Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2003/051 - in: Jungle World 07.05.2003

In der Balance

Militärmacht EU

Tobias Pflüger (11.05.2003)

Mit der Einberufung des kleinen Militärgipfels in Brüssel wird immer deutlicher, was das angebliche »Nein« der Bundesregierung zum Irakkrieg bedeutet. Die Bundesregierung folgt einer Doppelstrategie. Einerseits hat sie die Führung des Irakkriegs erleichtert, u.a. durch die völkerrechts- und grundgesetzwidrige Gewährung von Überflugrechten und die Erlaubnis zur Nutzung der britischen und US-amerikanischen Infrastruktur in Deutschland. Andererseits wurde in einer Koalition mit Frankreich sowie Russland und China der Irakkrieg diplomatisch hintertrieben.

Das Ziel der Doppelstrategie war erstens die politische und wirtschaftliche Teilnahme Deutschlands am Wiederaufbau des Irak und zweitens die Herausbildung einer Gegenmilitärmacht namens Europäische Union. Bundeskanzler Gerhard Schröder nennt so etwas »Balance«.

Der »Vierergipfel« hatte zwei zentrale Anliegen. Es sollen militärische Strukturen geschaffen werden, die unabhängig von der Nato und den USA Militärinterventionen und -einsätze der EU ermöglichen. Wichtiger jedoch: In Zukunft können diese Militäreinsätze von Koalitionen der EU-Staaten durchgeführt werden. Dies hatten Außenminister Joseph Fischer und sein französischer Kollege Dominique de Villepin schon vor dem Irakkrieg dem EU-Konvent vorgeschlagen, früher hieß das »Kerneuropakonzept«.

Damit einher geht der weitere weltpolitische Aufstieg Deutschlands. Die Herausbildung einer europäischen Gegenmacht erfordert nach Ansicht Schröders weiteren Sozialabbau, bei der Agenda 2010 gehe es auch um Deutschlands Rolle in der EU und um »unsere Verantwortung für ein starkes Europa und damit für seine Rolle in der Welt«. Deshalb müsse dann, so Schröder, auch mehr Geld für die Bundeswehr her. Der Zusammenhang von Aufrüstung und Sozialabbau wurde damit offiziell bestätigt.

Die SPD und die Grünen preisen die EU als neue »Friedensmacht« an. Das ist nichts anderes als Eurochauvinismus. In linksliberalen Kreisen wird diesem »guten Europa« im Unterschied zu den »bösen USA« viel Sympathie entgegengebracht. Doch alle westlichen Staaten schaffen sich gleichermaßen militärische Strukturen, mit denen sie in wechselnden Koalitionen gegen »böse« Staaten im Süden intervenieren können. Darunter müssen die Menschen im Süden leiden, wie jetzt im Irak.

Einige Linke meinen nun, es sei sinnvoll, sich an die Seite eines der westlichen Staaten zu stellen, seien es die USA, sei es Israel oder eben die EU. Damit wird, ob gewollt oder nicht, der Grundansatz der globalen Kriegspolitik aller westlichen Staaten unterstützt. Die strategische Idee hinter dem permanenten Krieg des Westens ist das so genannte Präventivkriegskonzept, festgeschrieben in der nationalen Sicherheitsdoktrin der USA, »erfolgreich« getestet im Irak und im Entwurf der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien für die Bundeswehr ebenfalls enthalten.

Dieser Politik der Repression und des militärischen Angriffs kann nur mit Druck von unten begegnet werden. Notwendig ist ein internationales Bündnis von Antikriegs- und Friedensbewegung, globalisierungskritischer Bewegung, Sozialbewegungen, linken Gewerkschaftern, linken kirchlichen Gruppen und Umweltbewegung gegen permanenten Krieg, Sozialabbau, Aufrüstung und die derzeitige Form der Globalisierung.

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