IMI-Standpunkt 2003/075

Dieses Gelöbnis ist nicht nur ein militärisches Spektakel, es ist schlicht und einfach eine große Geldverschwendung!

Rede von Tobias Pflüger Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. (www.imi-online.de) auf der Demonstration gegen das Gelöbnis in Siegen, 25.07.2003

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 4. August 2003

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Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!

Als ich eingeladen wurde heute hier bei der Demonstration gegen das Gelöbnis in Siegen zu sprechen, habe ich mich informiert, warum eigentlich dieses Gelöbnis nicht nur mit einer ortsnahen Bundeswehreinheit, sondern auch noch mit dem Berliner Wachbattallion durchgeführt wird. Normalerweise ist das nämlich so, dass Gelöbnisse stattfinden wegen eines bestimmten Anlasses, z.B. wenn eine Bundeswehreinheit 25 Jahre alt wird oder so. Doch dieses Gelöbnis hier in Siegen findet aus keinem solchen Anlaß statt. Dieses Gelöbnis findet einzig und allein statt, weil ein ehemaliger verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, Herr Paul Breuer, nun Landrat in Siegen geworden ist und zu seiner Amtseinführung seine damaligen Freunde einladen wollte. Gegen eine private Feier habe ich nichts, da soll der Herr Breuer feiern wann und mit wem er will, nur das Gelöbnis hier in Siegen ist eine staatlich finanzierte – nicht ganz billige Veranstaltung. Ich sage ganz klar: Dieses Gelöbnis ist nicht nur ein militärisches Spektakel es ist schlicht und einfach eine große Geldverschwendung! Aber – das habe ich der hiesigen Presse entnommen – das scheint nicht das einzige Mal zu sein, dass Paul Breuer sehr großzügig im Ausgeben staatlicher Gelder ist…

Ich kenne ja als jemand der sich seit Jahren mit Militärpolitik beschäftigt, Herrn Breuer und seine politischen Verlautbarungen ganz gut. Sagen wir es so: Er hat sich über die Jahre in Bonn und Berlin nicht als jemand hervorgetan, der auf Ausgleich aus ist. Nein, Paul Breuer war in Bonn und Berlin jemand, der grundsätzlich nicht sehr zimperlich mit anderen umgesprungen ist, jemand der Konflikte bewußt gesucht hat, ja jemand, der mal als „Wadenbeißer“ bezeichnet wurde. Es hat mich jedenfalls sehr gewundert, dass ausgerechnet er nun Landrat in Siegen geworden ist. Landrat ist ein Job, bei dem man/frau Interessen ausgleichen muß, bei dem man/frau versuchen sollte, alle mit einzubinden. Ich beneide Sie nicht um diesen Landrat!

Aber genug zur Person Paul Breuer. Mehr zum nachher geplanten Gelöbnis.

Zuerst einmal was ist ein Gelöbnis? Zitieren wir dazu die Bundeswehr selbst:

In den „Zentralen Dienstvorschriften (ZDv) 10/8 und 10/9.(2)“ der Bundeswehr wird definiert, welchen Sinn öffentliche militärische Zeremonielle haben. Dort heißt es u.a.: Punkt „503. Innerhalb der Streitkräfte sind militärische Formen auch Mittel der Erziehung und Ausbildung. […] Dabei werden bewußt auch die Gefühle der Soldaten angesprochen.Militärische Formen binden den Soldaten in die hierarchische Ordnung der Streitkräfte ein.“ Punkt „504. In der Öffentlichkeit fördern militärische Formen das Ansehen der Bundeswehr und tragen im Rahmen der Selbstdarstellung zur Integration der Streitkräfte in unserer Gesellschaft bei.“ (3)

Ich finde, da ist offen und direkt angesprochen, was der Sinn eines Gelöbnisses ist:

Erstens geht es um eine Unterordnung und Einordnung des einzelnen Soldaten in das Gesamtssystem Bundeswehr, es könnte nicht schöner gesagt werden: „Militärische Formen binden den Soldaten in die hierarchische Ordnung der Streitkräfte ein.“ Mein Verständnis von Demokratie setzt eigenständig denkende und handelnde Individuuen voraus, was hier gefordert wird und mit dem Gelöbnis öffentlich bekundet wird, ist genau das Gegenteil: Die Soldaten sollen sich einem hierarchischen System unterordnen. Sie sollen funktionieren, sie sollen bereit seit, auf Befehl zu agieren und militärisch aktiv zu werden, was eben auch bedeutet, auf Befehl zu töten. Genau das ist auch ein Grund, warum wir heute gegen das Gelöbnis demonstrieren, dass hier junge Menschen de facto geloben, auf Befehl auch zu töten…

Zweitens heißt es: „In der Öffentlichkeit fördern militärische Formen das Ansehen der Bundeswehr und tragen im Rahmen der Selbstdarstellung zur Integration der Streitkräfte in unserer Gesellschaft bei.“ Die Gelöbnisse haben also die Funktion, Werbung für die Bundeswehr zu machen. Wir sind eher skeptisch, ob das Sinn macht, Werbung für eine Einrichtung zu machen, in der eine Ausbildung durchgeführt wird, die eben auch zum Töten vorbereitet.

Was wird gelobt: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ § 9 (2) SG

Leider heißt es dort nicht, „ich gelobe, mich dem Grundgesetz gegenüber treu zu verhalten“ oder dieses Land bei einem Angriff zu verteidigen, nein, es wird nur gelobt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, das kann viel heißen…

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es gibt derzeit sehr viele Gründe gegen ein Gelöbnis der Bundeswehr zu demonstrieren: Zwei will ich davon herausgreifen:

1. Die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien
2. Forcierung der Militärmacht Europäische Union durch Deutschland

1. Am 21. Mai 2003 hat Militärminister Peter Struck die neuen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ vorgelegt. In diesen für die Bundeswehr verbindlichen Verteidigungspolitischen Richtlinien wird u.a.festgelegt, dass die Bundeswehr in Zukunft weltweit und im Innern eingesetzt werden soll.

Zitat: „Künftige Einsätze lassen sich wegen des umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und ihrer Erfordernisse weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen.“ D.h. Kampfeinsätze auf der ganzen Welt sind möglich. Wir wollen keine weltweit agierende Bundeswehr und wir wollen keine Interventions-Bundeswehr!

In den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ wird die Bundeswehr explizit als Instrument zur Durchsetzung deutscher Interessen benannt: „Um seine Interessen und seinen internatonalen Einfluß zu wahren und eine aktive Rolle in der Friedenssicherung zu spielen, stellt Deutschland in angemessenen Umfang Streitkräfte bereit, die schnell und wirksam zusammen mit Streitkräften anderer Nationen eingesetzt werden können.“ Ein weiterer Grund, die Teile der Bundeswehr die als Interventionsarmee geeignet sind sofort aufzulösen!

Das Schlimmste ist, dass der Verteidigungsbegriff in den Verteidigungspolitisxchen Richtlinien umdefiniert wird: Gleich unter Punkt 1 heißt es in den VPR: „Die Neugewichtung der Aufgaben der Bundeswehr und die daraus resultierenden konzeptionellen und strukturellen Konsequenzen entsprechen dem weiten Verständnis von Verteidigung, das sich in den letzten Jahren herausgebildet hat.“ Und: „Nach Artikel 87a des Grundgesetzes stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf. Verteidigung heute umfasst allerdings mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff.“

Peter Struck hat das auf die Formel gebracht: „Deutsche Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt“.

Der Satz von Peter Struck sollte nicht strukturbestimmend für die Bundeswehr werden, sondern dieser Satz ist nichts anderes als der Unsatz des Jahres!

Weiter heißt es in den VPR: „Künftige Einsätze lassen sich wegen des umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und ihrer Erfordernisse weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen.“ und:“Die Notwendigkeit für eine Teilnahme der Bundeswehr an multinationalen Operationen kann sich weltweit und mit geringem zeitlichen Vorlauf ergeben und das gesamte Einsatzspektrum bis hin zu Operationen mit hoher Intensität umfassen.“ Damit wird als Einsatzradius der Bundeswehr die gesamte Welt definiert. Nein wir wollen nicht, dass sie Bundeswehr weltweit eingesetzt wird.

„Ausschließlich für die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angreifer dienende Fähigkeiten werden angesichts des neuen internationalen Umfelds nicht mehr benötigt.“ „Die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Einsatzarten sind fließend“ „Eine rasche Eskalation von Konflikten, wodurch ein friedenserhaltender Einsatz in eine Operation mit höherer Intensität übergeht, ist nie auszuschließen.“

Damit wird offiziell Abschied genommen vom Grundgesetz, in dem es in Artikel 87 a Absatz 1 heißt: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“ und in Absatz 2: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“

Diese Veränderung der Bundeswehr zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee lehnen wir ab und wir sagen ganz klar: Mit diesen Einsätzen – auch Kampfeinsätzen – wird das Grundgesetz gebrochen, das lehnen wir entschieden ab!

2. Direkt nach der Bombenphase des Irakkrieges machten sich die angeblichen Krieggegnerstaaten Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxembourg daran, die militärische Komponente der Europäschen Union weiter auszubauen. Ihr Ziel ist die Herausbildung einer Weltmacht EU, einer Weltmacht EU, die mal mit und mal gegen die Weltmacht USA agieren soll.

Beim sogenannten „Pralinengipfel“ dieser vier Staaten wurde der Startschuß für eine weitere Forcierung der Miliarisierung der EU gegeben.

Von den 100.000 Soldaten, die für die neue EU-Interventionstruppe mit 60.000 Mann von den einzelnen EU-Staaten zur Verfügung gestellt werden, sind 32.000 aus Deutschland. Das „European Headline Goal“, also der Befehlsstab soll nach Potsdam-Geltow ins Einsatzführungskommando und der Chef der EU-Interventionstruppe ist ein deutscher General, Rainer Schuwirth.

Zitat: „Deutsche Sicherheitspolitik gewinnt im vereinten Europa zusätzliche Handlungsoptionen“. Die militärnahe Zeitung „Die Welt“ schreibt am 17. Juli 2003: „Unlängst sagte Minister Fischer vor der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“, das Land brauche keine Außenpolitik, denn es habe ja Europa.“

Hier findet also eine eine Militarisierung der EU unter deutscher Vorherrschaft statt.

Wir wollen auch keine neue Weltmacht Europäische Union! Und schon gar keine Weltmacht Europäische Union hinter der eigentlich wesentlich Deutschland steckt!

Direkt nach der Bombenphase des Irakkrieges legte Gerhard Schröder das Sozialabbau-Programm „Agenda 2010“ vor. Schröder im Zitat: „Das was wir mit der Agenda 2010 vorhaben, ist natürlich unserer inneren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung geschuldet. Es ist aber zugleich unsere Verantwortzung für ein starkes Europa und damit für seine Rolle in der Welt.“

Deshalb werden 8,4 Milliarden Euro z.B für das europäische Projekt eines Transport-Airbus A 400 M ausgegeben…

Offener kann man den Zusammenhang zwischen Aufrüstung und Sozialabbau ncht benennen. Wir wenden uns entschieden gegen das Sozialabbauprogramm der Bundesregierung!

In der EU hat nun der zuständige Javier Solana ein Strategiepapier für die Militärpolitik der EU eingebracht. Darin heißt es: „Als eine Union mit 25 Mitgliedern, die insgesamt 160 Milliarden Euro für die Verteidigung aufwendet, sollten wir nötigenfalls in der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig aufrechtzuerhalten. Wir müssen eine strategische Kultur entwickeln, die ein frühzeitiges, rasches und wenn nötig robustes Eingreifen begünstigt.“

Um was es geht, wird offen formuliert: „Eine aktive und handlungsfähige Europäiche Union könnte Einfluß im Weltmaßstab ausüben.“

Und eine Kampfansage ganz im Sinne der deutschen und französischen Regierung an die britische und US-Regierung: „Damit würde sie zu einem wirksamen multilateralen System beitragen, das zu einer gerechteren und sicheren Welt führen würde.“

In Frankreich wird die Herausbildung einer Gegenmilitärmacht EU offener ausgesprochen, Chirac sieht hier eines der Hauptfelder französischer Außenpolitik. Die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie hat sich i.Ü. den italienischen Vorschlag zu eigen gemacht, mit dem geplant ist, Militär- und Rüstungsausgaben aus den Schuldenkriterien der EU auszunehmen. Wieder mal typisch: An Militär- und Rüstungsausgaben wird gedacht, richtig wäre stattdessen die Ausgaben für Soziales und Bildung auszunehmen!

Im EU-Papier wird auch das Grundverständnis der westlichen Regierungen in einer Form artikuliert, wie sonst noch nirgends, sie fühlen sich als die, die Gutes tun für alle anderen: Zitat: „Gemeinsam handelnd können die Europäische Uniion und die Vereinigten Staaten eine eindrucksvolle Kraft sein, die sich für das Gute in der Welt einsetzt.“

Gegen dieses „Gute“ der Regierenden haben wir etwas, denn dieses „Gute“ bedeutet Krieg, Tod und Ausbeutung von vielen Menschen im Süden. Gegen dieses sogenannte „Gute“ werden wir entschieden politisch kämpfen.

Wir wollen weder eine Weltmacht USA, noch eine Weltmacht Europäische Union und schon gar keine wieder aufkommende Weltmacht Deutschland!

Wir stehen hier auch, weil wir für alternative Ansätze in der internationalen Politik streiten. Wir demonstrieren heute gegen das Militärspektakel Gelöbnis hier in Siegen, das ganz offensichtlich nur wegen Herrn Breuer stattfindet. Dieses Gelöbnis ist nicht nur ein militärisches Spektakel es ist schlicht und einfach eine große Geldverschwendung! Ich wünsche Euch eine kraftvolle Demonstration! Vielen Dank!

Weitere Informationen: https://www.imi-online.de

Kontakt: 0174-7650483