in: Neues Deutschland, 22.04.2003

Ostermarschierer vor Bundeswehr-Think-Tank

Friedensaktivisten versammelten sich in Waldbröl

von: Ulrich Sander | Veröffentlicht am: 2. Mai 2003

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Waldbröl – hier entstand das Lied »Kein schöner Land«. So steht es auf dem Ortseingangsschild. Der Ort inmitten der grünschwarzen Berge des Oberbergischen Landes, 60 km östlich von Köln, war ein Zentrum von Dr. Robert Leys KDF-Bewegung »Kraft durch Freude«. Vor Jahren protestierten Friedensfreunde gegen die hier stationierten »Patriot«-Raketen. Heute ist in Waldbröl der Sitz des Zentrums der Bundeswehr ZAS.

ZAS steht für »Analysen und Studien«, das Verteidigungsministerium nennt das Zentrum »Think Tank der Bundeswehr«. Gerhard Jenders, ein 51-jähriger Lehrer aus dem nahen Gummersbach, hat gemeinsam mit der oberbergischen Friedensinitiative zu einer Osteraktion aufgerufen. Denn hier, so sagt er, werde die »neue« Ausrichtung der Bundeswehr auf präventive militärische Aktionen- also Angriffskriege im Stil des Irak-Krieges – vorgedacht. Jetzt liegt eine Studie der ZAS unter dem Titel »Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert« vor. Nur wenige der über 1000 Seiten sind der Öffentlichkeit bekannt. Jenders warnt vor dem Denken im Verborgenen. Vor der kleinen Schar der Friedensleute sagt er: »Leider geben sich die Strategen der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums nicht damit zufrieden, einfach kein Feindbild mehr zu haben. Sie planen eine ›Modernisierung‹ der Bundeswehr, die so modern ist, dass sie an die Politik von Kaiser Wilhelm II anknüpft, der Deutschland einen ›Platz an der Sonne‹ als Weltmacht verschaffen wollte.« Um eine solche „Modernisierung“ durchzusetzen, soll auch die Friedensbewegung, die so sehr angewachsen ist, wieder zurückgestutzt werden: »Offensive Medienoperationen zur Legitimation des eigenen Gewalteinsatzes«, heißt so etwas in der ZAS-Studie.
(ND 22.04.03)