Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht / in: Schorndorfer Zeitung vom 03.02.2003

„Die USA verfolgen vornehmlich strategische Ziele“

...sagte Jürgen Wagner in seinem Vortrag zu einem möglichen Irak-Krieg und den Zielen der Vereinigten Staaten von Amerika

Mathias Schwardt / Schorndorfer Zeitung / Dokumentation / Pressebericht (11.02.2003)

Schorndorf.

Für die SUA ist ein Militärschlag gegen den Irak nur ein Vorspiel für Konfrontationen mit Saudi-Arabien und der OPEC. Diese These stand im Mittelpunkt eines Vortrages von Jürgen Wagner, Vorstandsmitglied bei der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. Letztlich wolle Amerika seine Großmachtstellung wahren. Und dazu müsse es den Ölmarkt kontrollieren.

Mit so einem Ansturm an Zuhörern in der Manufaktur haben die Veranstalter – attac (Globalisierungsgegner), Forum Politik in der Manufaktur, Friedenstreff Schorndorf und DGB-Ortskartell – scheint’s nicht gerechnet: Ständig müssen neue aus dem Nachbarraum neue Stühle in den Saal gebracht werden. Als der Vortrag dann losgeht, ist’s zunächst nicht das Gelbe vom Ei. Denn Jürgen Wagner redet leise und ohne Mikro und dazu im Sitzen, so dass ihn zahlreiche Besucher weder richtig verstehen noch sehen können. Nachdem sich eine Zuhörerin beschwert hat, bleibt Wagner zwar auf dem Stuhl kleben, lässt aber zumindest seine Stimme lauter erschallen.

Und die lässt keinen Zweifel daran, dass ein neuerlicher Irak-Krieg rundweg abzulehnen sei und die offiziell angeführten Gründe der US-Regierung für einen Militärschlag nur vorgeschoben seien. Wagner redet schnell und eindringlich, überschwemmt die Zuhörer mit Gegenargumenten, Beispielen aus der Geschichte, und dennoch: Sein Vortrag ist gut strukturiert.

Die US-Regierung beruft sich auf die Bush-Doktrin. Demnach werden im Kampf gegen den Terror Staaten als Feinde angesehen, die Terroristen ausbilden oder beherbergen. Oder, wie im Fall des Irak argumentiert wird, Länder, die Massenvernichtungswaffen haben oder herstellen. Sie müssen ein potenzielles Interesse haben die USA anzugreifen. Eigentlich, führt Wagner an, würden Kriege nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn eine „eindeutige Aggression“ eines Staates vorliegt. Bush meine jetzt aber, es sei schon ein Kriegsgrund, wenn ein bloßer Verdacht gegen ein Land bestehe. Ein Schlag gegen den Irak wäre ein Angriffskrieg. Das Interessante daran, erläutert der Referent: „Die Bush-Doktrin wurde schon lange vor dem 11. September entwickelt, aber erst danach präsentiert.“

Wagner versucht, alle Argumente der USA für einen Krieg gegen den Irak zu entkräften. Es gebe keinerlei Beweise, das der Staat Beziehungen zur El Kaida hat. Außerdem „sagt selbst der amerikanische Geheimdienst CIA, es könne nicht belegt werden, dass der Irak über Massenvernichtungsmittel verfügt.“ 1988 hat der Irak tatsächlich biologische und chemische Kampfstoffe gegen Kurden und den Iran eingesetzt. „Das geschah aber mit Billigung der USA.“ Saddam Hussein werde, auch wenn er sie hätte, keine Massenvernichtungswaffen an Terroristen liefern, denn damit hätten die USA einen Kriegsgrund.

Überhaupt sei das Verhältnis zwischen USA und Irak durch eine „Hassliebe“ gekennzeichnet. Mal sei das arabische Land ein Freund, dann wieder, wie jetzt, ein Feind. „Das Paradoxe: Die USA behaupten, sie würden den Irak wegen Massenvernichtungswaffen angreifen, aber die CIA sagt, nur so ein Angriff würde den Einsatz von Massenvernichtungsmitteln des arabischen Staates gegen die USA nach sich ziehen.“

Also, schlussfolgert Wagner, Amerika hat strategische Interessen, um seine Führungsposition zu wahren. Dazu müssen ressourcenreiche Gebiete kontrolliert werden. Das hätten schon 1992 Hardliner wie der jetzige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld formuliert. Das Öl, argumentiert der Referent, hat da eine herausragende Rolle: Steigen die Ölpreise, führt das zu Rezessionen, auch das Militär ist ohne Öl aufgeschmissen. Durch in einigen Jahren zu erwartende Versorgungsengpässe steigt der Wert des schwarzen Goldes. „Das heißt, die Auseinandersetzungen werden zunehmen, im Persischen Golf lagern 85% der bekannten Öl-Vorkommen. Im Irak liegt mehr, als bisher angenommen.“ Das heißt: Wird das Land – und damit die Ölquellen – erobert, fallen die Preise für den Rohstoff.
Bisher sei Saudi-Arabien immer ein guter Partner der USA gewesen, der auch dann den Rohstoff nach Amerika lieferte, wenn die OPEC eigentlich die Ölmenge auf dem Weltmarkt begrenzt hatte. „Doch jetzt gewinnt die OPEC wieder an Einfluss, gleichzeitig gewinnt die antiamerikanische Einstellung in Saudi-Arabien die Oberhand.“ Öl wurde bisher ausschließlich in Dollar abgerechnet, ein Grund für die Stabilität der Währung. Doch immer mehr Erdöl exportierende Länder rechneten inzwischen in Euro ab, auch in Saudi-Arabien gingen die Überlegungen in diese Richtung. „Dann könnte der Euro den Dollar als Leitwährung ablösen – eine große Gefahr für die USA.“ Deshalb werde Saudi-Arabien nun von amerikanischen Politikern als „Kern des Bösen“ bezeichnet. Die Folgen dieser hegemonialen Außenpolitik könnten, meint Wagner, für die USA verheerend sein: „Die Terrorgefahr wird steigen.“

Die Rolle Deutschlands

Wird es zum Verstoß gegen das Grundgesetz kommen?

Die deutsche Regierung sei nicht unbedingt interessiert an einem Krieg, vor allem wegen der Wirtschaftsbeziehungen zum Iran, sagt Jürgen Wagner. Ganz raushalten würden sie sich jedoch nicht, „weil es schließlich auch um die Aufteilung der Beute geht.“ Außerdem „unterstützt die deutsche Regierung den Krieg massiv, zum Beispiel, indem sie den USA Überflugsrechte gewährt. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Das ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz.“

Was kann der Einzelne gegen einen Krieg am Persischen Golf und die deutsche Beteiligung tun, fragt ein ratloser Zuhörer. Man muss den Konflikt auf der Straße austragen, antwortet Wagner, alle Beteiligten zu einem Nein im UNO-Sicherheitsrat bringen. „Darüber könnten sich die Vereinigten Staaten schwer hinwegsetzen.“ Ansonsten müsse verstärkt darauf hingewirkt werden, alternative Energiequellen zu erschließen.

Die ideale Gelegenheit für Adolf Riekenberg, Vorsitzender der Schorndorfer attac-Gruppe, in die Diskussion einzugreifen: Attac „wird verstärkt Veranstaltungen zum Thema anbieten.“ Außerdem sind Teilnahmen an Demonstrationengeplant. Am Samstag, 8. Februar, tagt die Sicherheitskonferenz in München, „da organisieren wir von hier aus Busse, die uns zur Demo bringen. Ein Woche später hält das Sozialforum in Florenz eine Sitzung ab, auch da sind Veranstaltungen auf der Straße, etwa in Berlin, geplant.“

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