Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht / in: Neues Deutschland 11.02.2003

»Streik, Sabotage, Widerstand«

Zehntausende demonstrierten für Frieden und gegen die Sicherheitskonferenz

Nikolaus Brauns / Neues Deutschland / Pressebericht / Dokumentation (12.02.2003)

Schneeregen und Kälte konnte Zehntausende Kriegsgegner nicht davon abhalten, am Wochenende in München gegen den drohenden Irak-Krieg und die Sicherheitskonferenz auf die Straße zu gehen. Es waren die größten Friedensdemonstrationen in der bayerischen Landeshauptstadt seit den 80er Jahren.

Bereits am Freitagabend hatten rund 5000 Menschen gegen den Sektempfang Oberbürgermeister Christian Udes für die »Weltkriegselite« demonstriert. Dabei nahm die Polizei Tobias Pflüger von der »Informationsstelle Militarisierung« fest. Er hatte unter großem Applaus Soldaten der Bundeswehr aufgerufen, zu desertieren, wenn sie gezwungen würden, an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg teilzunehmen.

Über 10000 Münchner folgten am Sonnabend einem Aufruf des DGB, der SPD und der Kirchen zu einer Kundgebung auf dem Odeonsplatz. »München sagt heute ja zum Frieden – nein zum Krieg«, begrüßte der katholische Weihbischof Engelbert Siebler die Friedensdemonstranten. OB Ude verwahrte sich gegen den Vorwurf, die Kriegsgegner seien weltfremd: »Kein einziger Mensch, der heute für den Frieden demonstriert, war so naiv wie diejenigen, die heute Krieg führen wollen. Keiner dieser Demonstranten hat Irak jahrelang Waffen geliefert, um sich jetzt darüber zu wundern, dass Saddam diese Waffen besitzt.«

Wenn OB Ude und die DGB-Führung gehofft hatten, mit ihrer kurzfristig anberaumten Kundgebung, die sich explizit nicht gegen die NATO und die Sicherheitskonferenz wandte, dem von rund 80 Organisationen gebildeten Demonstrationsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz das Wasser abzugraben, ging diese Taktik nicht auf. Vor allem Mitglieder der Gewerkschaft Ver.di und der Jungsozialisten zogen mit Dutzenden Fahnen von der DGB-Kundgebung zum Marienplatz, wo sich bereits über 20000 Menschen aus dem In- und Ausland versammelt hatten. Fahnen der Grünen, von PDS und DKP waren ebenso zahlreich zu sehen wie Transparente trotzkistischer sowie die Friedenstauben pazifistischer Gruppen. Von »Ami go home« bis zu »Streik, Sabotage, Widerstand gegen imperialistischen Krieg« reichten die Parolen.

»Wenn Sie Gewalttäter suchen, gehen Sie in das Hotel Bayerischer Hof und verhaften Sie die dort versammelten Kriegsverbrecher«, rief Demonstrationsanmelder Claus Schreer den massiv um den Platz versammelten Polizeibeamten zu. Stundenlang zog der Demonstrationszug ohne größere Zwischenfälle durch die Münchner Innenstadt. Die mit rund 3500 Beamten aus mehreren Bundesländern präsente Polizei hielt sich während der Demonstration im Hintergrund. Lediglich in der Nähe des Bayerischen Hof waren Wasserwerfer aufgefahren und Grenzschützer mit Maschinenpistolen postiert.

Obwohl von Seiten der Demonstranten keinerlei Gewalt- oder Straftaten erfolgten, wurden im Laufe des Wochenendes rund 40 Kriegsgegner festgesetzt. Abgesehen hatte es die Polizei besonders auf Demonstranten aus Berlin, Göttingen und Frankfurt (Main). Ankommende Busse wurden von der bayerischen Spezialeinheit USK umstellt, alle Insassen gefilmt und einzelne gezwungen, sich im Schnee zu entkleiden. Am Freitag kurz vor Mitternacht stürmten Polizeihundertschaften das im Bürgerzentrum »Tröpferlbad« eingerichtete Convergence Center der Demoveranstalter. 264, vor allem junge Leute waren hier versammelt, um sich aufzuwärmen, Schlafplätze vermitteln zu lassen oder billig zu essen. Dort würden »Straftaten verabredet«, begründete die Polizei ihren Einsatz, der durch keinen richterlichen Beschluss gedeckt war. Bis lange nach Mitternacht wurden die Kriegsgegner überprüft. Eine junge Frau brach bewusstlos zusammen, als sie abgeführt wurde. Als ihr ein Sanitäter zu Hilfe kommen wollte, wurde auch er festgenommen. 22 Personen wurden bei der Razzia in Vorbeugehaft genommen. Da ihr einziges »Vergehen« darin bestand, nach München gereist zu sein, mussten sie am Samstagnachmittag nach der richterlichen Vorführung freigelassen werden.

Original: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=30633&IDC=25

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