrade steht Seine Königliche Hoheit da, den Blick in die Ferne gerichtet. Irgendwie wie König Ludwig.

Was steht noch im Blatt? Ach ja, es kam Post aus Lüdenscheid und aus Grafenstein in Österreich. Dr. von Plato vom Institut aus Lüdenscheid namens „Deutsches Gedächtnis“ erbittet Berichte der Zeitzeugen aus der „Erlebnisgeneration“ der Gebirgstruppe, und die hofft er in den Alpen zu finden. Ach, Dr. von Plato aus Lüdenscheid – wir kennen uns doch – , was glauben Sie, was man bei den Gebirgsjägern bekommen kann? Die haben das kürzeste Gedächtnis der Welt. Und wenn wir es wieder auffrischen mit Hinweisen auf die Vergangenheit, so wie Pfingsten 2003 geschehen, dann geraten sie ausser Rand und Band. Im Jahr zuvor verprügelten sie gar die jungen Historiker, die beim Kameradschaftsabend, Dokumentationen verteilten und riefen: Jetzt machen wir eine Gedenkminute für Eure Opfer. Da kann man froh sein, wieder heil vom Hohen Brendten herunter zu kommen. Passen sie bloß auf, Dr. von Plato.

Und dann kam da noch der Brief aus Österreich, den „Gebirgstruppe“ auch ganz abdruckt. Man sucht Kontakt zum Traditionsverband Deutsches Alpenkorps 1914-1918. Geplant ist eine Ausstellung über die 12. Isonzoschlacht, „bei der das DAK Hervorragendes leistete.“ Die Gebirgstruppler werden da gut helfen können. Haben sie sich doch erst im Dezember 2003 bei einer Tagung, so die „Gebirgstruppe“, erneut kundig gemacht über den ersten Kommandeur deutscher Gebirgstruppen, des Alpenkorps nämlich, den General Krafft von Dellmensingen. Nach ihm ist in Garmisch-Partenkirchen eine Kaserne benannt. Vielleicht sollte aber doch besser der Kaufbeurer Studienrat und Historiker Jakob Knab nach Österreich zur Ausstellung fahren; er weiß genug über den General und über die Tatsache, dass auch schon im Ersten Weltkrieg die Gebirgstruppe hochbefähigte Kriegsverbrecher in ihren Reihen hatte. Knab schrieb mir kürzlich über den Giftgaskrieger und Putschisten Dellmensingen:

„Am 24. Oktober 1917 begann die legendäre zwölfte Isonzo-Schlacht. Die neuen Kampfstoffe ‚Blaukreuz‘ und das hochgiftige ‚Grünkreuz‘ sollten die italienischen Stellungen lahmlegen. Nach drei Tagen eines mörderischen Kampfes durchbrachen die deutschen und österreichischen k.u.k.-Truppen die italienischen Stellungen bei Karfreit und stießen zum Fluß Tagliamento vor. Dieser Durchbruch ging als das ‚Wunder von Karfreit‘ in die Kriegsgeschichte ein. Der Giftgas-Krieger General Krafft von Dellmensingen war der Chef des Stabes in der zwölften Isonzo-Schlacht gewesen. Nach dem Ersten Weltkrieg war General Krafft von Dellmensingen die entscheidende Anlaufstelle für republikfeindliche Kräfte in Bayern. Ab Januar 1920 wurde ein geheimer Verschwörerkreis aufgebaut, um den Kapp-Putsch (März 1920) zu planen. Nach einem geglückten Putsch sollte Krafft von Dellmensingen als Diktator von Bayern ausgerufen werden. Im Frühjahr 1937 erhielt die neue Kaserne in Garmisch den Namen ‚General-von-Dellmensingen-Kaserne‘. Am 25. Juni 1945 ordnete die US-Militärregierung in Bayern an, daß alle Straßen, Plätze und Gebäude mit nationalsozialistisch belasteten Namen umzubenennen seien. In Garmisch wurden u.a. die Namen ‚Ritter-von-Epp-Kaserne‘ und ‚Krafft-von-Dellmensingen-Kaserne‘ getilgt. Indes: 1975 erhielt diese Liegenschaft erneut den Namen Krafft-von-Dellmensingen-Kaserne.“

Am Pfingstsonntag, Punkt 10.30 Uhr, wollen sich die Edelweißkriegers wieder auf dem Hohen Brendten treffen, vorher soll Geld für das Holzkreuz am Ehrenmal gesammelt werden, das gelitten hat. Da war doch was? Dann gibt es ein Dementi: „… konnte bei der Gedenkfeier auf Kephalonia kein Kranz des Kameradenkreises der Gebirgstruppe niedergelegt werden.“ Die Italiener und Griechen, die dort im September ihre Opfer der Gebirgstruppe ehrten, sie waren dann doch wohl nicht so naiv, den Kakao zu trinken, durch den man sie zieht. Sie wiesen die Leute aus Bayern mit ihrem Kranz ab. Schließlich sind noch die Berichte von vielen Treffen der Gebirgstruppenveteranen bemerkenswert, die mit Bundeswehrbussen hin und hergefahren werden, aber auch Ungemach erleben: „Das vorgesehene Weißwurstessen musste wegen Lieferschwierigkeiten abgesagt werden.“ Doch bei der Kranzniederlegung am Ehrenmal und beim Deutschlandlied – welche Strophe? – wie auch beim „Ich hat einen Kameraden“, wobei „bei vielen feuchte Augen“ hervorgerufen wurden, da sind sie wieder ganz bei sich selbst, auch wenn es mal Schwierigkeiten gibt, auch Lieferschwierigkeiten.

Die neueste Buchveröffentlichung des Autors ist:

Ulrich Sander/Macht im Hintergrund –
Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck
PapyRossa Verlag Neue Kleine Bibliothek 96
Etwa 180 Seiten Ca. EUR 12,50
ISBN 3-89438-287-2