Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht - in: Telepolis, 22.10.2003

Stille Solidarbeiträge

International gilt die Regierung Schröder wegen ihrer Opposition zur Besetzung des Irak als Kriegsgegnerin, in anderen Regionen ist man aber weit weniger zimperlich

Harald Neuber / Telepolis / Pressebericht / Dokumentation (23.10.2003)

Will er, oder will er nicht? Die Haltung von Gerhard Schröder zum Krieg gegen den Irak war in den vergangenen Wochen und Monaten Gegenstand anerkennender Stellungnahmen im In- und Ausland. Doch Vorsicht ist geboten. Denn auch wenn der sozialdemokratische Bundeskanzler in Anbetracht der Stimmung an der Parteibasis das Bild des Pazifisten fördert – eine grundlegende Opposition gegen Kriegseinsätze bedeutet das mitnichten ( Schnell in den Krieg). Schon ein rascher Blick auf die offizielle Homepage der Bundeswehr genügt, um sich über die derzeit zehn aktiven Einsätze der deutschen Truppe zu informieren. Den Angaben zufolge sind derzeit 7.440 deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen eingebunden, 1.780 allein im Rahmen der „International Security Assistance Force“.

Eine kleine Pressemeldung informierte am Samstag von der Rückkehr eines Teils der deutschen ISAF-Soldaten, die in dem relativ jungen Sonderkommando Spezialkräfte eingebunden waren.

Als der Bundestag am 16. November 2001 grünes Licht für das Afghanistan-Einsatz gegeben hatte, schickten die Parlamentarier auch einhundert KSK-Kämpfer an die Front am Hindukusch. In gewisser Weise stellte sich das Parlament damit selbst ein Bein, denn mit dem Mandat in der Tasche wurden fortan kaum mehr Informationen über den Einsatz bekannt. Wie scharf an der Grenze zur Illegalität der Einsatz des Sonderkommandos ist, zeigt ein Blick auf die gesetzlichen Bestimmungen. In der Verfassung nämlich sind der Mobilisierung zwei Bedingungen vorangestellt: Der Parlamentsentscheid und die Einbindung in ein „kollektives Sicherheitssystem“.

Was das Parlament betrifft, so wurde die Klausel in der Vergangenheit streng ausgelegt: Der personelle Umfang der Einsatzkräfte musste ebenso geklärt werden, wie Art und Dauer des Einsatzes. Nicht so beim „Kommando Spezialkräfte“.

Auch zwei Jahre nach Beginn des Einsatzes sei es „ungeheuer schwer“, Informationen über das Spezialkommando zu bekommen, sagt Tobias Pflüger von der „Informationsstelle Militarisierung“, die sich auf die Erforschung und Dokumentation der neuen deutschen Außenpolitik spezialisiert hat. Nur einmal war Pflüger ganz nah dran. „Bei mir im Büro klingelte das Telefon und es meldete sich ein Mann, der sich als KSK-Soldat ausgab“, berichtet Pflüger. Der Anrufer erklärte, in Afghanistan eingesetzt gewesen zu sein. „Ich stellte ihm einige Fangfragen über Aufbau und Umgebung der Kaserne der Spezialeinheit im baden-württembergischen Calw, die er problemlos beantworten konnte.“ Im Gespräch habe der vermeintliche KSK-Soldat von „Einsätzen in vorderster Front“ bei Kundus berichtet, die zusammen mit US-amerikanischen Einheiten durchgeführt worden seien.

Eine nicht unwichtige Information, denn in der Region haben Menschenrechtsorganisationen zahlreiche Gewalttaten ausländischer Soldaten dokumentiert. Waren also auch deutsche Soldaten darin verstrickt? „Schwer zu sagen“, meint Pflüger, „denn Informationen wie die des Soldaten werden meist weder bestätigt noch dementiert.“

Klar ist indes der militärpolitische Trend: Nahtlos knüpft die Militärpolitik der SPD-Grünen Bundesregierung an die des christdemokratischen Verteidigungsminister Volker Rühe an. Der hatte 1992 erstmals das Konzept von Krisenreaktionskräften ins Gespräch gebracht. Mit dem Abbau der Streitkräfte und dem parallelen Aufbau so genannter Einsatzkräfte sollte „der Anforderung der internationalen Völkergemeinschaft“ genüge getan werden, indem auch „militärische Solidarbeiträge“ geleistet würden. Bis zum Jahr 2006 sollte die Bundeswehr so befähigt werden, gleichzeitig zwei kleine Einsätze mit bis zu 10.000 und einen großen mit bis zu 50.000 „Einsatzkräften“ zu leisten.

Auf dem besten Weg ist auch das damals skizzierte Ziel der Errichtung einer „EU-Eingreiftruppe bis Ende des Jahres 2004“. Ohne Zweifel stehen Einrichtung und Einsatz militärischer Sondereinheiten ähnlich dem KSK in dieser Logik, deren Fürsprecher auch der Rühe-Nachfolger Rudolf Scharping war. Er forderte seinerzeit „zivil-militärische Krisenunterstützungsteams“, die unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten in und an deutschen Botschaften in aller Welt stationiert werden sollten. Zuletzt dann forderte der aktuelle Ressortchef Peter Struck eine Aufstockung des KSK.

Eine Studie des bundeswehreigenen Zentrums für Analysen und Studien in Waldbröl bei Bonn sprach sich bereits 1992 dafür aus, „die eigene Sicherheit nicht mehr nur defensiv, sondern notfalls auch mit offensiven Operationen zu gewährleisten“. In einer Zusammenfassung des Standpunktes schreibt Oberst Ralph Thiele, Kommandeur des Zentrums: „Neue Einsätze sind geprägt von Interventionen mit offensivem Charakter und einer verstärkten Internationalisierung.“ Beides bedeutet, dass die Option von Präventivschlägen in die militärische Planung der Bundesrepublik Deutschland einzubeziehen ist.

Links:

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15851/1.html
http://www.einsatz.bundeswehr.de/einsatz_aktuell/index.php
http://www.reuters.de/news_article.jhtml?type=topnews&StoryID=3640407
http://www.sondereinheiten.de/ksk/index.php
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/9967/1.html
http://www.bundeswehr.de/forces/021112_ksk_pressetag.php
https://www.imi-online.de/
http://www.bundestag.de/presse/bp/1999/bp9911/9911040c.html
http://www.bmvg.de/sicherheit/020722_waldbroel_zas.php
http://www.ifdt.de/0203/Artikel/thiele.html

Original: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15900/1.html

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