Presseschau: Erstes Europäisches Sozialforum in Florenz – Teil 1

Berichte aus Zeitungen und anderen etablierte Medien

von: Pressespiegel Florenz / Dokumentation | Veröffentlicht am: 2. Dezember 2002

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Hier finden sich ähnliche Artikel

Quelle: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/space/presseschau.htm
Eine Vorversion findet sich allerdings unter: http://www.attac-netzwerk.de/saarbruecken/achse/
Ob dies Originalquelle ist, ist unklar.

Teil 1: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=302
Teil 2: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=303
Teil 3: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=304
________________________

Hier verzichten wir auf Links, da sie sich oft ändern oder die Texte plötzlich verschwinden. Statt dessen liefern wir den Inhalt direkt, den wir mittels der Nachrichten-Suchmaschinen von Paperboy.de, Paperazzi.de, Google.com, Altavista.de und Yahoo.de und durch gezieltes Stochern im deutschsprachigen Web gefunden haben. Natürlich ist die Liste unvollständig. Berichte aus dem Vorfeld des ESF (Berlusconis Panikmache, brav abgeschrieben von FR, Spiegel und anderen) wurden hier weggelassen. Leider konnten wir noch keine Zeitungsberichte über die 1000 bis 2000 an den Grenzen Zurückgewiesenen hier einstellen. Auch fehlen Angaben über die vielen, die am Samstag demonstrieren wollten, aber nicht nach Florenz eingelassenen wurden. Die Reihenfolge ist grob chronologisch:

* 05.11. dpa: Europäisches Sozialforum: Globalisierungs-Kritiker treffen sich in Florenz
* 06.11. AFP: Hunderte demonstrieren vor US-Basis in Italien gegen Irak-Krieg
* 06.11. Amnesty International / AP: Amnesty fordert Italien zur Einhaltung der Menschenrechte auf
* 08.11. Netzeitung: Sozialforum gegen Militarisierung der EU
* 08.11. Deutsche Welle: Europäisches Sozialforum in Florenz
* 08.11. The Guardian, GB: Florence besieged by army of freethinkers
* 09.11. AP: „Ein Jahrmarkt, keine Revolution“
* 09.11. Frankfurter Rundschau: Globalisierungskritiker fordern Auflösung der Nato
* 09.11. Neue Züricher Zeitung, Schweiz: Das «Volk von Seattle» zu Gast in Florenz
* 09.11. news, Schweiz: 500 000 Menschen demonstrieren in Florenz gegen einen Irak-Krieg
* 09.11. RP-Online: Massendemo gegen Irak-Krieg
* 09.11. Spiegel: Anti-Bush-Aufmarsch
* 09.11. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Über 500.000 demonstrieren gegen drohenden Irak-Krieg
* 09.11. Berliner Zeitung: Friedlich und etwas chaotisch – das Sozialforum in Florenz
* 09.11. ZDF_heute: Massendemonstration gegen Irak-Krieg
* 09.11. Saarländischer Rundfunk: Über eine halbe Million Teilnehmer bei Demo gegen Irak-Krieg
* 10.11. AP-SchweizHunderttausende gegen Krieg und Konzerne
* 10.11. dpa: Großdemonstration in Florenz gegen drohenden Irak-Krieg
* 10.11. Sonntagszeitung, Schweiz: Friedliche Demo in Florenz
* 10.11. Der Standard, Österreich: ESF-Teilnehmer: »Riesenerfolg«
* 10.11. Der Standard, Österreich: attac: »Blamage für Berlusconi«
* 10.11. Der Standard, Österreich: Generalstreik gegen Krieg
* 10.11. Der Standard, Österreich: Globalisierungsgegner fordern Entschuldigung von Berlusconi
* 10.11. Der Standard, Österreich: Gipfel ohne Gewalt
* 10.11. The Independent, GB: Florence engulfed by world’s biggest protest against Iraq war
* 10.11. Kölner Stadtanzeiger: Der globalisierte Widerstand verlief friedlich
* 10.11. Netzeitung: Hunderttausende protestieren gegen Irak-Krieg
* 10.11. news, Schweiz: Globalisierungsgegner fordern Entschuldigung von Berlusconi
* 10.11. New York Times, USA: Florence Wary as Opponents of War Stage a Huge March
* 10.11. dpa: Anti-Global-Gipfel in Florenz: Bunt, verwirrend und undogmatisch
* 10.11. dpa: Globalisierungs-Kritiker: «Wir sind nicht gegen den Weltmarkt»
* 10.11. Tagesschau: Interview mit Sven Giegold »Globalisierung – Bedrohung oder Königsweg?«
* 11.11. Märkische Allgemeine / epd: Friedliche Demonstration in Florenz
* 11.11. Frankfurter Rundschau: Europa, mal anders
* 11.11. St. Galler Tagblatt, Schweiz: Friedlicher Protest in Florenz
* 11.11. Stuttgarter Zeitung: Die Barbaren rühren die Leonardos nicht an
* 11.11. Süddeutsche: Florentiner Friede
* 11.11. Tagesspiegel: »Florenz war Basisdemokratie«
* 11.11. taz – Reportage: Friedliche Invasion statt Untergang
* 11.11. taz – Kommentar: Super- statt Gegengipfel
* 11.11. taz – Seite 1: Bush macht mobil
* 11.11. junge Welt: Megaprotest gegen Irak-Krieg
* 11.11. Neue Züricher Zeitung, Schweiz: Der Antikriegs-Aufmarsch in Florenz ohne Zwischenfälle
* 11.11. AGI (Agenzia Italia): Pisanu’s „No comment“
* 11.11. The Guardian,GB – Comment: Florence builds a bridge to a brave new social paradise
* 12.11. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Die Botschaft der Hunderttausende
* 12.11. junge Welt: Interview mit Luca Casarini von den Disobbedienti
* 12.11. Ha’aretz, Israel: European anti-war rally streams through Florence

Durch Nichtberichten aufgefallen sind Deutschlandradio und Deutschlandfunk (soweit sich das anhand der Website feststellen lässt). Viele Blätter wie der Spiegel und die FAZ speisen sich nur aus dürftigen Agenturmeldungen. Aus der englischsprachigen Presse haben wir nur beispielhaft eine amerikanische, zwei britische und eine israelische Zeitung aufgeführt; außerdem eine Agenturmeldung aus Italien. Mit news.google.com findet man aber auch Artikel aus Australien, Brunei, China, Indien, Irland, Kuba, dem Libanon, Neuseeland, Singapur und Südafrika. Ganz zu schweigen von Artikeln in weiteren Sprachen.

Leider ist die Presseschau damit nicht beendet. Eine Woche nach dem Sozialforum setzte eine Repressionswelle in Italien ein. Stellvertretend für die Empörung, die die 20 Verhaftungen auch in Deurschland auslösten, steht der offene Brief Günter Melles, den attac-Saar dem Italienischen Konsulat in Saarbrücken am 19.11.2002 überbracht hat.

Presseberichte zu den 20 Verhaftungen und den Protesten dagegen:

* 15.11. AFP: Italienische Polizei nimmt rund 20 Globalisierungskritiker fest
* 15.11. Der Standard: Verhaftungswelle unter führenden Globalisierungskritikern in Italien
* 16.11. news.ch: Italiens Opposition vermutet hinter Festnahmen Komplott
* 16.11. junge Welt: Berlusconi buchtet ein
* 18.11. Berliner Zeitung: Proteste gegen Verhaftungswelle in Italien
* 18.11. taz: Schwache Beweislage, bizarre Methoden, heftige Proteste

2002-11-05-dpa

Quelle: http://www.vistaverde.de/news/Politik/0211/05_sozialforum.htm

VistaVerde / dpa
05.11.2002

Europäisches Sozialforum:

Globalisierungs-Kritiker treffen sich in Florenz

Weit mehr als 10.000 Globalisierungs-Kritiker aus ganz Europa werden
an diesem Mittwoch zu einer fünftägigen Konferenz in Florenz erwartet.

Florenz (dpa) – Das «Erste Europäische Sozialforum» will gemeinsame
Strategien zur Bekämpfung einer ungehemmten wirtschaftlichen
Globalisierung erörtern, steht aber auch deutlich im Zeichen eines
drohenden Krieges gegen den Irak. Die italienischen Behörden fürchten
Ausschreitungen und haben bereits zahlreichen Teilnehmern die Einreise
verweigert. Aus Furcht vor Anschlägen wurde der Luftraum über Florenz
gesperrt.

Das Treffen, an dem auch mehr als 1000 Deutsche teilnehmen wollen,
versteht sich als Folgekonferenz des «Weltsozialforums» Anfang des
Jahres in Porto Alegre in Brasilien. Hautthemen sind «Krieg und
Frieden», «Globalisierung und Neoliberalismus» sowie «Bürgerrechte und
Demokratie». Zu einer Demonstration am Samstag werden bis zu 200.000
Teilnehmer erwartet.

Um gewaltbereite Extremisten fern zu halten, haben die italienischen
Behörden das Schengen-Abkommen bis zum Konferenzende am Sonntag
aufgehoben. Seit dem vergangenen Wochenende führt Italien an den
Grenzen zu Österreich, der Schweiz und Frankreich wieder
Grenzkontrollen durch. Die Veranstalter werteten dies als «bewussten
Versuch, die Konferenz zu kriminalisieren».

Der italienischen Regierung geht es vor allem darum, blutige
Zusammenstöße wie am Rande des G-8-Gipfels im Juli 2001 in Genua zu
verhindern: Damals erschoss ein Polizist einen jungen Italiener, mehr
als 200 junge Leute wurden bei den Ausschreitungen verletzt.

In Florenz sind über 6000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Sie sollen
auch die Museen und die Denkmäler der Toskana-Metropole
schützen. Zeitweise hatte die Regierung erwogen, die Konferenz zu
verbieten. Jetzt hieß es, die Museen in Florenz sollten geöffnet
bleiben.

In Hunderten von Workshops und Seminaren sollen Probleme wie die
zunehmende Verarmung in der Dritten Welt, die Zerstörung der Umwelt
sowie «die Diktatur der ungehemmten Finanz- und Warenströme»
untersucht werden. Das Moto der Veranstaltung heißt: «Für eine bessere
Welt, für ein anderes Europa». Auch zahlreiche Gewerkschafter und
Vertreter von Linksparteien wollen nach Florenz kommen.

2002-11-06-afp

Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021106/286/3200l.html

Mittwoch 6. November 2002, 19:07 Uhr
Hunderte demonstrieren vor US-Basis in Italien gegen Irak-Krieg

(AFP) Vor Beginn eines Treffens von Globalisierungskritikern in Florenz
haben vor einer US-Militärbasis in der Toskana tausende Menschen gegen

einen Irak-Krieg demonstriert. Die Demonstranten reisten am
Mittwochnachmittag in Sonderzügen und -bussen nach Pisa, um an der
Kundgebung vor dem US-Stützpunkt Camp Darby teilzunehmen. Nach
Schätzungen der Polizei nahmen „mehrere tausend“ Menschen an der
Demonstration teil, die Organisatoren sprachen von bis zu 4000
Teilnehmern. Einer der Organisatoren sagte, die USA wollten sich bei
dem möglichen Angriff auf Irak mit militärischer Macht die Rohstoffe
der Region unter ihre Kontrolle bringen.

Copyright © 2002 AFP

2002-11-06-ap_amnesty

Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021106/12/32005.html

Mittwoch 6. November 2002, 19:03 Uhr
Amnesty fordert Italien zur Einhaltung der Menschenrechte auf

Bern (AP) Zur Eröffnung des Europäischen Sozialforums am Mittwoch in
Florenz hat Amnesty International die italienischen Behörden zur
Einhaltung der Menschenrechte aufgefordert. Diese seien von den
italienischen Sicherheitskräften in letzter Zeit wiederholt verletzt
worden, wenn es um die öffentliche Ordnung bei internationalen Treffen
und Massendemonstrationen gegangen sei, erklärte Amnesty.

Menschen seien willkürlich und teilweise mit übermäßiger Polizeigewalt
verhaftet und daran gehindert worden, ihre Meinung frei zu äußern. Auch
die Rechte während der Haft seien missachtet worden.

Schweizer Globalisierungsgegner erklärten, eine vierköpfige Reisegruppe
sei an der Grenze zu Italien zur Umkehr gezwungen worden. Als die drei
Männer und die Frau dagegen protestiert hätten, seien sie von den
italienischen Grenzwächtern «brutal» verhaftet worden, so dass ein
Aktivist aus dem Mund geblutet habe.

Copyright © 2002 AP.

2002-11-08-netzeitung

URL dieses Artikels: http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214579

Sozialforum gegen Militarisierung der EU
08. Nov 2002 15:35

Auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz debattieren mehr als 20.000
Globalisierungskritiker, darunter auch Gewerkschaftsvertreter. Friedensgruppen
wenden sich «Präventivkriege».

Die Teilnehmer des Europäischen Sozialforums in Florenz haben der Europäischen
Union eine zunehmende Militarisierung vorgeworfen. Zu der Konferenz haben sich
mehr als 20.000 Globalisierungskritiker in der italienischen Stadt versammelt.

Das erweiterte Europa sei in Begriff, sich von einem «Wirtschafts- zu einem
Militärbündnis» zu wandeln, sagte Tobias Pflüger von der Tübinger
Informationsstelle Militarisierung. «Bei der geplanten EU-Truppe geht es nicht
um Verteidigung, sondern um Angriff.» Gemeinsam mit Vertretern internationaler
Friedensgruppen sprach er sich gegen «Präventivkriege» und den «
niedrig-schwelligen Einsatz von Atomwaffen» aus.

Die Amerikanerin Susan George verurteilte den Versuch von Präsident George W.
Bush, das «US-Kriegsmodell nach Europa zu exportieren». Auch in den USA gebe es
eine breite Friedensbewegung, sagte Coline Kelly von einer Gruppe Angehöriger
der Opfer des 11. September. Doch wie das Beispiel der großen
Friedensdemonstration in Washington zeige, werde sie von den Medien weitgehend
ignoriert.

An dem Sozialforum nehmen neben den Gruppen der Anti-Globalisierungsbewegung
auch Vertreter von traditionellen politischen Kräften teil, darunter viele
Gewerkschafter. «Wenn die Gewerkschaften sich nicht auf die neuen Bewegungen
einstellen, ist das ihr Ende», sagte Stephan Krull von der IG-Metall in
Wolfsburg. Von den Arbeitnehmervertretern wurde auf einer der Debatten
gefordert, sie sollten wieder «kämpferischer» auftreten.

«Reformistische Linke ist tot»

Ebenfalls auf der Konferenz war der Vorsitzende der italienischen Partei der
kommunistischen Wiedergründung, Fausto Bertinotti. Er erklärte die «
reformistische Linke» für tot. Sie habe sich überflüssig gemacht, indem sie
sich dem Neoliberalismus unterworfen habe.

An vielen Orten in Florenz kam es am heutigen Freitag zu kleineren, friedlichen
Protestaktionen. Für morgen ist eine große Kundgebung geplant, zu der 200.000
Globalisierungs- und Kriegsgegner erwartet werden. (nz)

MEHR IN DER NETZEITUNG
Demonstranten an Grenze zu Italien abgewiesen
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214267
200.000 Demonstranten bei Sozialgipfel in Florenz erwartet
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214081
Krawalle bei Sozialforum in Florenz befürchtet
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=213616

Alle Rechte © 2002 NZ Netzeitung GmbH

2002-11-08-guardian

Quelle: http://politics.guardian.co.uk/green/story/0,9061,836411,00.html

Florence besieged by army of freethinkers

25,000 anti-globalisation activists converge for four days of debate
on peaceful social change

John Vidal in Florence
Friday November 8, 2002
The Guardian

Florence was yesterday under siege, not from hordes of violent
anti-capitalists intent on destroying the city’s artworks, as the
Italian prime minister, Silvio Berlusconi, predicted earlier this
week, but from legions of emerging political and social ideas which
many believe could refresh global democracy and the traditional
European left.

While the authorities have played up a possible repeat of the Genoa G8
clashes last year that saw one man killed, tear gas, running battles
and deep embarrassment for the Italian government, the 25,000 people
who have gathered for the first European social forum are mostly
locked in a bewildering variety of debates and discussions at an old
fort.

No one denies that obscure fringe elements may seek to settle scores
with the police at tomorrow’s anti-war march, which is expected to
attract 100,000 people, but yesterday’s emphasis was firmly on
peaceful change and the evolution of political ideas rather than
revolution.

The forum, set up as a pro-democracy organisation to bring together
broad social movements, says it has no intention beyond stimulating
debate and giving a voice to people who are marginalised, or who seek
political change. Its agenda is set by the participants and it expects
to issue no formal statement of aspirations – or indeed, to reach any
conclusions.

Six thousand armed police are on standby, but a demonstration by 5,000
people against a nearby US air force base outside Florence passed off
peacefully.

Despite this, all McDonald’s restaurants in the city, Shell petrol
stations, many exclusive shops and small traders barricaded their
premises or closed up. But many locals were appalled that the
authorities and press had, they alleged, deliberately misrepresented
the four-day conference. „Red Tuscany welcomes you,“ said one defiant
shopkeeper.

One of the participants at the forum, Dr Tony Caravas from Athens,
said: „This is a coming of age for the anti-globalisation
movement. For the first time people have gathered from across Europe
and other continents, not to oppose an organisation or world leaders,
but to come up with ideas for change. There are people here from very
many political traditions and cultures who want to find new ways to
resist what is happening in the world. Now the problem is to describe
the world that we want.“

Michelle Roberts, a teacher from Bordeaux, added: „This is the new
politics. People are excited. Everyone has come for the same thing –
to understand what is happening, question the present system of
politics and propose changes.“

The 25,000 people of all ages, from 475 groups and more than 100
countries, are meeting in halls and many smaller workshops around the
city. The more than 400 debates range from anti-militarism to
vegetarianism, world debt and social control, to African development,
industrial food, religions, European responsibilities, migrants, human
rights and energy.

Yesterday dissidents and high profile authors and politicians spoke,
including the Italian Nobel literature prizewinner Dario Fo, the
French farm leader José Bové, US activists Ralph Nader and Naomi
Klein, Tariq Ali and Vandana Shiva.

„In four days here I can learn more about what is happening in the
world than I could in four years watching TV,“ said a local
student. „This is my education. We are not told what is happening in
the press, we are spoon-fed what the authorities want us to hear.“

High on the agenda are the perceived erosion of democracy, the role of
political parties, alternatives to privatisation and the threat of
multinationals. „The background to all debates is the growing
worldwide opposition to the ’neoliberal‘ politics espoused by G8
countries,“ one conference organiser said.

The name and form of the meetings is borrowed from the influential
world social forum held annually in Porto Alegre, Brazil. This adopted
the slogan „another world is possible“ and was set up to counter the
world economic forum held in Davos, Switzerland, each year, which
attracts leading financiers, politicians and establishment thinkers.

„What is being attempted is a loose organisational form to the anti
capitalist movement,“ a forum spokesman said. „The sheer volume and
diversity of ideas means we’ll never get point by point consensus, but
there are key things like war, racism and neoliberalism that we can

agree on.“

Trade unions, communist groups, socialists, environmentalists,
anarchists and greens are all represented. Most say they have put
aside their traditional rivalries, at least for the duration of the
meeting. „Out of this chaos of ideas and experiences, we can all learn
and and change our views,“ a French socialist said.

„It’s an incredible symbol of hope,“ said Caroline Lucas, Britain’s
only Green MEP. „It shows there is a great deal of common ground
between disparate groups and people.“

Nevertheless, the intellectual and political fault lines are apparent
after just one day of talks. Many people at the meeting reject
capitalism entirely, others seek to reform it. Some were yesterday
trying to discount the idea of working classes, others were calling
for more union rights.

„This is like a supermarket of ideas. You can pick and choose. But at
least you have real debate and choice,“ said Rinadini, a jobless
Italian who is staying with thousands of others in a sports hall.

The following apology was printed in the Guardian’s Corrections and
Clarifications column, Saturday November 9, 2002

Caroline Lucas is not „Britain’s only Green MEP“, as she was described in this
report. We overlooked Jean Lambert, the Green MEP for London. Apologies.

Guardian Unlimited © Guardian Newspapers Limited 2002

2002-11-09-dw

Quelle: http://dw-world.de/german/0,3367,3645_A_671830_1_A,00.html

Deutsche Welle
08.11.2002

Europäisches Sozialforum in Florenz

Im Zentrum des Treffens der europäischen Alternativen stehen der
drohende Krieg im Irak und eine Antwort auf die negativen Folgen
der globalen Ökonomie.

Trotz der Bedenken der italienischen Regierung unter Silvio
Berlusconi: Das Europäische Sozialforum erweckt nicht den Anschein
einer Radau-Tribüne mit gewaltbereiten Chaoten. In Florenz wird weiter
nach konkreten Alternativen zu den Auswüchsen eines Turbo-Kapitalismus
mit entfesselten Finanzmärkten gesucht. Hugo Braun von
attac-Deutschland erläutert, welche Ziele bei den Workshops und
Diskussionsveranstaltungen weiter im Vordergrund stehen:

„Dass der internationale Kapitalmarkt ein Kontrollinstrument bekommt.
Wir haben mit unseren Freunden aus Frankreich einen Ansatzpunkt in der
Besteuerung der internationalen Devisen-Transfers gefunden – in der
Erfindung eines ganz bürgerlichen Wissenschaftlers, dieses Herrn
Tobin, womit wir auf eine ganz breite Resonanz gestoßen sind, bei den
Gegnern und den Befürtern. Und bei den Gegnern stellt sich
interessanterweise heraus, dass sie gar nicht so ängstlich sind, um
die 0,1 Prozent Steuer“

Die Befürchtungen gehen nach Meinung von attac eher in die Richtung,
dass der Kapitalmarkt überhaupt kontrolliert werden soll. Daher bleibt
eine Steuer nach dem Tobin-Muster wohl auch in Zukunft reine Illusion.

Konkret spürbar ist dagegen bei den Teilnehmern die Angst vor einem
Krieg im Irak. So diskutieren die verschiedenen europäischen
Friedensbewegungen in Florenz Möglichkeiten, den amerikanischen
Irak-Feldzug zu verhindern. Stefan Ziefle ist deshalb aus Hamburg in
die Toskana gekommen:

„Also ich denke, dass von hier ein Impuls ausgehen kann an die
sozialen Bewegungen, an die Antikriegsbewegungen in ganz Europa. Ich
habe ganz speziell die Hoffnungen, dass die rund 1000 Deutschen, die
hier sind, tatsächlich die Vernetzung vorantreiben können und wir uns
hier tatsächlich auf eine einheitliche Vorgehensweise in der Frage des
Irak-Krieges einigen können, was eine sehr grosse Unterstützung wäre
für die Antikriegs-Bewegung in Deutschland.“

Die Bewohner in Florenz fürchten sich hingegen zum Schauplatz einer
militanten Auseinandersetzung zwischen gewaltbereiten Chaoten und der
italienischen Polizei zu werden. Seit Tagen bereiten sich die Bewohner
auf den Belagerungszustand vor. Mc-Donald’s-Filialen montierten ihre
Schilder ab, Luxus-Läden, Hotels und Restaurants sperren die Türen zu.
Allein 6.000 Polizisten sind zum Schutze der Stadt abgestellt, 250
exponierte Kunstdenkmäler werden rund um die Uhr bewacht. Von Seiten
der Globalisierungskritiker ist inzwischen eine gesamteuropäische
Antikriegs-Demonstration in Sachen Irak geplant. Stefan Ziefle
begründet, warum er die kritische Haltung der Regierung in Berlin für
richtig hält:

„Ich bin gegen eine deutsche Beteiligung und gegen einen Angriff
sowieso und ich begrüsse sehr stark, dass die Bundesregierung da eine
eindeutige Position eingenommen hat, wobei ich denke, dass die
Antikriegsbewegung weiter eine sehr wichtige Aufgabe hat, dass die
Bundesregierung dem US-Druck nicht nachgibt, was leider im Moment
passiert – also Überflugsrechte über Deutschland, die US-Basen in
Deutschland, der Ersatz von Us-Truppen Afghanistan mit deutschen
Soldaten, alle diese direkte und indirekte Unterstützung. Ich denke,
wir haben dafür zu sorgen, dass das aufhört.“

Bevor das Sozialforum von Literaturnobelpreisträger Dario Fo eröffnet
wurde, demonstrierten nur ein paar Globalisierungsgegner vor den Toren
einer italienischen US-Militärbasis. Außerdem werden Proteste gegen
die kommenden EU-Gipfel, die WTO-Tagung in Mexiko und das Treffen der
G 8 im französischen Evian vorbereitet.

http://www.dw-world.de © Deutsche Welle

2002-11-09-ap

Quelle: http://de.news.yahoo.com/021109/12/326ap.html

Associated Press (AP)

Samstag 9. November 2002, 19:28 Uhr
„Ein Jahrmarkt, keine Revolution“

Florenz (AP) Für Ole, Anna und Bastian, drei junge deutsche Teilnehmer
des Europäischen Sozialforums, sind die strengen
Sicherheitsvorkehrungen zum Europäischen Sozialforum der
Globalisierungsgegner überzogen: «Alles Panikmache! Das ist hier eher
ein Jahrmarkt, keine Revolution», sagt die 18-jährige Anna Kossack aus
Kassel.

Ihr Bus sei am Dienstag über zwei Stunden an der Grenze kontrolliert
worden. Zwei Personen sind zurückgewiesen worden, den Grund hat man
ihnen nicht gesagt. «Wir haben schon das Schlimmste befürchtet in
Florenz, aber die Menschen sind hier nett und freundlich, die
Atmosphäre völlig entspannt!»

Friedlich begann am Samstag – wegen des großen Andrangs früher als
geplant – die Großkundgebung gegen einen Irak-Krieg und
Globalisierungsfolgen. Die Zahl der Teilnehmer wurde auf bis zu 400.000
geschätzt. Die drei großen Themen der dreitägigen Veranstaltung waren
Neoliberalismus und Globalisierung, Krieg und Frieden, Menschen- und
Bürgerrechte – alles unter dem Motto «Ein anderes Europa ist möglich!»

Rund 400 Organisationen aus über 100 Ländern nahmen an mehr als zehn
Konferenzen, über 60 Seminaren und unzähligen Workshops teil. Der
Tagungsort, die Fortezza da Basso, gleicht eher einem Jahrmarkt als
einem kriegerischem Befestigungslager. Überall hingen Plakate in den
unterschiedlichsten Sprachen, wurden Zeitungen verkauft, wurde
diskutiert.

Ole, Anna und Bastian übernachteten in einem öffentlichem Gebäude, das
die Stadt Florenz eigens für die angereisten Ausländer zur Verfügung
gestellt hat. Die drei Deutschen sind bereits am Dienstag aus Köln,
Essen und Kassel gekommen. «Die Atmosphäre hier ist einfach toll und
entspannt. Natürlich auch chaotisch, aber immerhin ist dies das erste
europäische Treffen dieser Art», sagt Anna, die die
Landes-SchülerInnen-Vertretung Hessen.

Am Sonntag will die junge Kasselerin auf der Hauptversammlung der
europäischen Sozialorganisationen vor Tausenden von Leuten sprechen.
Ihr Thema: Demokratie und Bildung. «Bildung sollte für jeden zugänglich
sein. Eine Privatisierung der Bildung wäre der Untergang für das Land
und für die Demokratie!» Sie hat klare Vorstellungen davon, was das
Treffen bringen soll: «Ich möchte hier Gleichgesinnte treffen und mich
mit ihnen europaweit vernetzen. Wir haben die gleichen Probleme, also
können wir sie auch gemeinsam lösen!»

Das weltweite Forum hatte im Januar in der brasilianischen Stadt Porto
Alegre stattgefunden. Es sollte den sozialen Bewegungen und
Organisationen Raum zu Austausch und Diskussion und die Möglichkeit zur
internationalen Vernetzung bieten. Die weltweite Bewegung hat sich das
Ziel gesetzt, sozial und ökologisch nachhaltige Strategien und
Alternativen zur weltweiten neoliberalen Globalisierung zu finden. Am
WSF nahmen rund 60.000 Menschen teil. Um die Treffen zu verkleinern
wurde beschlossen, regionale und nationale Versammlungen zu
veranstalten.

«Natürlich sind beim ESF auch die autonome Gruppen vertreten», erklärt
Thomas Seibert. «Aber bisher ist hier alles friedlich verlaufen und
daran wird sich auch nichts ändern!» Der 45-jährige Deutsche vertritt
die Frankfurter Gesundheitsorganisation Medico International. Er ist
bereits am Montag angereist, um sich ein wenig in Florenz umzuschauen.
Das ESF ist für ihn eine Gelegenheit, andere europäische
Gesundheitsorganisationen kennen zu lernen. «Gemeinsam können wir mehr
erreichen», sagt er. Seibert informierte sich auch bei den Ständen der
autonomen Gruppen auf der Piazza della Libertà, die für ihn nicht
Gegen-, sondern Parallelveranstaltung zum ESF ist.

http://www.fse-esf.org

http://www.dsf-gsf.org

Organisationen:

http://www.lsv-hessen.de

http://www.scudag.org

http://www.medico.de

AP-Nachrichten – The Associated Press News Service

2002-11-09-fr

Frankfurter Rundschau
09.11.2002

„Europäisches Sozialforum“

Globalisierungskritiker fordern Auflösung der Nato

FLORENZ, 8. November (epd). Im Rahmen der Diskussion um
Friedenspolitik forderten Teilnehmer des „Europäischen Sozialforums“
in Florenz eine Auflösung der Nato und warnten vor einer
Militarisierung der Europäischen Union. Bei der geplanten „EU-Truppe
geht es nicht um Verteidigung, sondern um Angriff“, beklagte Tobias
Pflüger von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung.

Gleichzeitig bemühten sich Forumsteilnehmer um ein Bündnis zwischen
Globalisierungskritikern und traditionellen politischen Kräften. „Die
Ethik muss ein Grundwert der Politik sein, und wenn unsere Ethik eine
Zukunft haben will, muss sie sich mit der Politik treffen“, erklärte
der Sprecher des italienischen Sozialforums, Vittorio Agnoletto.

Die Zahl der Forumsteilnehmer stieg am Freitag auf rund 35 000. Damit
wurden die Erwartungen der Organisatoren weit übertroffen. Neben
Großversammlungen, Seminaren und Workshops über Neoliberalismus, Krieg
und Bürgerrechte geriet das Treffen zunehmend zu einem fröhlichen
Happening. Während Sprechchöre mit Slogans wie „Revolution“ erklangen,
suchten Globalisierungskritiker aus aller Welt nach gemeinsamen
Strategien.

2002-11-09-nzz

Quelle: http://www.nzz.ch/2002/11/09/al/page-article8IEVL.html

Das «Volk von Seattle» zu Gast in Florenz

Familientreffen von Europas Globalisierungsgegnern

In Florenz haben sich ein paar tausend meist jugendliche
Globalisierungsgegner im Rahmen eines «Europäischen Sozialforums» zu
einem Meinungsaustausch eingefunden. Für Samstag ist ein
Friedensmarsch angesagt, zu dem gegen 200 000 Teilnehmer erwartet
werden. Behörden und Polizei haben Sicherheitsbedenken angemeldet.

sdl. Florenz, 8. Nov.

Einzelne Geschäfte in der Umgebung des Doms oder der zentralen Piazza
della Repubblica in Florenz haben ihre Schaufenster mit Holz- oder
Metallwänden verrammelt oder die Rollläden heruntergelassen. Bei
anderen sind Arbeiter noch damit beschäftigt, die Auslagen
behelfsmässig zu verriegeln. Es sind spürbar weniger Touristen in der
Stadt, und da und dort trifft man auf eine Gruppe von Carabinieri,
Polizisten oder Angehörigen der Guardia di Finanza. Sie gehören zu
einer Truppe von insgesamt rund 6000 Mann, die in der toskanischen
Hauptstadt für die Dauer des sogenannten Europäischen Sozialforums im
Einsatz stehen.

Mehr als Appelle

Die Veranstaltung auf dem Gelände der Fortezza da Basso hinter dem
Bahnhof Santa Maria Novella dauert bis Sonntag. Ihre Zeit verbringen
die grösstenteils jungen Protesttouristen in über einem Dutzend
Konferenzen sowie ein paar hundert Seminarien und Workshops über die
ihrer Meinung nach besonders schädlichen Aspekte der Globalisierung.
Am Samstag wird das Sozialforum mit einer Kundgebung beendet, zu der
die Veranstalter gegen 200 000 Teilnehmer erwarten. Dieser Protestzug
des «Volkes von Seattle» gegen die Kriege in aller Welt ist es, der
Politiker und einen Teil der Bewohner von Florenz das Schlimmste
befürchten lässt. Man kann es ihnen nach den Ereignissen am Rande von
internationalen Grossveranstaltungen in Seattle, Washington, Prag,
Montreal, Nizza, Davos, Neapel und Genua während der letzten drei
Jahre auch nicht verargen. In all diesen Städten startete jeweils eine
kleine Schar von gewalttätigen Chaoten hinter dem Schild von
friedlichen Protestaktionen ihre Zerstörungstouren.

Befürchtungen, dass Florenz und seine Bewohner am Samstag unter
Ausschreitungen, Chaos und Gewalt leiden könnten, stören all jene, die
ihre politische Arbeit in den Mittelpunkt stellen und sich darum
bemühen, dass das locker strukturierte Lager der Globalisierungsgegner
und -kritiker über das Stadium der Appelle, Demonstrationen und
Kampagnen hinauswachsen kann. Diese Kreise möchten sich jetzt
daranmachen, politisch umsetzbare Konzepte zu formulieren. Von dieser
Seite kann man etwa hören, dass jene zu den Wegbereitern der Bewegung
gehörten, die Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen und
Ziele nicht zum Vornherein grundsätzlich ausschlossen. Die
Institutionen, die die Globalisierung fördern, werden als Feinde
betrachtet, denen es das Handwerk zu legen gilt.

Ehrenwerte Ziele

Seattle, wo im November 1999 Manifestanten und Angehörige der
Sicherheitskräfte während einer Konferenz der World Trade Organization
aneinander gerieten, gilt als Geburtsstunde der
globalisierungskritischen Szene. Sie ist ein weltweites loses Netz von
Nichtregierungsorganisationen, Solidaritätsgruppen, Gewerkschaften,
Bürgerinitiativen, Kirchenkreisen, Bewegungen jeder Art und weiterem
mehr. Als treibende Kräfte, Galionsfiguren oder Vordenker wirken die
kanadische Publizistin Naomi Klein, ihre britische Kollegin Susan
George, der aus den Philippinen stammende Nationalökonom Walden Bello
oder der französische Bauernaktivist José Bové.

Diese Leute treten für eine Weltordnung ein, in der das Leben nicht
einfach als Ware behandelt wird und die Welt nicht zum Verkauf steht,
in der die Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen und
Traditionen bestehen bleiben können und die Lebensformen auf diesem
Planeten nicht weltweit ein und denselben Gesetzmässigkeiten
unterworfen werden. Sie setzen sich für Entwicklungsmodelle ein, die
die Welt lediglich in einem Mass belasten sollen, dass auch spätere
Generationen noch eine Zukunft haben können. Für sie kann mit einer
Welt etwas nicht stimmen, in der weniger als 20 Prozent der Menschheit
über mehr als 80 Prozent der natürlichen Ressourcen gebieten. Man
lehnt die grenzübergreifenden Aktivitäten von Märkten, Börsen,
Produktion und moderner Informationstechnologie nicht grundsätzlich
ab, fordert indessen, dass auf die schwächsten Mitglieder der
Gesellschaft Rücksicht genommen werden muss.

Die Globalisierung soll, so wird verlangt, mittels verbindlicher
Regeln unter Kontrolle gebracht werden und ein menschliches Antlitz
erhalten; Profit und Effizienz dürfen nicht als alleinige Massstäbe
dienen. Es wird die Frage gestellt, warum die positiven Auswirkungen
der Globalisierung sowie die Segnungen der modernen Zivilisation
bisher an grossen Teilen der Weltbevölkerung spurlos vorbeigegangen
sind. Man will verhindern, dass lediglich eine kleine Elite immer
reicher werde und diese den Zugang zu Wissenschaft, Technologie,
Kommunikation und den natürlichen Reichtümern der Welt kontrolliert.

Das Europäische Sozialforum, das unter dem Motto «Ein anderes Europa
für eine andere Welt ist möglich» steht, geht auf eine Initiative des
Weltsozialforums von Porto Alegre zurück, wonach die Aktivitäten zu
regionalisieren seien. Für das Treffen in Florenz wurden drei
Themenkreise bestimmt: «Neoliberalismus und Globalisierung», «Krieg
und Frieden» und «Bürger-/Menschenrechte und Demokratie». Wer in
Florenz mitmachen wollte, hatte sich rechtzeitig «einzuklinken», der
Beitrag musste einfach einigermassen in einen der drei Themenkörbe
passen.

Auch die Globalisierungskritiker führen ihren Kreuzzug natürlich
global, Kontakt untereinander halten sie über das Internet und mit
gelegentlichen Begegnungen in der wirklichen Welt. Die Bewegung soll
ihre vielfältigen Facetten bis auf weiteres bewahren. Etwas anderes
wäre zurzeit wohl auch nicht zu erreichen, da keine einzelne Gruppe
eine Führungsrolle übernehmen und alle anderen in eine bestimmte
Richtung zwingen soll; es geht «basisdemokratisch» zu, es wird wenig
oder nichts entschieden und wenn schon, dann allenfalls auf
Ad-hoc-Basis. Einzelnen Vertretern scheinen die endlosen Palaver nun
allerdings nicht mehr zu genügen; Susan George etwa spricht davon,
dass «die Bewegung für ihre Anliegen kämpfen und die Politiker zwingen
muss» zuzuhören. Die Mächtigen der Erde sollen sich der Aufgabe
zuwenden, den Globalisierungsprozess Kontrollmechanismen zu
unterwerfen; man will nicht akzeptieren, dass alles den Marktkräften
überlassen wird.

Fröhliche Stimmung

Die Stimmung auf dem Gelände der Fortezza da Basso ist fröhlich. Man
weiss allerdings nicht immer, ob man sich an einem Open-Air-Festival
für Folkmusik, in einem Ferienlager fortschrittlicher Studentengruppen
oder einem Basar der Genossen aus der linken Ecke befindet. Nach
Letzterem sieht es in einer Halle aus, in der die verschiedensten
Gruppen und Grüppchen ihre Stände aufgebaut haben und T-Shirts,
Poster, Bücher, Pamphlete, Protestknöpfe sowie Spielzeuge und andere
Handwerkserzeugnisse von Völkern aus aller Welt zum Verkauf
anbieten. Auf dem Weg zu einem Seminar, wo über die Tobin- Steuer und
die Grössenordnung des weltweiten Devisenhandels referiert wird,
findet man eine Gruppe Indianer vor ihrem Tipi. Da und dort rennt ein
Hund davon, in einem Hof spielt eine Rock-Band, daneben werden Würste
verkauft.

Nachdem man eine Weile Schweizer Aktivisten zugehört hat, die sich zu
den Themen Steuerparadiese und Steuerhinterziehung äussern, verirrt
man sich in einen Raum, der zum stillen Verweilen, Meditieren und
Nachdenken animieren soll. In diesem «Reflektorium» sind zwei
Weisheiten angeschlagen. Die eine – «Es gibt keinen Weg zum Frieden,
der Friede ist der Weg» – wird dem buddhistischen Mönch Thich Nhat
Hanh aus Vietnam zugeschrieben, die andere stammt vom Dalai Lama:
«Wenn du deinen Mitmenschen schon nicht helfen kannst, so verzichte
zumindest darauf, ihnen Schaden zuzufügen.» Damit sollten eigentlich
auch die glühendsten Verfechter der Globalisierung keinerlei Mühe
bekunden, und wenn solche Ermunterungen auch vom «Volk von Seattle»
beherzigt werden, besteht zu Sorgen und Ängsten kaum Anlass.

2002-11-09-news_ch

Quelle: http://www.news.ch/detail.asp?ID=123535

news.ch
9.11.2002

500 000 Menschen demonstrieren in Florenz gegen einen Irak-Krieg

Florenz – Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz gegen
einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war die
grösste Anti-Kriegs-Demonstration in Italien seit Jahren.

Der kilometerlange Demonstrationszug bildete den Höhepunkt des

fünftägigen Europäischen Sozialforums, zu dem Globalisierungs-Kritiker
und Friedensgruppen aus der ganzen Welt in die Toskana-Metropole
kamen.

Stoppt die Kriegskoalition und Kein Angriff auf den Irak hiess es auf
Spruchbändern. Viele der zumeist jungen Leute schwenkten rote Fahnen.

Zu den Demonstranten zählte auch der Chef der italienischen
Altkommunisten, Fausto Bertinotti und der Führer des stärksten
italienischen Gewerkschaftsverbands CGIL, Guglielmo Epifani.

Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf fast 500 000
schätzten, sprachen die Veranstalter von einer Million. Die Regierung
mobilisierte im Vorfeld der Demonstration 6000
Sicherheitskräfte. Viele Ladenbesitzer liessen ihre Geschäfter aus
Angst aber geschlossen.

Zudem hatte die Regierung den Demonstraten verboten, durch die
historische Altstadt zu ziehen. Stattdessen gingen die Demonstranten
durch die Aussenviertel zum Sportstadion.

Durch eigene Ordnungskräfte versuchten die Veranstalter zu verhindern,
dass sich gewaltbereite junge Leute unter die Demonstranten
mischten. Nach Polizeiangaben kam es nicht zu den befürchteten
Ausschreitungen.

Beim Sozialforum hatten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur
Bekämpfung der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung erörtert.

Dabei forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und
demokratisch gesteuert werden und dürfe nicht weiter zu steigender
Armut in der Dritten Welt führen. Ein Schuldenerlass für die
Entwicklungsländer sei unerlässlich.

ps (Quelle: sda)

2002-11-09-rp_online

Quelle: http://www.rp-online.de/news/politik/2002-1109/irak_demo.html
Artikel aus RP-Online vom 09.11.02 20:06

* 450.000 Teilnehmer auf Italiens Straßen

Massendemo gegen Irak-Krieg

Florenz (rpo). Friedliche Massendemonstrationen gegen einen möglichen
Irak-Krieg und die negativen Auswirkungen der Globalisierung: Rund
eine halbe Million Menschen aus ganz Europa kamen am Samstag in
Florenz zusammen.

Die Zahl der Teilnehmer wurde von den Organisatoren auf 800.000 bis
eine Million geschätzt, die Polizei sprach von 450.000
Demonstranten. Die befürchteten Ausschreitungen blieben bis zum Abend
aus. Die Polizei hielt sich betont zurück und war zwischen den
Demonstranten, die Regenbogenfahnen und Transparente mit der
Aufschrift „Kein Krieg“ trugen, kaum zu sehen. Die Atmosphäre wirkte
heiter und gelöst. Viele Demonstranten hatten Trommeln und Pfeifen
mitgebracht, andere waren als Clowns kostümiert oder auf Rollschuhen
unterwegs.

Zu der Kundgebung aufgerufen hatte das Europäische Sozialforum, ein
Zusammenschluss von unabhängigen und autonomen Verbänden,
Menschenrechts- und Kirchengruppen, Gewerkschaften sowie linken
Organisationen und Parteien. Die Großdemonstration, zu der
ursprünglich nur 100.000 Teilnehmer erwartet worden waren, war einer
der Höhepunkte des Sozialforums, das noch bis Sonntag tagt.

Die Demonstration begann mehr als eine Stunde früher als geplant, weil
einfach kein Platz mehr war für die stetig anwachsende
Menge. Friedlich zogen die Menschen am Arno entlang durch die Straßen
von Florenz zum Fußballstadion, wo dann noch ein Konzert stattfinden
sollte. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Politik der USA
und gegen die multinationalen Konzerne, denen eine Politik zu Lasten
der Armen und der Umwelt vorgeworfen wurde.

Die italienische Polizei hatte die Sicherheitsvorkehrungen erheblich
verstärkt. Unter anderem waren 850 Mülleimer entlang der
Demonstrationsstrecke entfernt worden. Seit Beginn des Sozialforums
am Mittwoch waren 6.000 Polizisten in der Stadt im Einsatz.

Bei der Kundgebung hielt sich die Polizei weitgehend im
Hintergrund. „Ich habe noch nie so viele Demonstranten und so wenige
Polizisten gesehen“, sagte ein deutscher Teilnehmer, Uwe Schurmann aus
Oberhausen.

Die italienische Regierung hatte sogar den Luftraum über der Stadt für
Privatflugzeuge von Mittwoch bis Sonntag gesperrt. Italien setzte
wegen des Treffens ferner das Schengener Abkommen, das eigentlich
allen EU-Bürgern Reisefreiheit in der Europäischen Union gewährt,
außer Kraft. Die Großdemonstration galt auch als Test für die
italienische Polizei, die sich nach dem G-8-Gipfel in Genua im
vergangenen Jahr schwere Vorwürfe anhören musste, nachdem Carabinieri
einen Demonstranten erschossen und Hunderte Menschen verletzt hatten.

2002-11-09-spiegel

SPIEGEL ONLINE – 09. November 2002, 17:33
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,222251,00.html

Anti-Bush-Aufmarsch

Halbe Million gegen Irak-Krieg

Manche schwenkten rote Fahnen, doch auch überzeugte Christen gingen auf die
Straße: Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz gegen einen drohenden
Irakkrieg demonstriert. Die befürchteten Ausschreitungen blieben zunächst aus.

Florenz – Die Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen „Europäischen
Sozialforums“, zu dem Globalisierungs-Kritiker und Friedensgruppen aus der
ganzen Welt zusammenkamen. Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf
fast 500.000 schätzten, sprachen die Veranstalter von einer Million.

Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6000
Sicherheitskräfte mobilisiert, viele Geschäfte in Florenz blieben geschlossen.
Zunächst gab es keine Zusammenstöße. Auch Deutsche waren bei der Demonstration
dabei.

Es war die größte Anti-Kriegs-Demonstration in Italien seit Jahren. „Stoppt die
Kriegskoalition“ und „Kein Angriff auf den Irak“ hieß es auf Spruchbändern.
Viele der zumeist jungen Leute schwenkten rote Fahnen. Auch zahlreiche Anhänger
der italienischen Kommunisten, Gewerkschafter sowie kirchliche Gruppierungen
beteiligten sich an dem Kilometer langen Demonstrationszug. Polizei und
Sicherheitskräfte hielten sich im Hintergrund.

Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die Regierung dem Demonstrationszug nicht
erlaubt, durch die historische Altstadt zu ziehen. Die italienische Regierung
hatte sogar den Luftraum für Privatflugzeuge von Mittwoch bis Sonntag gesperrt.
Stattdessen zogen Demonstranten durch die Außenviertel zum Sportstadion von
Florenz.

Die Großdemonstration galt auch als Test für die italienische Polizei, die sich
nach dem G-8-Gipfel in Genua im vergangenen Jahr schwere Vorwürfe anhören
musste, als Karabinieri einen Demonstranten erschossen und Hunderte Menschen
verletzten.

Die Veranstalter versuchten, durch eigene Ordner zu verhindern, dass sich
gewaltbereite junge Leute unter die Demonstranten mischten. Der Regierung ging
es vor allem darum, blutige Zusammenstöße wie beim G-8-Gipfel im Juli 2001 in
Genua vermeiden. Damals hatte ein Polizist einen jungen Italiener erschossen,
viele Menschen wurden verletzt.

Beim „Sozialforum“ hatten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur
Bekämpfung der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung erörtert. Dabei
forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und demokratisch
gesteuert werden und dürfe nicht weiter zu steigender Armut in der Dritten Welt
führen. Ein Schuldenerlass für die Entwicklungsländer sei unerlässlich.

2002-11-09-faz

Quelle:
http://www.faz.net/s/Rub9E7BDE69469E11D4AE7B0008C7F31E1E
/Doc~EC41C22C4D6764C028B67E53FF237507F~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Frankfurter Allgemeine Zeitung
09.11.2002

Europäisches Sozialforum

Über 500.000 demonstrieren gegen drohenden Irak-Krieg

09. November 2002 – Mehr als eine halbe Million Menschen aus ganz Europa
haben am Samstag in Florenz gegen einen möglichen von den USA
geführten Militärschlag gegen Irak demonstriert.

Die Kundgebung fand im Rahmen des ersten Europäischen Sozialforums
statt. Zu dem viertägigen Forum waren Globalisierungsgegner aus Europa
zu Diskussionen und Konzerten eingeladen. Während die Behörden die
Zahl der Teilnehmer auf fast 500 000 schätzten, sprachen die
Veranstalter zeitweise von einer Million.

Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische
Regierung 6.000 Sicherheitskräfte mobilisiert; viele Geschäfte in
Florenz blieben geschlossen. Bis zum Abend gab es keine Zusammenstöße.
Die Atmosphäre zwischen den Demonstranten und den Sicherheitkräften
war jedoch Augenzeugen zufolge vergleichsweise entspannt. Die Museen
und die berühmte Kathedrale von Florenz waren geöffnet. Vorsorglich
hatte die Polizei in einem zentrumsnahen Gefängnis rund hundert Zellen
freihalten lassen.

In einem bunten Meer von Fahnen und Luftballons trugen Demonstranten
Transparente in vielen Sprachen. „Nehmt euren Krieg und fahrt zur
Hölle“, stand auf einem, und auf einem anderen war zu lesen: „Ein
anderes Europa ist möglich. Nein zum Krieg.“

Musik schallte aus Lautsprechern, Luftballons flogen durch die Luft,
und Jongleure unterhielten die Menge. „Die Atmosphäre ist
wunderbar. Absolut perfekt“, sagte ein junger Grieche. „Sie zeigt,
dass eine neue junge Linke entsteht.“

Die Veranstalter teilten mit, sie hätten den Demonstrationszug eine
Stunde frühere als geplant starten lassen, weil sich so viele Menschen
in den Straßen der Altstadt gedrängt hätten. Die Demonstration war
schon vor Monaten geplant gewesen, erhielt durch die Verabschiedung
der Resolution zur Abrüstung Iraks am Freitag im UN-Sicherheitsrat
jedoch zusätzliche Aktualität. Der linke französische Politiker Alain
Krivine sagte, es habe keine Illusionen mehr über Organisationen wie
die UN und ihre Fähigkeit, der Menschheit zu helfen. „Märsche allein
werden keine Kriege stoppen“, sagte er, „aber dies ist wortwörtlich
ein erster Schritt.“

EU-Kommissionpräsident Romano Prodi zeigte Verständnis für die
Demonstranten. Er verfolge, was in Florenz geschehe. Den jungen
Menschen müsse Gehör geschenkt werden, sagte Prodi in der nahe
gelegenen Stadt Bologna. „In dieser Zeit der Veränderungen ist die
Stimme der Jugend von großer Bedeutung“, sagte der Italiener. Das
bedeute aber nicht, dass ihre Auffassungen geteilt werden müssten.

Text: Reuters, dpa
Bildmaterial: AP

2002-11-09-bz

Quelle: http://www.berlinonline.de/suche/.bin/mark.cgi/aktuelles/berliner_zeitung/politik/.html/191879.html

Berliner Zeitung
Samstag, 09. November 2002

Friedlich und etwas chaotisch – das Sozialforum in Florenz

35 000 Jugendliche debattieren über Neoliberalismus und Krieg und über
die Zukunft der „Bewegung der Bewegungen“

Thomas Götz

FLORENZ, 8. November. Viele Geschäfte in Florenz haben geschlossen,
amerikanische Hamburger-Restaurants ihre Fenster verbarrikadiert. Doch
die Panik, die italienische Medien vor Beginn des Europäischen
Sozialforums schürten, hat sich – bisher jedenfalls – als völlig
unbegründet erwiesen: Nicht Tränengas und der Qualm brennender Autos
wie beim G-8-Gipfeltreffen in Genua im letzten Jahr liegt über der
Stadt, sondern der Rauch von Bratwurstbuden.

Friedlich und etwas chaotisch tagen die rund 35 000 vorwiegend
jugendlichen Teilnehmer in der Bastei „Fortezza da Basso“. Im
buddhistisch angehauchten „Raum der Stille“ schenken Aktivisten im
Duft von Räucherstäbchen alternative Cola aus. Fotos von Kurdenführer
Abdullah Öcalan und von Carlo Giuliani, dem im Vorjahr in Genua
erschossenen Demonstranten, hängen an der Wand. Zur
Friedensdemonstration, die an diesem Sonnabend von der Festung zum
Stadion ziehen soll, werden mindestens 150 000 Teilnehmer erwartet,
und die Organisatoren hoffen, das friedliche Bild bewahren zu können.

Die ersten beiden Tage des Forums haben kaum ausgereicht, die großen
Themen – Neoliberalismus, Rassismus, Krieg, Ausbeutung,
Ungerechtigkeit – auch nur anzureißen. Die Veranstalter haben
versucht, die vielen Aspekte auf zahllose kleine Arbeitskreise zu
verteilen. Das erleichterte zwar die Kommunikation unter den
Teilnehmern, machte es aber auch unmöglich, die Ergebnisse zu bündeln.

Die „Bewegung der Bewegungen“, wie das Sozialforum in Italien genannt
wird, scheint an einem Wendepunkt angelangt. Die dezentrale
Organisationsform, die viele als wesentliches Charakteristikum der
Gruppe sehen, erweist sich zugleich als Hemmschuh. In den nächsten
zwei Jahren werde sich zeigen, ob man aus dem Stadium der Appelle und
Proteste hinauskomme, meint etwa Matthias Herfeld von der Schweizer
Gruppe „Erklärung von Bern“. Er hält es durchaus auch für möglich,
dass das Forum wieder in seine Einzelteile zerfällt, ehe es noch
politisch wirksam geworden ist. Seine Ansicht, man müsse die
Zusammenarbeit mit etablierten Parteien und Gewerkschaften, ja sogar
mit den verpönten internationalen Organisationen suchen, trifft in
Florenz auf viel Widerspruch. Einer Institution wie der
Welthandelsorganisation wünschen viele Teilnehmer nur eines – die
Abschaffung.

Neben den bekannten Identifikationsfiguren der Bewegung, dem
französischen Bauern José Bové oder der US-amerikanischen Autorin
Naomi Klein, sind auch viele Gewerkschaftsvertreter nach Florenz
gepilgert. Der Chef der größten italienischen Gewerkschaft, der
ehemals kommunistischen CGIL, ließ sich sehen; die kommunistischen
Parteien Italiens boten sich der bunten Bewegung als Verbündete an,
während die gemäßigten Linksdemokraten eher halbherzig in die Bastei
einzogen.

Unterdessen versuchten ein paar Anarchisten, die Geschäftsleute in der
Innenstadt zu beruhigen. Mit großen Fahnen zogen sie durch die Straßen
der Innenstadt und dankten mit anhaltendem Applaus all jenen, die ihre
Geschäfte nicht verrammelt hatten. Der italienische Aktivist Luca
Casarini, der in Genua noch mit provokanten Wortmeldungen und Aktionen
das Klima kräftig aufgeheizt hatte, rief am Freitag seine Leute
lediglich vor einem Werk der Firma Caterpillar am Stadtrand von
Florenz zusammen. Dort protestierten sie gegen den Einsatz von
Raupenfahrzeugen dieses Typs gegen die Palästinenser in den besetzten
Gebieten.

2002-11-09-zdf_heute

http://www.heute.t-online.de/ZDFde/druckansicht/0,1986,2022377,00.html

ZDF heute
09.11.2002
Politik

Massendemonstration gegen Irak-Krieg

Über 500.000 Teilnehmer ziehen friedlich durch Florenz

Über eine halbe Million Menschen haben am Samstag in Florenz gegen
einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war
Höhepunkt des fünftägigen „Europäischen Sozialforums“, zu dem
Globalisierungs-Kritiker und Friedensgruppen aus der ganzen Welt in
die Toskana-Metropole kamen.

Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf fast 500.000
schätzten, sprachen die Veranstalter von einer Million. Aus Furcht vor
Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6000
Sicherheitskräfte mobilisiert, viele Geschäfte in Florenz blieben
geschlossen. Zunächst gab es keine Zusammenstöße. Auch Deutsche waren
bei der Demonstration dabei.

Es war die größte Anti-Kriegs-Demonstration in Italien seit
Jahren. „Stoppt die Kriegskoalition“ und „Kein Angriff auf den Irak“
hieß es auf Spruchbändern. Viele der zumeist jungen Leute schwenkten
rote Fahnen. Auch zahlreiche Anhänger der italienischen Kommunisten,
Gewerkschafter sowie kirchliche Gruppierungen beteiligten sich an dem
Kilometer langen Demonstrationszug.

Der Schatten von Genua

Polizei und Sicherheitskräfte hielten sich im Hintergrund. Aus
Furcht vor Ausschreitungen hatte die Regierung dem Demonstrationszug
nicht erlaubt, durch die historische Altstadt zu ziehen. Stattdessen
zogen Demonstranten durch die Außenviertel zum Sportstadion von
Florenz.

Die Veranstalter versuchten, durch eigene Ordner zu verhindern, dass
sich gewaltbereite junge Leute unter die Demonstranten mischten. Der
Regierung ging es vor allem darum, blutige Zusammenstöße wie beim
G-8-Gipfel im Juli 2001 in Genua vermeiden. Damals hatte ein Polizist
einen jungen Italiener erschossen, viele Menschen wurden verletzt.

Armut in Dritter Welt darf nicht steigen

Beim „Sozialforum“ hatten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur
Bekämpfung der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung
erörtert. Dabei forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse
sozial und demokratisch gesteuert werden und dürfe nicht weiter zu
steigender Armut in der Dritten Welt führen. Ein Schuldenerlass für
die Entwicklungsländer sei unerlässlich.

Ströbele fordert Zusammenarbeit

Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) plädierte
beim Europäischen Sozialforum für eine stärkere Zusammenarbeit der
etablierten Parteien mit Globalisierungskritikern. Die Gruppen
dürften dabei aber nicht ihre Unabhängigkeit verlieren und vereinnahmt
werden, mahnte er am Freitagabend in Florenz.

„Ohne den Druck der Straße haben die Parteien nicht die Kraft, die
Globalisierung in eine gerechte Globalisierung umzuwandeln“, sagte
Ströbele vor 5000 Teilnehmern eines Forums. Er kritisierte zugleich
die Zustimmung seiner Partei zu Bundeswehreinsätzen in Jugoslawien.

© ZDF 2002

2002-11-09-sr

Saarländischer Rundfunk

– 09.11.2002 17:00

Florenz: Globalisierungskritiker gehen auf die Straße

Mehr als 100.000 Gobalisierungskritiker haben sich in der
italienischen Stadt Florenz versammelt, um gegen einen möglichen
Irak-Krieg zu demonstrieren. Die Demonstration bildet den Abschluss
des Europäischen Sozialforums, zu dem insgesamt rund 40.000 Teilnehmer
aus der ganzen Welt nach Italien gekommen waren. Auf der Veranstaltung
hatte unter anderem der Grünen-Politiker Christian Ströbele für eine
engere Zusammenarbeit der etablierten Parteien mit den
Globalisierungs-Kritikern geworben.

– 09.11.2002 18:00

Florenz: Über eine halbe Million Teilnehmer bei Demo gegen Irak-Krieg

Mehr als eine halbe Million Menschen haben gegen einen drohenden
Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war Höhepunkt des
fünftägigen „Europäischen Sozialforums“, zu dem
Globalisierungskritiker aus aller Welt nach Florenz gekommen
waren. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung
zu der heutigen Kundgebung 6.000 Sicherheitskräfte mobilisiert. Damit
sollten blutige Zusammenstöße wie beim G-8-Gipfel im Juli 2001 in
Genua verhindert werden. Bei dem seit Mittwoch laufenden Sozialforum
erörterten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur Bekämpfung
einer ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung. Dabei forderten
sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und demokratisch
gesteuert werden und dürfe nicht zu steigender Armut in der Dritten
Welt führen.

– 09.11.2002 19:00

Florenz: Über eine halbe Million Teilnehmer bei Demo gegen Irak-Krieg

Mehr als eine halbe Million Menschen haben gegen einen drohenden
Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war Höhepunkt des
fünftägigen „Europäischen Sozialforums“, zu dem Globalisierungskritiker
aus aller Welt nach Florenz gekommen waren.

Aus Florenz: Patricia Arnold (40s MP3-Audio, 316 KB)

2002-11-10-ap_schweiz

Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021110/281/3270o.html

Associated Press / Schweiz

Sonntag 10. November 2002, 12:28 Uhr
Hunderttausende gegen Krieg und Konzerne – Wochenendzusammenfassung

Florenz (AP) Eine halbe Million Menschen aus ganz Europa haben in
Florenz gegen einen möglichen Irak-Krieg und gegen den Einfluss
multinationaler Konzerne demonstriert. Die Kundgebung war der
Höhepunkt des am Sonntag beendeten Europäischen Sozialforums, auf dem
die internationale Bewegung der Globalisierungsgegner fünf Tage lang
über das Welthandelssystem und gesellschaftliche Entwicklung
diskutierte.

Die italienische Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten auf
450.000, die Veranstalter sprachen von 800.000 bis zu einer Million
Teilnehmern. Die Polizei hielt sich betont im Hintergrund, die
Atmosphäre wirkte heiter und gelöst. Viele Demonstranten hatten
Trommeln und Pfeifen mitgebracht, andere waren als Clowns kostümiert
oder auf Rollschuhen unterwegs. «Wir wollen demonstrieren, dass eine
andere Welt möglich ist», sagte die 31-jährige Noemi Cucchi aus
Ancona.

Ursprünglich hatten die Veranstalter lediglich mit 100.000
Demonstranten gerechnet. Der Protestmarsch begann mehr als eine Stunde
früher als geplant, weil einfach kein Platz mehr war für die stetig
anwachsende Menge. Friedlich zogen die Menschen am Arno entlang durch
die Strassen von Florenz zu einem Abschlusskonzert im Fussballstadion.
Der Protest richtete sich vor allem gegen die Politik der USA und
gegen die multinationalen Konzerne, denen eine Politik zu Lasten der
Armen und der Umwelt vorgeworfen wurde.

Bei der Kundgebung hielt sich die Polizei weitgehend im

Hintergrund. «Ich habe noch nie so viele Demonstranten und so wenige
Polizisten gesehen», sagte Uwe Schurmann aus Oberhausen. Unter den
Teilnehmern war auch der grüne Bundestagsabgeordnete Christian
Ströbele.

Italien hat für die Dauer des Sozialforums das Schengener Abkommen
ausgesetzt und schon an den Grenzen die anreisenden Demonstranten
kontrolliert. Die Grossdemonstration galt auch als Test für die
italienische Polizei, die beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua im
vergangenen Jahr mit grosser Härte gegen Demonstranten vorgegangen
war. Dabei wurde ein Globalisierungsgegner erschossen, hunderte
wurden verletzt.

Copyright © 2002 AP Schweiz.

2002-11-10-dpa

Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021110/3/326tw.html

Sonntag 10. November 2002, 09:32 Uhr
Großdemonstration in Florenz gegen drohenden Irak-Krieg

Florenz (dpa) – Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz
friedlich gegen einen drohenden Irak-Krieg demonstriert. Die
Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen «Europäischen Sozialforums
», zu dem Menschen aus der ganzen Welt in die Toskana kamen. Aus Furcht
vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6000
Sicherheitskräfte mobilisiert; viele Geschäfte blieben geschlossen. Es
blieb in Florenz jedoch auch in der Nacht friedlich.

Copyright © 2002 dpa.

2002-11-10-sonntagszeitung

Quelle: http://www.sonntagszeitung.ch/sz/szUnterRubrik.html?ausgabeid=2684&rubrikid=128&ArtId=234926

Sonntagszeitung

Friedliche Demo in Florenz

Hunderttausende an Kundgebung gegen Krieg

VON WALTER DE GREGORIO

FLORENZ – Zwischen 450 000 und einer Million Menschen nahmen gestern
in Florenz an einem Friedensmarsch teil, der vom Europäischen
Sozialforum organisiert worden war. Der Nahostkonflikt sowie der
drohende Krieg gegen den Irak standen im Mittelpunkt des Umzugs, der
ohne Zwischenfälle verlief. Während die einen ein «freies Palästina»
forderten, verlangten andere eine «Uno-Inspektion in Bushs Gehirn».

Den Terrorismus bekämpft man nicht mit Krieg, sondern mit Frieden das
war auch der Grundtenor der Workshops und der Seminare, die in den
letzten vier Tagen in Florenz stattgefunden hatten. Die Aufmunterung
vieler jugendlicher Demonstranten, sich zu lieben, statt zu bekriegen,
erwies sich als Idee zwar nicht mehr ganz frisch, wie auch die
Aufforderung auf T-Shirts und Plakaten: «Make cake, make pizza» macht
alles, ausser Krieg.

Der Friedensmarsch befasste sich auch mit aktuellen Problemen der
italienischen Arbeiterschaft, etwa mit der bevorstehenden Schliessung
von Fiat-Werken und der Entlassung von Tausenden von Frauen und
Männern. Angeprangert wurde auch die Einführung einer
Prostituierten-Steuer, die sexuelle Ausbeutung der Frau, die
Gentechnologie, die Umweltbelastung die Rundumdemonstration war
engagiert und kräftig, oft witzig und ironisch. Und sie blieb stets
friedlich.

Das ist ein Erfolg für alle jene, die an diese Veranstaltung geglaubt
hatten und an die Notwendigkeit, andere Wege zu suchen, um das
Zusammenleben auf der Welt gerechter und menschlicher zu
gestalten. Die so genannten «no globals» sind nicht, wie der Begriff
fälschlicherweise suggeriert, gegen die Globalisierung an und für
sich, sondern gegen eine Globalisierung, welche die Welt, die Natur
und die Menschen als Ware betrachtet. Diese, bekräftigten die
Demonstranten gestern, «stehen nicht zum Verkauf».

Die Regierung Berlusconi warnte vor dem «Einfall der Barbaren»

Bis zuletzt hatte Italiens Mitte-rechts-Regierung unter Silvio
Berlusconi versucht, das Europäische Sozialforum zu verhindern, als
ginge es, wie vor einem Jahr in Genua, um eine Demonstration gegen ein
Gipfeltreffen der Mächtigen. Es wurde argumentiert, Leib und Gut der
Florentiner Bevölkerung würde in grosser Gefahr stehen, falls man den
«Einfall der Barbaren» nicht verhindere. Regierungsnahe Blätter und
das Staatsfernsehen hatten in den letzten Tagen fast ausschliesslich
über das vermeintliche Gefahrenpotenzial berichtet, statt über die
Inhalte des Treffens der Globalisierungskritiker.

In einem Beitrag des staatlichen Senders RAI wurde ein Bericht über
die Roten Khmer ausgestrahlt, der suggerieren sollte, wohin es führe,
wenn man nicht den Anfängen wehre. Den Tiefpunkt erreichte die
Schriftstellerin Oriana Fallaci, einst für Intelligenz und Scharfsinn
berühmt. Im «Corriere della Sera» forderte sie die Florentiner auf,
ihre Läden für die Zeit des Sozialforums zu schliessen, zum Zeichen
der Trauer über «die bevorstehende Verwüstung durch die Hunnen». Der
Filmregisseur Franco Zeffirelli stieg mit Fallaci in den
Schützengraben und erinnerte an die deutschen Besatzungstruppen im
Zweiten Weltkrieg: «Haltet durch!»

Die Kulturstadt Florenz hats überlebt.

© Tamedia AG

2002-11-10-standard-teilnehmer

Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1128189

derStandard.at
Europäisches Sozialforum

11. Nov, 2002
11:53 MEZ

Österreichische TeilnehmerInnen werten Sozialforum als „Riesenerfolg“
„Friedlich und konstruktiv“ – Sozialforum in Österreich in Diskussion

Wien – Als „Riesenerfolg“ sehen VertreterInnen der österreichischen
Gewerkschaften das Europäische Sozialforum in Florenz. Die
Veranstaltung habe gezeigt, dass „ein anderes Europa“ nicht nur
möglich sei, sondern auch existiere, „es ist friedlich, und es ist
konstruktiv in der Suche nach einem anderen, menschlichen Weg für den
Kontinent“, heißt es in einer Aussendung des ÖGB am Montag. Aus
Österreich hätten 500 Menschen am Sozialforum teilgenommen. Die
österreichischen TeilnehmerInnen hätten auch die Abhaltung eines
„Austrian Social Forum“ diskutiert. Es gebe dazu ein erstes Angebot
der Stadt Hallein, die Veranstaltung dort im Frühling abzuhalten.

„Das andere Europa hat in Florenz ein starkes Zeichen gesetzt“, sagte
der internationale Sekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner, Harald
Voitl, laut Aussendung. Wolfgang Greif von der Gewerkschaft der
Privatangestellten räumte ein, dass es „Unterschiede und Widersprüche
zwischen den Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen“ gebe, das
Sozialforum habe aber die „große Entschlossenheit“ zur Überwindung
dieser Unterschiede gezeigt.

„Neoliberale Globalisierung“

Das Sozialforum habe sich in 18 Großkonferenzen und 150 Seminaren für
den Frieden und gegen den Krieg, für eine Demokratisierung aller
Lebensbereiche und gegen die „neoliberale Globalisierung“
ausgesprochen. Entgegen der „Angstkampagne der italienischen
Regierung“ seien die Teilnehmer friedlich gewesen. Die Delegationen
aus Österreich hoben auch die professionelle Vorbereitung und
Durchführung der Veranstaltung hervor.

Folgende Organisationen waren, gemeinsam mit vielen Einzelpersonen,
Teil der österreichischen Delegation: ATTAC, Gewerkschaft der
ChemiearbeiterInnen, Gewerkschaft der EisenbahnerInnen, Gewerkschaft
der Privatangestellten/Gewerkschaft Metall – Textil, Jugend für eine
geeinte Welt, KPÖ, Linkswende, Österreichische HochschülerInnenschaft,
Sozialistische Jugend Österreichs, Salzburg Social Forum, SOAL,
Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs, AKS.(APA)

2002-11-10-standard-attac

Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127576

Teil 1: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=302
Teil 2: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=303
Teil 3: https://www.imi-online.de/2

Presseschau: Erstes Europäisches Sozialforum in Florenz – Teil 2

Berichte aus Zeitungen und anderen etablierte Medien

von: Eurpäisches Sozialforum / Presseschau / Dokumentation | Veröffentlicht am: 2. Dezember 2002

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Teil 1: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=302
Teil 2: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=303
Teil 3: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=304

________________________________________

2002-11-10-standard-attac
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127576

derStandard.at
Europäisches Sozialforum

10. Nov, 2002
15:54 MEZ

ATTAC Österreich sieht Florenz als „Blamage für Berlusconi“

ATTAC-VertreterInnen „überwältigt“ vom Erfolg des Europäischen
Sozialforums

Florenz – „Wir sind überwältigt vom großen Erfolg, von der kreativen
Energie, den vielen Diskussionen, den neu entstandenen Netzwerken und
Projekten. Die globalisierungskritische Bewegung hat sich als ernst zu
nehmender politischer Faktor europaweit etabliert“, zog Christian
Felber, Sprecher von ATTAC Österreich, am Sonntag Bilanz des ersten
Europäischen Sozialforums von Florenz.

„Die mehr als eine halbe Million DemonstrantInnen am Samstag haben
gezeigt, dass es in Europa eine Mehrheit gegen den Angriffskrieg der
USA und ihrer Verbündeten auf den Irak gibt. Die europäische Politik
sollte auf diese Mehrheit hören und sich für eine globale
Friedenspolitik einsetzen“, erklärte Felber in einer Aussendung. „Ins
Leere gelaufen“ sei auch die „verantwortungslose
Diffamierungskampagne“ des italienischen Premiers Silvio Berlusconi
gegenüber dem Europäischen Sozialforum. Entgegen den wochenlang
produzierten Horrorszenarien sei das Sozialforum genauso verlaufen,
wie es von den Veranstaltern immer erwartet und betont wurde – nämlich
absolut friedlich.

„Das Spiel der italienischen Regierung und ihrer Medien zur
Diskreditierung der politischen Anliegen der ESF-TeilnehmerInnen und
zur nachträglichen Rechtfertigung des kriminellen behördlichen
Vorgehens in Genua ist gründlich in die Hose gegangen“, betonte auch
Karin Küblböck, Obfrau von ATTAC Österreich. „Es wird zukünftig nicht
mehr möglich sein, sich der Auseinandersetzung mit den Forderungen der
immer stärker werdenden globalisierungskritischen Bewegung durch
plumpe Kriminalisierungsstrategien zu entziehen“, so Küblböck
weiter. (APA)

2002-11-10-standard-streik
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127598

derStandard.at
Europäisches Sozialforum

10. Nov, 2002
16:41 MEZ

Appell zu europäischem Generalstreik gegen Krieg

Globalisierungsgegner rufen zu Einsatz gegen EU-Konvent auf –
No Global-Aktivisten wollen sich in Paris wiedertreffen

Florenz – Nach der Friedensdemo in Florenz stehen den
Globalisierungsgegnern neue Herausforderungen bevor. Zu den
Initiativen, zu denen die No Global-Aktivisten aufrufen, zählt ein
Protest gegen den EU-Konvent. „Die neue EU-Verfassung ist nicht auf
demokratischer Ebene diskutiert worden. Unserer Ansicht nach hätte die
Debatte über das europäische Grundgesetz auf demokratischere Weise
erfolgen sollen“, so der Sprecher der italienischen
Globalisierungsgegner, Vittorio Agnoletto.

Er rief die Globalisierungsgegner zu Protestinitiativen gegen die neue
europäische Verfassung auf, die im zweiten Semester 2003 in Rom
unterzeichnet werden soll. „Die italienischen Globalisierungskritiker
werden in Rom protestieren“, so Agnoletto.

Generalstreik gegen Krieg

Die No Global-Aktivisten in Florenz riefen zu einem europäischen
Generalstreik gegen den Krieg auf. „Wir müssen weiterhin Druck auf die
USA ausüben und unsere Opposition zum Krieg zum Ausdruck bringen“,
sagte ein Sprecher der Aktivisten. Die Delegationen der europäischen
Globalisierungskritiker verabschiedeten sich in Florenz: Sie wollen
sich nächstes Jahr in Paris wiedersehen.

„Mit der Friedensdemonstration in Florenz haben wir endgültig das
Kapitel von Genua 2001 abgeschlossen. Die Kundgebung ist ein Erfolg
der jungen Aktivisten und der Organisatoren, die sich gegen eine
Verlegung des Europäischen Sozialtreffens gewehrt haben, aber auch der
Sicherheitskräfte, die für einen friedlichen Verlauf der Demonstration
gesorgt haben“, sagte der Bürgermeister von Florenz, Leonardo
Dominici, zu Abschluss des Treffens am Sonntag. (APA)

2002-11-10-standard-berlusconi
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127238

derStandard.at
Europäisches Sozialforum

10. Nov, 2002
16:42 MEZ

Globalisierungsgegner fordern Entschuldigung von Berlusconi

Gruppensprecher Agnoletto: „Wir sind kriminalisiert worden“ – Eine
halbe Million Menschen nahm an Friedenskundgebungen in Florenz teil

Florenz – Nach dem erfolgreichen Friedensmarsch in Florenz, an dem
nach Angaben der Polizei eine halbe Million Personen teilgenommen
haben, fordern die Globalisierungsgegner Entschuldigungen von der
Regierung Berlusconi. „Wir sind kriminalisiert worden. Regierungschef
Silvio Berlusconi hat uns als Terroristen angeprangert, dabei hätte
die Massendemonstration in Florenz nicht friedlicher verlaufen
können“, betonte der Sprecher der italienischen Globalisierungsgegner,
Vittorio Agnoletto.

Die Massenbeteiligung an der Kundgebung ist vor allem ein Erfolg des
Florentiner Bürgermeisters, dem Politiker der oppositionellen
Linksdemokraten, Leonardo Dominici. Er hatte einen hartnäckigen
Widerstand gegen die Forderung der Regierung nach einer Verlegung des
Europäischen Sozialforums auf eine andere Stadt geleistet. Dominici
war deswegen von Berlusconi scharf attackiert worden. „Florenz ist
eine gewagte Wahl für das Europäische Sozialforum, es wird bestimmt zu
Verwüstungen kommen“, hatte der Ministerpräsident noch vergangene
Woche betont. „Wir haben Berlusconi bewiesen, dass ich Recht hatte und
dass Florenz für ein solches multikulturelles Treffen durchaus
geeignet ist“, frohlockte der Bürgermeister.

„Alarm war zu groß“

Auch viele Bewohner von Florenz, die die Demonstration erst mit
Skepsis, danach mit zunehmendem Interesse und sogar mit Enthusiasmus
beobachteten, beschuldigten die Regierung, zu großen Alarm um das
Europäische Sozialforum geschlagen zu haben. Sogar die Kaufleute, die
aus Angst vor Ausschreitungen während der Demonstration mehrheitlich

ihre Geschäfte gesperrt hielten, mussten zugeben, dass ihre Sorge vor
dem pazifistischen Demonstrantenstrom unbegründet war. „Wir müssen
einsehen, dass es in Florenz zu keinem zweiten Genua gekommen ist“,
betonten sie.

Regierungschef Berlusconi zeigte sich wegen des friedlichen Verlaufs
der Demonstration erleichtert. „Auch unter schwierigen Bedingungen hat
die Regierung das freie Demonstrationsrecht garantiert. Die Teilnehmer
am Europäischen Sozialforum haben positiv reagiert, indem sie auf
friedliche Weise an der Kundgebung teilgenommen haben“, betonte
Berlusconi. Er dankte der Polizei, die auf diskrete und effiziente
Weise für die Sicherheit des Treffens gesorgt habe. (APA)

2002-11-10-standard-bericht
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127674

derStandard.at
Europäisches Sozialforum

10. Nov, 2002
19:42 MEZ

Ein Gipfel ohne Gewalt in Florenz

Trotz Unkenrufen des italienischen Premiers Berlusconi ging das
europäische Sozialforum in Florenz überaus friedlich über die Bühne

Das war das „Comeback der paneuropäischen Friedensbewegung“ – so sahen
es viele bei der Abschlussveranstaltung des europäischen Sozialforums,
das am Sonntag in Florenz zu Ende ging. Fünf Tage lang diskutierten
Delegierte aus ganz Europa über die soziale Entwicklung und die
Zukunft der globalisierungskritischen Bewegung. Zu den Veranstaltern
gehörten Gewerkschaften, verschiedene linke Organisationen und das
Netzwerk Attac.

Als Resultat des Gipfels wurde beschlossen, eine eigene Charta im Zuge
der europäischen Verfassungsfindung zu verabschieden, um aus der EU
eine „Europäische Sozialunion“ zu formen. Hundert- tausende Menschen
protestierten auch gegen den drohenden Krieg gegen den Irak.

Kritik an Berlusconi

Der friedliche Verlauf der Massenkundgebung und die Vernetzung
zwischen den verschiedenen Organisationen stärkten das
Selbstbewusstsein der Forumsteilnehmer sichtlich. Mobilisiert wurde
auch für das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre, welches
im Jänner 2003 stattfinden wird. Das Verhalten des italienischen
Premiers Silvio Berlusconi, der im Vorfeld von Tausenden Terroristen,
die Florenz stürmen würden, gesprochen hatte, war Gegenstand heftiger
Kritik. „Wir sind zu Unrecht kriminalisiert worden“, meinte etwa der
Mitorganisator Vittorio Agnoletto. Berlusconi selbst zeigte sich über
den friedlichen Verlauf der Demonstrationen erleichtert.

Tatsächlich ging nach Polizeiangaben bei der Massenkundgebung am
Samstag trotz einer Rekordteilnehmerzahl nicht einmal eine
Fensterscheibe zu Bruch. Die Behörden sprachen von 540.000 Menschen,
die Veranstalter von einer Million.

Die Behörden waren offensichtlich um Deeskalation bemüht. Die rund
6000 Exekutivbeamten begleiteten die Kundgebung in Nebenstraßen, es
kam zu keiner einzigen Konfrontationssituation.

Auch die Bewohner von Florenz zeigten sich erleichtert über den
friedlichen Verlauf, viele bekundeten Solidarität mit den
Globalisierungskritikern. Florentiner Geschäftsleute, die aus Angst
vor Vandalismus ihre Läden geschlossen hielten, ärgerten sich über das
verpasste Geschäft: Hungrige Demonstranten irrten zu Tausenden auf der
Suche nach geöffneten Restaurants durch die Stadt.

Die Lokale der Fastfoodkette McDonald’s waren überhaupt ganz und gar
aus dem Stadtbild von Florenz verschwunden: die Geschäftsführung hatte
die Firmenlogos vorsorglich abmontieren lassen. „Vielleicht wissen sie
inzwischen selbst, dass ihre Geschäftspolitik falsch ist“, meinte der
französische Bauernführer José Bové. „Ich hoffe, dass diese Läden bald
für immer schließen.“

(Lea Friessner/Michael Vosatka/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2002)

2002-11-10-independent
Independent.co.uk

Florence engulfed by world’s biggest protest against Iraq war

By Peter Popham in Florence

10 November 2002

The biggest demonstration in the world so far against war in Iraq
engulfed Florence yesterday, at least doubling the city’s population
of 350,000 and turning the city’s inner ring-road into a mighty river
of protest. The organisers claimed that more than 400,000 people took
part.

Rumours of violence planted by Italy’s right-wing parties over recent
months persuaded most city businesses to close for the day and many
Florentines to leave the city. But the enormous march was resoundingly
good humoured. Some participants carried signs reading „We love you
Florence“; citizens responded by hanging white banners of peace out of
their windows and throwing confetti on to the marchers.

„This is the first all-Europe demonstration against the war on Iraq,“
Vittorio Agnoletto, the Italian organiser, told The Independent on
Sunday. „But it won’t be the last: tomorrow we are meeting to plan

future protests. We are Italy’s real opposition ? more than 300
different Italian organisations are taking part. And I am sure there
will be no violence. Look, we are laughing. We cannot change the world
with our anger, only by building consensus.“

The protest was more like acarnival than a confrontation. The police
were invisible. Huge contingents from Italy, Britain, France, Germany
and Greece marched alongside striking Fiat workers, brass bands and
giant puppets.

The demonstration brought to a resounding conclusion Florence’s
four-day European Social Forum.

„The war on Iraq is the beginning of a new grand strategy for the
United States,“ said Susan George, the American vice-chair of the
French group Attac, „the first war not justified by the containment of
aggression.

A member of Vietnam Veterans Against the War said: „We, soldiers in
previous wars, are telling the soldiers of today, don’t fight.“

2002-11-10-koelner_stadtanzeiger
Quelle: http://www.ksta.de/artikel.jsp?id=1036936202728

Kölner Stadt-Anzeiger

Der globalisierte Widerstand verlief friedlich

VON PETER LINDEN, 10.11.02, 18:17h, aktualisiert 20:28h

Befürchtungen, es könne zu einem Ausbruch der Gewalt kommen,
zerschlugen sich – der Protest des »Europäischen Sozialforums«
verlief friedlich.

Florenz – Aus den Häusern regnete es Konfetti und Schokolade, aus
offenen Fenstern wurde den Demonstranten Kaffee, Wasser und Brot
heraus gereicht, an den Straßenrändern applaudierten Zehntausende von
Einheimischen. Vermutlich hatten auch die 50 Kölner Studenten, die in
einem Sonderbus zum »Europäischen Sozialforum« in Florenz aufgebrochen
waren, mit einem derartigen Finale nicht gerechnet. Mehr als eine
halbe Million Menschen, darunter Vertreter zahlreicher
globalisierungskritischer Organisationen, zogen auf einem gut sechs
Kilometer langen Marsch vom Messegelände der toskanischen Hauptstadt
bis zum Fußballstadion und demonstrierten friedlich gegen den
geplanten Krieg gegen den Irak und die Ungerechtigkeiten des
Neoliberalismus. Von fast einer Million Teilnehmer sprachen die
Organisatoren, von 450 000 die Behörden.

Ungewöhnliche Schärfe

Spannung lag in der Luft, schon in den Tagen vor der Demonstration,
als immerhin 60 000 Menschen in 340 Seminaren und Workshops die
konkrete Ausgestaltung ihres Leitmotivs »Eine andere Welt ist möglich«
diskutierten. Denn mit ungewöhnlicher Schärfe hatten zunächst die
italienische Regierung und später die konservative Presse gegen das
Sozialforum Position bezogen. So erwog das Kabinett Silvio Berlusconis
noch zehn Tage vor Eröffnung der Veranstaltung ein Verbot, die Rede
war von »Verwüstungen«, die der Stadt Florenz drohten und von einem
Gesetz zum Schutz historischer Monumente vor jeder Art von politischer
Kundgebung. Zudem war das Abkommen von Schengen außer Kraft gesetzt
worden, was zu großen Verzögerungen an den Grenzen führte.

Aus dem Bus der Kölner Studenten war zunächst zwei Mitgliedern von
»Attac« die Einreise verwehrt worden, ehe sich Anwälte einschalteten,
die vorsichtshalber die Arbeit der Grenzpolizei überwachten. Noch
während des durchweg friedlichen Forums hielten zudem die Polemiken
der berühmten Publizistin Oriana Fallaci an, die im
regierungsfreundlichen »Corriere della Sera« die
Globalisierungskritiker pauschal als »elende Söldner« bezeichnet hatte
und sie mit den deutschen Truppen verglich, die 1944 in Florenz
Brücken gesprengt und komplette Straßenzüge verwüstet hatten. Fallaci
rief ihre Mitbürger auf, »Türen und Fensterläden zu schließen, die
Kinder nicht in die Schulen zu schicken«, und überall ihre
»Verachtung« zu zeigen. Erfolg hatte sie vornehmlich bei zahlreichen
Geschäftsleuten, die sich am Samstag wahrscheinlich hohe Einnahmen
entgehen ließen; jene, die öffneten und mit dem überall präsenten
Schild »Florenz – Offene Stadt« um Kunden warben, konnten sich vor
Andrang jedenfalls kaum retten.

Auch, wenn Berlusconi angesichts der friedfertigen Massen noch am
Samstag rückwärts ruderte und verkünden ließ, seine Regierung habe
schließlich die Demonstrationsfreiheit »geschützt« – den Erfolg des
Forums können sich allein die Veranstalter sowie die linke
Stadtregierung unter Bürgermeister Leonardo Domenici auf ihre Fahnen
schreiben. Domenici sagte am Rande der Demonstration, es gebe nun
wohl einige Personen, »die sich bei uns entschuldigen müssen«. Von
Anfang an hatte er das Forum begrüßt und den Teilnehmern sogar Briefe
aushändigen lassen, die ermäßigten oder freien Eintritt in die
angeblich bedrohten Museen garantierten. Das Forum selbst war ein
chaotisches, aber auch ein produktives Treffen einer Bewegung, die
2001 nach dem G8-Gipfel von Genua aus dem Schattendasein trat und
seither Hunderttausende mobilisiert.

Chaotisch, weil niemand die Gelegenheit hatte, die 340
Diskussionsrunden zu überblicken oder gar zu besuchen, und weil sich
die Globalisierungskritiker nach wie vor als äußerst schillernde
Gruppe präsentieren: Umweltschützer, Anarchisten, Marxisten,
Gewerkschafter, Kommunisten, Menschenrechtler sind

versammelt. Produktiv, weil überall der Wille zu gemeinsamem Handeln
im Vordergrund stand und zur Umsetzung einer Parole, unter der das
ganze Forum firmierte: »Globalisiert den Widerstand«.

Am Ende tauchte noch der grüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele
auf. Der deutsche Parlamentarier kündigte einmal mehr an, unter keinen
Umständen für einen Krieg gegen den Irak zu stimmen. Welche Kraft die
Bewegung der Globalisierungskritiker im Ausland gewonnen hat, zeigte
sich vor allem während der anschließenden Rede Fausto Bertinottis,
dessen »Rifondazione Comunista« in vielen Gemeinden Italiens
mitregiert, und deren Stimmanteil sich in Umfragen der
Zehn-Prozent-Marke nähert. Bertinotti warb erst gar nicht für eine
Versöhnung der jungen Bewegung mit den alten, stalinistischen
Parteien. Immer sei es so gewesen, sagte der 62-Jährige unter dem
Jubel von über 10 000 jungen Menschen, dass Politik auf den Straßen
und Plätzen gemacht werde: »Die kapitalistische Globalisierung hat
alle ihre Versprechen gebrochen.«

Ein anderes Versprechen gaben hingegen Regierungschef Berlusconi und
der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi. Sie
erklärten, es sei höchste Zeit, sich ernsthaft mit den
Globalisierungskritikern auseinander zu setzen. Zu lange habe man sie
ignoriert oder isoliert. Inzwischen reichten ihre Bedenken bis weit
hinein in die Parlamente hinein. »Ab jetzt müssen wir sie hören«,
sagte Prodi, der sich häufig negativ über die »konfusen«
Globalisierungskritiker geäußert hatte. Er fügte hinzu: »In diesen
Zeiten der Veränderung ist die Stimme der jungen Menschen von größter
Bedeutung«.

Copyright 2002 Kölner Stadt-Anzeiger

2002-11-10-netzeitung
URL dieses Artikels: http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214671

Netzeitung

Hunderttausende protestieren gegen Irak-Krieg
09. Nov 16:19, ergänzt 10. Nov 00:06

In Florenz sind mehrere hunderttausend Menschen gegen einen Irak-Krieg
auf die Straße gegangen. Die Demonstration war der Höhepunkt des
Europäischen Sozialforums.

In Florenz haben am Samstag mehrere hunderttausend Menschen gegen
einen Irak-Krieg demonstriert. Beobachter schätzen die Zahl der
Teilnehmer auf 300.000. Der Protestmarsch startete eine Stunde früher
als geplant, weil am Startpunkt nicht mehr genügend Platz für die
ankommenden Menschen war.

Die Proteste verliefen friedlich. Bis zu 6000 Polizisten waren im
Einsatz. Die Polizei befürchtete Ausschreitungen wie beim G8-Gipfel in
Genua im vergangenen Jahr. Die Großdemonstration galt aber auch als
Bewährungsprobe für die italienische Polizei, nachdem es am Einsatz
während des G8-Gipfels heftige internationale Kritik gegeben
hatte. Italienische Polizisten hatten einen Demonstranten erschossen
und hunderte verletzt.

Die Massendemonstration gegen einen Irak-Krieg war der Höhepunkt des
Europäischen Sozialforums. Etwa 50.000 Menschen hatten seit Mittwoch
in Konferenzen, Seminaren und Workshops über die Themen
Neoliberalismus, Rassismus, Armut und Krieg diskutiert. Das
Sozialforum wurde unter anderem von Gewerkschaften, linken
Organisationen und dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac
veranstaltet. (nz)

MEHR IN DER NETZEITUNG
Sozialforum gegen Militarisierung der EU
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214579
Demonstranten an Grenze zu Italien abgewiesen
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214267
200.000 Demonstranten bei Sozialgipfel in Florenz erwartet
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214081
Krawalle bei Sozialforum in Florenz befürchtet
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=213616

2002-11-10-news_ch
Quelle: http://www.news.ch/detail.asp?ID=123567

news.ch
Sonntag, 10. November 2002 / 11:23:27

Globalisierungsgegner fordern Entschuldigung von Berlusconi

Florenz – Nach dem erfolgreichen Friedensmarsch in Florenz, an dem
nach Angaben der Polizei eine halbe Million Personen teilgenommen
haben, fordern die Globalisierungsgegner Entschuldigungen von der
Regierung Berlusconi.

Wir sind kriminalisiert worden. Regierungschef Silvio Berlusconi hat
uns als Terroristen angeprangert, dabei hätte die Massendemonstration
in Florenz nicht friedlicher verlaufen können, betonte der Sprecher
der italienischen Globalisierungsgegner, Vittorio Agnoletto.

Die Massenbeteiligung an der Kundgebung ist vor allem ein Erfolg des
Florentiner Bürgermeisters, dem Politiker der oppositionellen
Linksdemokraten, Leonardo Dominici. Er hatte einen hartnäckigen
Widerstand gegen die Forderung der Regierung nach einer Verlegung des
Europäischen Sozialforums auf eine andere Stadt geleistet.

Dominici war deswegen von Berlusconi scharf attackiert worden. Florenz
ist eine gewagte Wahl für das Europäische Sozialforum, es wird
bestimmt zu Verwüstungen kommen, hatte der Ministerpräsident noch
vergangene Woche betont. Wir haben Berlusconi bewiesen, dass ich Recht
hatte und dass Florenz für ein solches multikulturelles Treffen
durchaus geeignet ist, sagte Dominici.

Auch viele Bewohner von Florenz, die die Demonstration erst mit
Skepsis, danach mit zunehmendem Interesse und sogar mit Enthusiasmus
beobachteten, beschuldigten die Regierung, zu grossen Alarm um das
Europäische Sozialforum geschlagen zu haben.

Regierungschef Berlusconi zeigte sich wegen des friedlichen Verlaufs
der Demonstration erleichtert. Auch unter schwierigen Bedingungen hat
die Regierung das freie Demonstrationsrecht garantiert.

Die Teilnehmer am Sozialforum hätten positiv reagiert, indem sie auf
friedliche Weise an der Kundgebung teilgenommen hätten. Berlusconi
dankte der Polizei für die diskrete und effiziente Weise, welche für

die Sicherheit des Treffens gesorgt habe.

fest (Quelle: sda)

2002-11-10-nyt
The New York Times Sponsored by Starbucks
November 10, 2002

Florence Wary as Opponents of War Stage a Huge March

By FRANK BRUNI

FLORENCE, Italy, Nov. 9 Hundreds of thousands of demonstrators marched
through the streets here today to protest a possible military strike
against Iraq, chanting antiwar slogans and throwing this Renaissance
capital into a jittery state of alert.

The protesters represented a loose coalition of opponents of
globalization who came here this week for a political
conference. Tense Italian government officials feared a reprise of the
bloodshed and chaos that erupted at an antiglobalization demonstration
in Genoa last year.

About 5,000 police officers fanned out across the city to monitor the
march and guard Florence’s artistic and architectural treasures, some
of which were also fenced off for protection. Hundreds of stores and
restaurants closed, covering their glass facades with sheets of metal
or plywood, as if preparing for a hurricane.

But by this evening, as marchers danced at a concert outside a stadium
at the end of the four-mile route, there were no reports of serious
violence.

The protesters toted placards, flags and banners in half a dozen
European languages, many of which urged President Bush and Western
European leaders not to attack Iraq.

„I think it’s important to send a clear message to Bush and world
leaders that if they go to war in Iraq, they’re not doing it for a
majority of people, and a lot of people object,“ said Darrell
Goodliffe, 21, who had traveled to Florence from a small town near
Cambridge, England.

Other demonstrators said their opposition to the war and their qualms
over globalization were connected by a conviction that Western
governments were motivated more by greed or imperialism and
mistreating the world’s less powerful people.

„We’re protesting for peace in general, in every possible sense, in
every possible meaning,“ Martina Cambi, 27, of Florence, said as she
used eyeliner to paint Y-like shapes on the brows of friends. They
worried aloud that the result looked more like Mercedes symbols than
peace signs.

Amadeo Rossi, 48, of Turin, Italy, said he was demonstrating „against
the war in Iraq, the mistreatment of immigrants and the abuses of the
Italian government all of the problems in the world.“

Although forum organizers said there were as many as a million people
at the march, the official government estimate was 450,000.

Many of the demonstrators arrived in Florence on Wednesday, at the
beginning of a five-day conference of a coalition calling itself the
European Social Forum. It was intended to unite various groups, from
environmentalists and labor unions to latter-day Communists, with
concerns about globalization.

The last huge antiglobalization demonstration in Italy was during a
summit meeting of the world’s major industrialized nations in Genoa in
July 2001. Rioting broke out, and one protester was shot dead by a
Carabinieri paramilitary officer, while hundreds more were wounded in
clashes with the police.

Still haunted by that melee, Italian officials debated whether to
allow demonstrators to gather here this week. They approved the event
only after deciding to tighten border controls in an effort to turn
away demonstrators with criminal backgrounds.

The event’s organizers, for their part, agreed to move the route of
the march, the highlight of the five-day gathering, away from the city
center.

Even so, a fierce debate among Italians about the wisdom and merit of
the forum persisted. On Wednesday, one of the country’s leading
newspapers, Corriere della Sera, published a front-page opinion piece
by the journalist Oriana Fallaci, a native of Florence, who denounced
the protesters and urged Florentines to spurn them.

„Don’t even look at them,“ wrote Ms. Fallaci, who also recommended
that Florentines shutter the entire city. She said the protesters were
demanding peace from Mr. Bush, but not from President Saddam Hussein
of Iraq or Osama bin Laden.

The days leading up to the march were peaceful, but many Florentines
had already fled town, leaving the narrow cobblestone streets in the
city center oddly deserted.

Demonstrators said Florentines had misunderstood their
intentions. „There are no barbarians here, only young people against
war who want to meet and exchange ideas,“ said Leonardo Sacchetti, a
spokesman for the forum.

Those young people seemed to be in a frame of mind more festive than
combative, and at one point, when a minor scuffle broke out between
about a dozen protesters, other protesters shouted, „Shame! Shame!“

As the demonstrators marched, many blew whistles, a shrill sound that
competed with music from a 25-piece band. Others ate pizza as they
walked, while a few glided along on in-line skates. A young woman with
face paint that resembled a clown’s climbed up a tree, then swung
around the branches as if they were uneven parallel bars.

Whenever demonstrators passed stores with boarded-up windows, they
scribbled notes on the wood.

The message outside a closed McDonald’s restaurant said, „We wouldn’t
have gone in, anyway.“

On the plywood in front of a shop, someone had written, „Closed for
stupidity.“ Someone else had scrawled, „Hello, Oriana.“

But another marcher had left a slightly sinister message. „I will
return when you’re open, and then . . .“ it said.

Copyright The New York Times Company

2002-11-10-vistadpa
Quelle: http://www.vistaverde.de/news/Politik/0211/09_sozialforum.htm

VistaVerde / dpa
10.11.2002

Anti-Global-Gipfel in Florenz: Bunt, verwirrend und undogmatisch

Vielfältig und verwirrend ist das Angebot auf dem ersten europäischen
«Anti-Global-Gipfel» in Florenz. Der drohende Krieg gegen den Irak ist
jedoch das beherrschende Thema.

Von Peer Meinert, dpa

Florenz (dpa) – Bevor sich die Globalisierungs-Kritiker am Donnerstag
in Florenz zu ihrer Konferenz zusammensetzten, gab es erst einmal eine
Demonstration gegen die Amerikaner. Vor einer US-Militärbasis
verbrannten sie eine US-Flagge und schwenkten rote Fahnen. Ein paar
Tausend Leute waren dabei, alles verlief ruhig. Kein Thema bewegt das
«Europäische Sozialforum» mehr als der drohende Waffengang gegen den
Irak. Zum Thema Krieg gibt es Seminare, Workshops und jede Menge

Plakate. Jeder fühlt sich angesprochen. «Bundeswehr raus aus der
Golfregion», heißt es auf einem Plakat, sogar auf Deutsch.

«Globalisierung und Krieg: Zwei Seiten der gleichen Medaille», nennt
sich ein Workshop auf dem riesigen Kongressgelände der
Toskana-Metropole. «Der globalisierte Kapitalismus braucht den Krieg,
um sich durchzusetzen». Das klingt nach alten, gefälligen Formeln aus
den Zeiten der Studentenbewegung.

Andere Themen drohen da fast ein bisschen unterzugehen. Vielfältig und
verwirrend ist das Angebot auf dem ersten europäischen
«Anti-Global-Gipfel». Viele der etwa 15.000 Teilnehmer rückten am
Donnerstag mit Rucksack und Thermomatte auf dem Rücken an. Es ist
nicht gerade einfach, sich zurechtzufinden.

Da gibt es Veranstaltungen wie «Lesben, Schwule und Globalisierung»,
Frauen aus Frankreich berichten über «Die Wurzeln der
Männerherrschaft». Ökologen meinen, die jüngsten Überschwemmungen in
Prag und Dresden seien ein Ausdruck der globalen Umweltkrise. Und
selbst der Mann, der die belegten Brötchen verkauft, nutzt die Chance
zur politischen Botschaft: «Die italienische Landwirtschaft stirbt»,
steht über seinem Stand geschrieben. Schuld seien gentechnisch
manipulierte Produkte und die Herrschaft der Agrar-Multis.

Es sind nicht nur junge Leute, die nach Florenz gekommen sind. Auch
Ältere sind dabei, gar nicht so wenige leicht angegraut, manche haben
Jahrzehnte der «Opposition gegen das System» hinter sich. Tatsächlich
ist die Bewegung der Globalisierungs-Kritiker erst ein paar Jahre
jung, aber manche Botschaften sind viel älter.

Da referiert etwa eine auch nicht mehr ganz junge Belgierin bei der
Eröffnungsveranstaltung gegen die Verschuldung der Dritten Welt. «In
20 Jahren hat die Dritte Welt 3500 Milliarden Dollar an die reichen
Länder bezahlt.» Zum «Instrument der Erpressung» sei die Schuldenfalle
geworden. Schon 1991 hätten die Amerikaner die Regierung in Kairo nur
zum Mitmachen im Golfkrieg bewegen können, weil sie ihr großzügigen
Schuldenerlass versprochen hätten.

«Der große Unterschied zur Studentenbewegung ist es, dass die
Globalisierungs-Kritiker keinen Absolutheitsanspruch haben», meint ein
älterer Herr aus Deutschland, der sich selbst als «marxistisch
denkender Mensch» bezeichnet. Tatsächlich gibt in Florenz kaum mehr
eine Gruppe vor, so etwas wie ein Patentrezept gegen die Übel der Welt
gefunden zu haben. «Es gibt auch keine Beschlüsse und keine
Abschlusspapiere.» Auch politische Parteien sind «ausdrücklich
unerwünscht». Statt dogmatischer Verengung herrscht in Florenz bunte
Vielfalt. Nur für die große Abschluss-Demonstration am Samstag ist der
Gegner klar ausgemacht – die Kriegspläne der Amerikaner gegen den
Irak.

2002-11-10-interviewdpa
Quelle: http://www.vistaverde.de/news/Politik/0211/10_sozialforum.htm

VistaVerde / dpa
10.11.2002

Globalisierungs-Kritiker: «Wir sind nicht gegen den Weltmarkt»

Das Treffen der Globalisierungs-Kritiker in Florenz hat nach den
Worten eines Experten deutlich gemacht, dass sich die Bewegung von
einer einseitigen Ablehnung des Welthandels und der wirtschaftlichen
Globalisierung verabschiedet hat.

Florenz (dpa) – «Wir sind nicht gegen den Weltmarkt», sagte der
Sprecher der deutschen ATTAC- Sektion, Hugo Braun, in einem
dpa-Gespräch. «Im Gegenteil: Der Zugang zum Weltmarkt ist für jedes
Land unerlässlich.» Entscheidend sei aber, dass «die Globalisierung
sozial, gerecht und demokratisch gestaltet wird». Zugleich bestritt
er, dass die Mehrheit der Globalisierung-Kritiker anti-amerikanisch
eingestellt sei.

Das ATTAC-Netzwerk, das in über 20 Ländern aktiv ist, bekämpft die
«Diktatur der Finanzmärkte» und fordert Steuern auf internationale
Finanztransaktionen (Tobin-Steuer) und Schuldenerlass für die Dritte
Welt. «Es ist gerade eines der größten Übel, dass viele
Entwicklungsländer keinen echten Zugang zum Weltmarkt haben», sagte
Braun etwa mit Blick auf Agrarprotektionismus der EU. Dies müsse
endlich verändert werden.

«Nach wie vor sterben jeden Tag 30 000 Kinder an Hunger und
vermeidbaren Krankheiten», sagte Braun. Diese Zahl habe sich seit
vielen Jahren kaum verringert. «Es wird einfach immer klarer, dass der
heutige Prozess der wirtschaftlichen Globalsierung nicht in der Lage
ist, die Probleme der Menschheit zu lösen.» Diesem Phänomen schenkten
auch die europäischen Linksparteien zu wenig Beachtung.

Zugleich widersprach Braun der These, Globalisierungs-Kritiker seien
zumeist anti-kapitalistisch eingestellt. «Gerade etwa die ökonomischen
Erfolge in China zeigen, dass man die Vorteile des Marktes mit denen
der Planung verbinden kann.» Allerdings sei «der Marxismus nicht
unmodern geworden», meinte Braun. Die «neue Bewegung» zeichne sich
gerade dadurch aus, dass sie Dogmatismus ausschließe.

Auch Terrorismus und Gewalt als Mittel der Politik lehne sie eindeutig
ab. «Die Bewegung ist nicht anti-amerikanisch», man sei allerdings
entschieden gegen einen Irakkrieg. «Dieses Thema haben nicht die
Globalisierungs-Kritiker erfunden, das hat uns George Bush diktiert.»

2002-11-10-tagesschau_giegold_interview

tagesschau.de

10.11.2002

Globalisierung – Bedrohung oder Königsweg?

Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz gegen einen möglichen
Irak-Krieg demonstriert. Die Kundgebung ist Abschluss und Höhepunkt des
Europäischen Sozialforums der Globalisierungsgegner.

Vor Ort ist einer der Mitbegründer der deutschen ATTAC-Bewegung, Sven Giegold. Der 32-jährige Ökonom betrachtet die derzeitige Entwicklung eher mit Sorge. Globalisierung, so Giegold, habe viele Vorteile, führe aber gleichzeitig zu einer fundamentalen sozialen Lücke.

Oliver Knipping, Chef des „Instituts für unternehmerische Freiheit“ in Berlin, vertritt dagegen eine andere Position. Knipping macht sich für ungebremsten Freihandel und gegen jede Form der staatlichen Intervention stark.

tagesschau.de sprach mit Giegold und Knipping über ihre Vorstellungen von
Globalisierung, die Zukunft des Kapitalismus und das Treffen in Florenz. Beide beantworteten die gleichen Fragen, jedoch getrennt voneinander, zur besseren Lesbarkeit wurden die Antworten zusammengefügt.

Globalisierung ja – aber anders

tagesschau.de: Was sind Ihrer Meinung nach die entscheidenden Aspekte der
Globalisierung?

Giegold: Globalisierung hat natürlich soziale, kulturelle und ökonomische
Aspekte. Im positiven Sinne: Menschen begegnen sich, Ideen fließen um den
Globus. Das sind Dinge, die richtig und gut sind. Auf der anderen Seite gibt es die ökonomische Globalisierung, die viele Vorteile hat, aber zu einer fundamentalen sozialen Lücke führt. Die Regulierung, die bisher soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Ökologie zumindest ein Stück weit gesichert hat, verbleibt auf der nationalstaatlichen Ebene, während das Kapital inzwischen global agiert und damit den sozialen Kontrakt, den wir geschlossen haben, aufhebelt. Es gibt keine globale Staatlichkeit, die in irgendeiner Form die wirtschaftlichen Kräfte zivilisiert.

Knipping: Entscheidende Aspekte der Globalisierung wären theoretisch Freihandel und freies Unternehmertum. Das gibt es aber heute nicht. Daher bin ich auch nicht für eine Globalisierung, wie wir sie heute haben. Richtig wäre Freihandel und freies Unternehmertum ohne Regulierung: Ohne staatliche Willkür, ohne staatliche Intervention in individuelle und unternehmerische Handlungsfreiheit.

tagesschau.de: Welche Zukunft prophezeien Sie dem kapitalistischen
Wirtschaftssystem? Ist ein Gegenentwurf oder eine Weiterentwicklung
erforderlich?

Giegold: Attac hat keine umfassende Position zur Frage des Kapitalismus oder der Zukunft des Kapitalismus. In jedem Falle bedarf eine Globalisierung des kapitalistischen Systems aber einer intensiven Regulierung und Kontrolle. Das heißt wir brauchen soziale, ökologische und demokratische Standards, einerseits auf der internationalen Ebene, damit die Nationalstaaten nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können. Und zweitens brauchen wir auf der nationalen Ebene Reformen, die soziale, ökologische und demokratische Standards auch unter den Bedingungen der Globalisierung auf einem hohen Niveau haltbar machen.

Knipping: Ich prophezeie dem kapitalistischen Wirtschaftsentwurf die einzige Zukunftschance. Jeder Gegenentwurf hat einfach keine Chance. Leider Gottes haben wir jetzt auch nichts, was irgendwie mit Kapitalismus zu tun hat. Heute haben wir Enteignung sämtlicher Bürger in Deutschland und im Ausland. Steuern sind meiner Ansicht nach Diebstahl. Wenn wir eine Staatsquote von 50 Prozent haben, kann man das überhaupt nicht mehr als Marktwirtschaft bezeichnen. Dann ist das einfach eine Staatswirtschaft.

Kapitalismus und Wohlstand

tagesschau.de: Die reichen Länder werden immer reicher, die armen werden immer ärmer: Wie kann man diese Entwicklung aufhalten?

Giegold: Der Fakt ist nicht ganz richtig: Einige der armen Länder haben es dank Globalisierung auch geschafft, reicher zu werden. Aber viele andere haben keine Vorteile erreichen können. Es gibt international unfaire Spielregeln. Im Welthandel ist es so, dass Agrarprodukte und Textilien, die vor allem arme Länder produzieren, unfaire Zugangsbedingungen haben. Im Finanzbereich hat die Öffnung der Finanzmärkte, dieses völlig unregulierte Hinein- und Hinausfließen von Kapital, den ärmsten Ländern stark geschadet. Das heißt: Es braucht Spielregeln und Strukturen, die absichern, dass arme Länder daran partizipieren können. Natürlich müssen auch die Entwicklungsländer selbst ihren Beitrag dazu leisten, indem sie stabile Strukturen vor Ort schaffen. Es sind nicht nur die armen Länder selbst verantwortlich. Es sind auch die globalen unfairen Strukturen, die vom internationalen Währungsfonds, von der Welthandelsorganisation und der Weltbank vorangetrieben werden, die zur Vertiefung der Ungleichheit beitragen. Natürlich müssten die Schulden der armen Länder gestrichen werden.

Knipping: Wenn Sie sich Statistiken ansehen, dann wird sehr deutlich, dass
gerade durch die Globalisierung und das freie Unternehmertum zwar reiche Länder reicher geworden sind, aber gleichzeitig die Wachstumsrate in armen Ländern die Wachstumsrate wesentlich höher war als in Industrieländern. Das ist in Entwicklungsländern und auch in Transformationsländern, in ganz Osteuropa zum Beispiel, der Fall. Auch sind die Lebenserwartung, das
Wirtschaftswachstum und das Pro-Kopf-Einkommen gestiegen. Statistiken
zufolge haben die Länder, die am wenigsten frei sind, ein Pro-Kopf-Einkommen von etwa 2210 US-Dollar. Die reichsten Länder, das sind gleichzeitig auch die freiesten (mit den freiesten Wirtschaftssystemen), haben dagegen ein Pro-Kopf-Einkommen von 19.846 US-Dollar. Es gibt also eine Korrelation zwischen Freiheit, also unternehmerischer und individueller Freiheit, und Wohlstand und Wachstum.

Regulierung oder freier Markt?

tagesschau.de: Unternehmerische Freiheit oder staatliches Eingreifen was kann das Wohl einer Gemeinschaft besser gewährleisten?

Giegold: Das ist eine falsche Alternative. Es geht nicht um Entweder-Oder.
Unternehmerische Freiheit ist zum Beispiel gut, um das Schuhe-Verkaufen in der Republik zu organisieren. Auch viele andere wirtschaftliche Funktionen können durch den Markt vernünftig erfüllt werden. Aber wenn es darum geht, das Überleben auf unserem Planeten zu sichern, im Umweltbereich Maßnahmen
durchzuführen, dafür zu sorgen, dass Wohlstand gleichmäßig verteilt ist, dass Menschen in vernünftigen Arbeitsbedingungen arbeiten und ein Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet ist: Das kann der Markt aus sich heraus nicht generieren. Dafür braucht man Regulierung. Das haben wir gelernt seit dem „Manchester-Kapitalismus“. Damit Kapitalismus nicht tyrannisch wird, braucht man eine starke Regulierung in verschiedenen Bereichen. Es geht um eine intelligente Kombination. Genau diese Kombination ist in Zeiten der
Globalisierung aber in Gefahr, weil es dabei immer schwieriger wird, staatliche Regulierung noch aufrechtzuhalten. Das Kapital kann immer sagen: Dann gehen wir eben woanders hin.

Knipping: Das Wohl einer Gesellschaft kann natürlich nur individuelle und
unternehmerische Freiheit garantieren. Der Staat das sagte schon Friedrich
August von Hajek, der große liberale Ökonom und Nobelpreisträger kann einfach nicht planen. Es ist nicht möglich zentralplanerisch zu planen, weil der Staat einfach kein wirtschaftliches Optimum vorherbestimmen kann. Das geht nur durch individuelle und marktliche Entscheidung. Der Markt ist ein Suchmechanismus. Man könnte ihn auch als Entdeckungsverfahren bezeichnen, wie Hajek das gemacht hat. Und nur der führt zur optimalen Lösung, nicht irgendwelche staatlichen Interventionen, allein schon auf Grund mangelnden Wissens.

Regulierung ist von Interessen geprägt

tagesschau.de: Was halten Sie von einer weltweiten wirtschaftspolitischen
Steuerung durch Organisationen?

Giegold: Wir brauchen stärkere globale wirtschaftliche Institutionen. Es gibt einen Mangel an Regulierung auf der internationalen Ebene. Auf der anderen Seite hängt es natürlich entscheidend davon ab, in wessen Interesse dort reguliert wird. Zur Zeit gibt es in wichtigen Feldern wie zum Beispiel derFiskalpolitik viel zuwenig internationale Kooperationen. Dagegen gibt es in Bereichen, in denen es um die Durchsetzung harter ökonomischer Interessen geht, sehr erfolgreiche Regulierung. Sie operiert allerdings im Interesse einer kleinen Minderheit. Ich zitiere den Internationalen Währungsfonds oder auch die Welthandelsorganisation. Dort wird ganz bewusst in einer Weise Globalisierung gestaltet, die nur wenigen nützt und nicht der Mehrheit, insbesondere den Ländern des Südens nicht.

Knipping: Eine weltweite wirtschaftspolitische Steuerung ist erstens nicht
möglich, weil einzelne Länder ausscheren würden. Zweitens halte ich es für
kompletten Unsinn, eine weltweite wirtschaftspolitische Steuerung zu machen und auch weltweite wirtschaftspolitische Steuern zu implementieren. Man kann kein Optimum planen. Das hat die gesamte Sowjetunion versucht, das versuchte China jahrelang, das versuchte Nord-Korea. Schauen Sie sich Nord- und Süd-Korea an und überlegen Sie, wo Sie selbst lieber leben würden: In einem zentralgeplanten Staat, der bettelarm ist oder in Süd-Korea, das mittlerweile zu den zehn größten Wirtschaftsnationen gehört und in den sechziger Jahren ein Niveau hatte wie Bangladesch. Freiheit bringt Wachstum und Wohlstand für die Bevölkerung, eine längere Lebenserwartung und geringere Säuglingssterblichkeits-Raten.

„Globalisierung und Krieg“

tagesschau.de: Die Abschlusskundgebung des Europäischen Sozialforums in Florenz richtet sich sowohl gegen Globalisierung als auch gegen einen möglichen Irak-Krieg und zieht eine klare Verbindung zwischen beiden. Besteht diese?

Giegold: Man muss einfach feststellen, dass wir parallel zu der laufenden
Globalisierung auch eine neue Qualität des Militärischen haben. Vor allem die Vereinigten Staaten, aber auch andere Länder in deren Schlepptau, sind bereit, in Fällen zu intervenieren, wo früher eigentlich klar war, dass das nicht legal ist. Das Völkerrecht verbietet schlichtweg Interventionen, wie wir sie jetzt in Afghanistan gesehen haben, aber auch im Kosovo und im Irak. Es gibt also auch eine Aufweichung internationalen Rechts durch die mächtigsten Länder dieser Welt. Zum zweiten ist es auch klar, dass es angesichts knapper werdender Ressourcen einfach strategische Interessen gibt, sich gerade den Raum um den persischen Golf herum zu sichern.

Knipping: Ein Zusammenhang zwischen Globalisierung und Krieg ist völliger
Unsinn. Mc Donald’s gilt ja oft als „das ganz böse Symbol des Kapitalismus“. Es gibt den sogenannten „Pax Mc Donald’s“: Es hat noch nie einen Krieg zwischen zwei Ländern gegeben, die beide einen Mc Donald’s haben, das nur so als kleine Anekdote nebenbei. Ich denke nicht, dass es da irgendeinen weiteren Zusammenhang zwischen Globalisierung und Krieg gibt. Ich denke, dass der Irak, ob er nun Taliban schützt oder nicht, ein Unrechtsregime ist, das eine menschenverachtende Politik macht. Aber ich werde mich weder für noch gegen einen Krieg aussprechen.

Sozialforum – Raum für ernste Diskussion oder „Klön-Runde“?

tagesschau.de: Beim Europäischen Sozialforum in Florenz gibt es weder
Beschlüsse noch Abschlusspapiere. Was ist von diesem Treffen zu erwarten?

Giegold: Beschlüsse und Abschlusspapiere gibt es nicht, weil das Forum ein
Lern- und Diskussionsraum ist. Wir möchten uns nicht damit belasten,
Formulierungsentscheidungen diskutieren zu müssen. Hier geht es darum, dass
aktive Bürgerinnen und Bürger aus verschiedenen Teilen Europas zusammenkommen und gemeinsam konkrete Themen und Lösungen diskutieren. Ich bin zum Beispiel ich beteiligt an der Gründung eines europäischen Netzwerkes zur Eindämmung von Steuerkonkurrenz und Steuerflucht. Es gibt sind sehr spannende inhaltliche Diskussionen, die parallel in Dutzenden von Seminaren und Workshops stattfinden. Das ist der gute Teil der Globalisierung. Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt kommen zusammen und tauschen sich aus. Sie diskutieren über Alternativen und bringen diese Inspiration wieder zurück in ihre eigenen Länder.

Knipping: Auf dem Sozialforum gibt es wahrscheinlich eine nette Klön-Runde, es wird ein bisschen diskutiert und geschimpft, dass Sozialpolitik und eine
weltweite Koordinierung sehr wichtig seien – auch Solidarität sei sehr
wichtig. Das sind alles Begriffe, mit denen man sehr gerne herumwirft, die aber dabei undefiniert bleiben. Solidarität ist zum Beispiel für mich etwas sehr Freiwilliges, ein übrigens auch sehr liberales Konzept. Dieser Begriff wird von den Globalisierungsgegnern und Sozialisten (dafür halte ich auch sehr viele der Teilnehmer von Florenz) permanent ausgehöhlt. Die Beschlüsse, die dort getroffen werden das ist eine nette Talkshow, ein schöner Klüngel und man bestätigt sich selbst, dass der Sozialismus doch besser sei. Wenn gesagt wird, man wolle eine gerechte Gestaltung, dann riecht das für mich nach Sozialismus.

Umsetzung und Interviews: Andrea Kaeser, tagesschau.de

© 2002 tagesschau.de

2002-11-11-epd
Quelle: Märkische Allgemeine, 11.11.2002

Friedliche Demonstration in Florenz
500 000 protestieren gegen Irak-Krieg

FLORENZ Mehr als 500 000 Menschen haben am Samstag in Florenz beim
Europäischen Sozialforum gegen einen Krieg im Irak demonstriert. Die
Polizei gab die Teilnehmerzahl beim Marsch am Rande der Innenstadt mit
fast 500 000 an, während die Veranstalter von einer Million
Demonstranten sprachen. Die Großdemonstration mit einem anschließenden
Konzert war das Ende des dreieinhalbtägigen Forums von
Globalisierungegnern.

Bis zu 40 000 Menschen hatten sich unter dem Motto „Ein anderes Europa
ist möglich“ an den Versammlungen, Seminaren und Workshops beteiligt.
Damit wurden die Erwartungen von Veranstaltern und Behörden weit
übertroffen. Nach dem Weltsozialforum von Porto Alegre war es die
erste derartige europäische Versammlung.

Mit Slogans gegen den Krieg und westliche Regierungen zogen die
Demonstranten unter dem Schutz von 3500 gewerkschaftlichen
Ordnungswächtern weitgehend ohne Zwischenfälle durch die Stadt. Ein
massives Polizeiaufgebot von 7000 Beamten hielt sich für die
Demonstranten weitgehend unsichtbar in den umliegenden Straßen bereit.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi betonte: „Die Regierung hat unter
schwierigen Bedingungen das Prinzip der Demonstrationsfreiheit
garantiert.“ Wenige Tage zuvor hatte er das Forum als „Wahnsinn“
verurteilt und ein Verbot gefordert.

epd

2002-11-11-fr
Frankfurter Rundschau

Europa, mal anders

Nach dem Sozialforum protestierten Globalisierungskritiker in Florenz
gegen einen Irak-Krieg

Von Roman Arens (Florenz)

Eine ältere Dame klebte handbeschriebene Zettel an die
Holzverschalungen, die die Schaufenster der feinen Geschäfte rund um
den Dom von Florenz schützen sollten. Auf den Zetteln stand: „Chiusura
mentale“. Das lässt sich mit „geistiger Ruhetag“ übersetzen, oder
frei: „Brett vor dem Kopf“. Während die Dame die Zettel anbrachte,
zogen Friedensdemonstranten durch die Stadt am Arno: Mindestens 500
000 Menschen schlossen sich dem Protestzug an, die Veranstalter
sprachen später gar von einer Million Demonstranten, die auf die
Straße gingen, um sich gegen einen bevorstehenden Krieg gegen Irak zu
stellen und einen Tag nach der entsprechenden Resolution des
UN-Sicherheitsrats ihren Unmut über die Entschließung kundzutun. Die
Demonstration markierte zugleich den einstweiligen Schlusspunkt der
globalisierungskritischen Beratungen beim europäischen
Sozialforum. Für den 15. Februar kündigten die Organisatoren „einen
europäischen Tag gegen den Irak-Krieg“ an.

Die Demonstration am Samstag war zunächst eine der größten
Anti-Kriegs-Proteste seit vielen Jahren in Europa. Wochen zuvor hatte
die Regierung Berlusconi bereits dagegen gewettert, hatte davor
gewarnt, dass Kunstwerke in Gefahr geraten könnten und es sicherlich
Verwüstungen geben werde, hatte geradezu beschworen, Randale werde
sich wohl kaum vermeiden lassen. Die Polizei riegelte zwar die
Innenstadt von Florenz nicht ab, brachte aber an jeder Straßenecke
Beamte in Stellung und leitete den Demonstrationszug an der
historischen Altstadt vorbei. Rund hundert Zellen im Gefängnis hielten
die Ordnungskräfte vor, die Museen und der Dom wurden
geschlossen. Doch nach der Großkundgebung blieb dem
Ministerpräsidenten nicht mehr, als sich bei den Sicherheitskräften zu
bedanken. Unter ausgesprochen schwierigen Bedingungen habe die
Regierung das in der Verfassung verankerte Demonstrationsrecht
garantieren können. Am Tag nach dem Protestzug durch Florenz rieben
sich viele Bürger nur verwundert die Augen: Wovor, fragten sie sich,
haben wir eigentlich Angst gehabt? Schließlich hatten Gegner des
Sozialforums über Monate hinweg die Angst vor Ausschreitungen wie im
Sommer 2001 in Genua geschürt.

Von Mittwoch an kamen Globalisierungskritiker und Umweltbewegte in
Florenz zusammen. Sie wollten über die Verantwortung der Weltbank und
des Neoliberalismus für den Raubbau an der Erde reden. Unzählige
Seminare befassten sich mit diesen Themen, die zum Wochenende hin mit
60 000 Teilnehmern eine enorme Resonanz fanden. Sie sorgten sich über
den Lauf der Welt, befürchteten die Konsequenzen eines Krieges gegen
Irak für die gesamte Region und klagten die Einhaltung der
Menschenrechte ein. Neben linken und grünen Gruppierungen schlossen
sich verstärkt christlich motivierte und auch bürgerliche Menschen der
Bewegung gegen die Globalisierung an. Zugleich näherten sich jetzt
Gewerkschaften wie auch sozialdemokratische Parteien an, die in Genua
noch ausgesprochen misstrauisch beiseite gestanden hatten. Schon
kräuseln einige Gruppen und Parteien am linken Rand des Spektrums, die
in den neuen sozialen Bewegungen ihr eigenes Fischbecken sehen,
skeptisch und eifersüchtig die Stirn. „Reformisten“ werden natürlich
von den Antiglobalisierern nicht mit offenen Armen erwartet.

Mit einzelnen Ausnahmen. Etwa Claudio Martini, Linksdemokrat von der
DS und Präsident der Region Toskana. Der befasst sich schon lange mit
den Zukunftsfragen in Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen. Er, der
in Genua als einziger führender DS-Prominenter offiziell dabei gewesen
ist, hatte zwar nicht mit der Polizei Ärger, aber danach in seinem
Regionalparlament. „Die Bewegungen und die politischen Institutionen
sind zwei verschiedene Dinge. Das eine wird niemals das andere sein“,
markierte Martini in einer von mehr als tausend Menschen verfolgten
Diskussion die Unterschiede. Er forderte die Bewegungen auf, die
Institutionen zu kritisieren und anzustacheln, sie aber nicht
abzulehnen. Jedesmal, wenn die Institutionen geschwächt seien, werde
die Hegemonie von Finanzen und Ökonomie gestärkt, meinte der Präsident
der Region, der zu dieser Zusammenkunft nach Florenz eingeladen hatte.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele empfahl einen
ähnlichen Kurs: Es bedürfe dringend einer stärkeren Zusammenarbeit der
etablierten Parteien mit den Globalisierungskritikern. Diese Gruppen
dürften dabei nicht ihre Unabhängigkeit verlieren und vereinnahmt
werden, setzte Ströbele hinzu. Aber: „Ohne den Druck der Straße haben
die Parteien nicht die Kraft, die Globalisierung in eine gerechte
Globalisierung umzuwandeln“, betonte der Grüne vor nahezu 5000
Teilnehmern eines Forums.

„Sollen wir oder sollen wir nicht?“ Die Frage bewegte America
Vera-Zavala. Sie gehörte zu den Globalisierungskritikern von Attac in
Schweden. Also: Sollen sich die außerparlamentarische Bewegungen auf
den Dialog mit den Parteien einlassen? „Ja, manchmal, um die
Unterschiede zu erkennen“, formulierte Vera-Zavala ihre kühle Antwort;
denn „die notwendigen Veränderungen kommen nicht von den
Institutionen, sie kommen von uns“. Einen strengeren Kurs empfahl
hingegen Ana Drago vom Bloco de Ezquerda aus Portugal. Sie will „ein
neues politisches Subjekt“ und wünscht sich: „Die Institutionen sollen
uns fürchten lernen.“

Also doch eine neue Partei? „Wir werden niemals eine Partei“, bremste
Vittorio Agnoletto: „Eine Bewegung weitet sich aus“, betonte der
Sprecher des Genoa Social Forums, „eine Partei dagegen bestimmt
Grenzen und legt fest, wer drinnen und wer draußen steht.“

Bei früheren Treffen hatten die Globalisierungskritiker einen
konkreten Gegner vor Augen. Etwa bei Zusammenkünften des
Internationalen Währungsfonds oder des Weltwirtschaftsforums. In
Florenz jedoch gab es keinen Kontrahenten. So gerieten Fragen von
Organisationsformen und Programm ins Zentrum vieler Debatten. Einige
künftige Schwerpunkte der „Bewegung der Bewegungen“, so die
Selbsteinschätzung, zeichneten sich ab: Die Gegnerschaft gegen
jeglichen Krieg, der Einsatz für die Tobin-Steuer, das Engagement für
den freien Personenverkehr und gegen die Privatisierung von Ressourcen
wie Wasser. Zugleich nahmen die Kritiker auch die von der Europäischen
Union angestrebte gemeinsame Konvention unter die Lupe, schließlich,
darauf beharren sie, sei durchaus „ein anderes Europa möglich“.

Patrick Braouzec verabschiedete sich guter Dinge aus Florenz. Beruhigt
kann der Bürgermeister von St. Denis in seine französische Heimat
zurückkehren – und erzählen, dass die Geschäfte offen bleiben können,
wenn das zweite europäische Sozialforum nach St. Denis kommt.

Copyright Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 10.11.2002 um 21:05:25 Uhr
Erscheinungsdatum 11.11.2002

2002-11-11-st_galler_tagblatt
TAGBLATT.ch

Montag, 11. November 2002

Friedlicher Protest in Florenz

Europäisches Sozialforum: Demonstration gegen Krieg und Globalisierung

Mit einer friedlichen Gross- demonstration haben in Florenz 450 000
Menschen gegen jede Form von Krieg protestiert. Die Kundgebung war der
Höhepunkt des ersten europäischen Sozialforums.

SABINE SEEGER/FLORENZ

Am Samstag war nichts mehr zu spüren von der aggressiven Spannung, die
vor gut einem Jahr beim Weltwirtschaftsgipfel über Genua lag. Keine
Spur von Gewalt, keine aggressiven Gipfel-Hooligans, keine brutalen
Ausschreitungen, stattdessen Jazzmusik und folkloristische
Klänge. Friedlich marschierten die Antiglobalisierer unter einem Meer
von Spruchbändern durch die Stadt. «No alla guerra» stand auf den
Transparenten. «Nein zum Krieg». Sieben Kilometer zog sich der Marsch,
weit am Stadtzentrum vorbei durch ruhige Wohn- und
Geschäftsviertel. Entgegen düsterer Prognosen waren die Florentiner in
ihrer Stadt geblieben. Sie wollten ganz offensichtlich mit dabei sein
und suchten allenthalben das Gespräch.

450 000 Teilnehmer zählten die Behörden, eine Million die
Organisatoren. Es war die grösste Anti-Kriegsdemonstration, die
Italien seit Jahren gesehen hat. Am 15. Februar soll es weitergehen,
mit einem europäischen Tag gegen den möglichen Irak-Feldzug des
US-Präsidenten George W.Bush.

Genehmigung kurzfristig erteilt

Regierungschef Silvio Berlusconi bedankte sich bei den
Sicherheitskräften für ihren Einsatz. Unter «schwierigen Bedingungen»
habe seine Regierung das Demonstrationsrecht wahren können. Nur wenige
Tage vor Beginn dieses ersten Sozialforums in Europa hatte sich sein
Kabinett zur dessen Genehmigung durchringen können. Auf dem Forum
zeigte sich, dass die No-Global-Bewegung aus ihren Kinderschuhen
herauswächst. Aus ablehnenden Gegnern sind nachdenkliche Kritiker
geworden. Drei Tage setzten sie sich auf Konferenzen, Seminaren und
Workshops mit Strategien auseinander, wie man die ungehemmte
Globalisierung eindämmen könnte. Die dürfe nicht auf Kosten der
Dritten Welt fortdauern, so das Credo der unterschiedlichsten Gruppen,
die sich unter dem Dach «No Global» zusammenfanden.

An Breite gewonnen

Antikapitalistische Bewegungen, Umweltschützer, Nord-Süd-Initiativen,
Menschenrechtsaktivisten sowie neuerdings Gewerkschaften,
linksdemokratische Parteien und kirchliches Establishment: Mit Florenz
ist die Bewegung breiter und «bürgerlicher» geworden – und interessant
auch für politische Führer. Nur wenige Kilometer nördlich von Florenz
meinte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in seiner Heimatstadt
Bologna: «Wir brauchen frische Stimmen und innovative Ansätze.»

Copyright © St.Galler Tagblatt AG
www.tagblatt.ch

2002-11-11-stuttgarter_zeitung
Original-Artikel: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/311672

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 11.11.2002
Die 3. Seite

Hunderttausende demonstrieren in Florenz gegen einen Krieg im Irak
Die Barbaren rühren die Leonardos nicht an

Manche in Florenz haben sich Sorgen gemacht, dass die
Globalisierungsgegner ihre schöne Renaissancestadt kurz und klein
schlagen würden. Doch statt einer Gewaltorgie erleben sie die größte
Friedensdemonstration in Europa seit Jahren.

Von Christopher Ziedler, Florenz

Die Wartezeit beträgt null Minuten. In den berühmten Uffizien, wo
sonst nur langes Anstehen zur Kunst führt, verlieren sich die
Betrachter zwischen den großen Meistern. Vor Botticellis
„Incoronazione della Vergine“ sitzt Cathérine aus Paris. Sie wusste
vom Europäischen Sozialforum der Globalisierungsgegner, vom großen
Demonstrationstag in Florenz, von den befürchteten Ausschreitungen in
der historischen Innenstadt. Trotzdem zieht sie ihr Reiseprogramm
durch, das schließlich lange im Voraus gebucht war. Sie genießt es,
dass sie die Galerie fast für sich hat. „Ich bin aber schon
enttäuscht, dass so viele Geschäfte und Cafés in der Stadt geschlossen
haben“, klagt die 52-Jährige.

Das ist eine Untertreibung. Halb Florenz ist an diesem
Samstagnachmittag vernagelt oder fest verschlossen. Die politische
Zerrissenheit Italiens spiegelt sich darin wider. Die Geschäftsleute
und Anwohner, die den Horrorszenarien der Regierung in Rom geglaubt
und eine Gewaltorgie wie während des Weltwirtschaftsgipfels in Genua
befürchtet hatten, haben Häuser und Läden verbarrikadiert. Jene, die
den beschwichtigenden Worten ihres Bürgermeisters und bekennenden
Globalisierungskritikers Leonardo Domenici vertraut haben, lassen die
Geschäfte geöffnet und stellen ein blaues Schild ins
Schaufenster. „Florenz – offene Stadt“ steht darauf.

Schuld am touristischen Ausnahmezustand in der Renaissancestadt sind
unter anderem Dario, Furio und Michele, die im Ausstellungsraum 15 die
Werke von Leonardo da Vinci studieren. Die drei 17-jährigen
Schulfreunde aus Turin tragen den Teilnehmerpass des Europäischen
Sozialforums um den Hals, der ihnen – so hat es Bürgermeister Domenici
durchgesetzt – freien Eintritt in die Uffizien gewährt. „Berlusconi
sagt, wir sind Barbaren. Aber wir werden weder die Leonardos hier noch
sonst etwas zerstören“, sagt Michele und verabschiedet sich Richtung
Fortezza da Basso, wo die große Antikriegsdemonstration den Höhepunkt
des fünftägigen Sozialforums bilden soll.

Michele behält Recht. Anders als in Genua vor gut anderthalb Jahren
bleibt alles friedlich, und das, obwohl noch mehr Menschen gekommen
sind als damals. Die Behörden sprechen von einer halben, die
Organisatoren von einer ganzen Million Teilnehmern, die gegen den
drohenden Irak-Krieg und die Globalisierung
protestieren. Kilometerlang schlängelt sich der Demonstrationszug
durch die Außenbezirke von Florenz. Als es bereits dunkel wird, hat
dessen Ende noch immer nicht das Stadion erreicht, den Ort der
Abschlusskundgebung.

Es ist eine bunte und laute Peace-Parade. Auf dem Wagen der
Gewerkschaftsjugend spielt eine Musikcombo. Die Kommunisten schwenken
ihre roten Fahnen und singen. Über den christlichen Friedensfreunden
von Pax Christi schweben Dutzende von Luftballons. Englische
Sozialisten tragen Plakate mit der Losung „Don“t attack Iraq“ vor sich
her. Die französische Sektion des Netzwerks Attac fordert auf riesigen
Transparenten noch immer die Einführung der Tobinsteuer, um der
Dritten Welt zu helfen. Italienische Pfadfinder trotzen der Kälte in
kurzen Hosen, und Greenpeace-Aktivisten tanzen zu den Klängen eines
Discjockeys, der die Straße mit schnellen Beats beschallt. Gestört
wird das Happening auch nicht durch die 6000 Beamten der italienischen
Sicherheitskräfte, die sich in Genua als brutale Prügler in Verruf
gebracht hatten. Sie beweisen, dass sie sich auch auf
Deeskalationsstrategien verstehen.

Stattdessen trüben antiamerikanische und antisemitische Parolen
einiger Demonstranten das sonst so friedliche Bild. Auf einer US-Fahne
sind die Sterne durch Hakenkreuze ersetzt, palästinensische
Abordnungen verkünden Fahnen schwingend den Sieg über Israel. Und vom
Lautsprecherwagen einer kommunistischen Splittergruppe aus Italien
skandiert eine Frau „I-I-Intifada“. Die offene Unterstützung für
terroristische Selbstmordbomber lässt Silvia Brunelli erschaudern. Die
Verlegerin des italienischen Literaturnobelpreisträgers Dario Fo steht
am Straßenrand und kann nicht fassen, dass „hier alle möglichen Opfer
zur Sprache kommen, nur die israelischen nicht“. Das gilt übrigens
auch für das Forum selbst, wo offenbar kaum jemand daran Anstoß nimmt,
dass an pro-palästinensischen Infoständen der Terror gegen israelische
Zivilisten gerechtfertigt wird. Es sind nicht allzu viele, die derart
ausfällig werden, aber genug, um das Sozialforum und die
Antikriegsdemo in Misskredit zu bringen.

Einer, der schon in Genua dabei gewesen war und dort verletzte und
inhaftierte Globalisierungsgegner aus Deutschland in Krankenhäusern
und Gefängnissen besucht hatte, ist wieder vor Ort. Der grüne
Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele marschiert vorneweg. Er sei
hier, weil „politische Parteien und soziale Bewegungen gemeinsam
aufgerufen sind, diesen Krieg zu verhindern“, verkündet er auf einer
Podiumsdiskussion. Und auch sonst versucht der Altlinke den zumeist
jungen Globalisierungsgegnern zu schmeicheln.

Das Europäische Sozialforum, auf dem 35 000 von ihnen in den
vergangenen Tagen in hunderten von Workshops über den Internationalen
Währungsfonds, Privatisierungen im sozialen Bereich, den
Nahostkonflikt oder die Macht der großen Konzerne diskutiert haben,
sei ein „Aufbruchskongress“, lobt Ströbele. Außerdem habe die
Globalisierungskritik eine neue Sensibilität für die Ungerechtigkeiten
in der Welt bewirkt, ein Teil der Forderungen finde sich jetzt sogar
im rot-grünen Koalitionsvertrag wieder: „Ohne euch gäbe es das alles
nicht“, ruft er in den Saal, der solche Huldigungen begeistert
aufnimmt.

Der Vater dieser Bewegung sitzt neben Ströbele auf dem Podium. Der
Franzose Bernard Cassen ist Herausgeber von „Le Monde diplomatique“,
jener Zeitung, in der vor fünf Jahren ein Artikel mit „Entwaffnet die
Märkte“ überschrieben war. Die gewaltige Leserresonanz führte zur
Gründung von Attac, dem größten Netzwerk innerhalb der
Antiglobalisierungsbewegung mit 10 000 Mitgliedern allein in
Deutschland. Cassen, der auch das erste Weltsozialforum in Porto
Alegre mitinitiiert hat, spricht von einem „überwältigenden Erfolg“
der Idee. Das unübersichtliche Chaos auf dem Kongress, den eine
italienische Radioreporterin mit „una bella confusione“ beschreibt,
erklärt der französische Politikprofessor zum Programm: „Wir wollen
keine gemeinsamen Forderungen verabschieden, es geht darum, uns
auszutauschen und Kräfte zu bündeln.“

Oder darum, schwedische Schüler weiterzubilden. Die Lehrerin Susanne
Hedman aus Göteborg ist mit ihrer ganzen Klasse hier, weil sie sich im
Unterricht intensiv mit der Globalisierung befasst hatten und ihr
Wissen noch vertiefen wollten. Auf die große Demo aber hat Susanne
Hedman keine Lust. Sie will lieber noch durch die verlassenen Uffizien
schlendern und Michelangelo studieren. Wann hat man schließlich schon
die Chance, dort ungestört mit ihm allein zu sein?

11.11.2002 – aktualisiert: 11.11.2002, 06:06 Uhr

© 2002 Stuttgarter Zeitung online, Stuttgart Internet Regional GmbH

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Presseschau: Erstes Europäisches Sozialforum in Florenz – Teil 3

Berichte aus Zeitungen und anderen etablierte Medien

von: Europäisches Sozialforum / Florenz / Dokumentation | Veröffentlicht am: 2. Dezember 2002

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2002-11-11-tagesspiegel
Tagesspiegel 11.11.2002

»Florenz war Basisdemokratie«

Wie der Grüne Ströbele das Europäische Sozialforum erlebte

Herr Ströbele, 40 000 Menschen beim Europäischen Sozialform in
Florenz, 500 000 bei der Abschlussdemonstration. Wie lautet Ihr
Resümee?

Die Teilnehmerzahl war überwältigend. Das ist für ähnliche
Veranstaltungen in Deutschland kaum vorstellbar. Es waren vor allem
junge, engagierte Leute. Da organisiert sich eine europaweite
Basisdemokratie, die sich die Politiker immer gewünscht haben.

Welches Signal geht von Florenz aus?

Ganz unterschiedliche Gruppen wie Attac und Vertreter politischer
Parteien haben gemeinsam eine klare Haltung demonstriert: Kein Krieg
gegen den Irak! Sie haben von den europäischen Regierungen gefordert,
in dieser Frage nicht zu wanken. Und dann ist in Florenz die Forderung
nach globaler sozialer Gerechtigkeit unterstrichen worden. Ich gehe
davon aus, dass die Bewegung der Gegner dieser Globalisierung weiter
wachsen wird, auch in Deutschland. Sie muss auch in Zukunft die
Politik unter Druck setzen, in die richtige Richtung zu gehen.

Haben Sie Anti-Amerikanismus gespürt?

Natürlich haben einige Bush angegriffen. Aber die Stimmung war nicht
gegen das amerikanische Volk gerichtet. Kritisiert wurde, dass es bei
dem geplanten Krieg gegen Irak um Ressourcen wie Öl und strategische
Positionen der USA im Nahen Osten geht.

Entgegen den Befürchtungen der italienischen Regierung blieben
Ausschreitungen aus?

Es war offenbar große Angst geschürt worden. Verbarrikadierte
Geschäfte, in der Innenstadt war alles geschlossen. Aber weil die
Polizei sich zurückgehalten hat – sie war so gut wie nicht zu sehen -,
habe ich nicht einmal einen Versuch von Gewalt beobachtet.

Das Gespräch führte Sven Lemkemeyer.

2002 © Verlag Der Tagesspiegel GmbH

2002-11-11-taz-report
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/11/a0095.nf/text

tageszeitung
taz Nr. 6901 vom 11.11.2002, Seite 11, 116 TAZ-Bericht MICHAEL BRAUN

Friedliche Invasion statt Untergang

Allen Hetzkampagnen und düsteren Prophezeiungen zum Trotz verläuft die
Demonstration des Europäischen Sozialforums in Florenz ohne
gewalttätige Zwischenfälle. Auch viele Florentiner Bürger bekunden
ihre Solidarität mit den Protestierenden

Einigermaßen enttäuschend verlief am Samstag die Demonstration des
Europäischen Sozialforums in Florenz – enttäuschend für alle, die in
einer wochenlangen Hetzkampagne den Untergang der Kunststadt am Arno
herbeigeredet hatten. „Gewalttätige Horden“ waren angekündigt,
stattdessen erlebte Florenz die friedliche Invasion hunderttausender
Menschen – die Polizei meldete 500.000, das ESF eine Million -, die
mit einem Marsch gegen den geplanten Krieg im Irak protestierten.

Um 15 Uhr sollte es losgehen, doch schon zwei Stunden vorher startete
die Spitze des Zuges, um Platz für die ständig vom Bahnhof
Herbeiströmenden zu machen. Den „Ehrenplatz“ ganz vorn hatte das ESF
Fiat-Arbeitern aus Turin und dem sizilianischen Termini Imerese
eingeräumt, die zur Zeit um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze
kämpfen. Ihnen folgten die Blocks der ausländischen Teilnehmer, des
„Greek Social Forum“, der Franzosen von der CGT und von Attac, der
Deutschen, der Briten von Globalise Resistance, der Österreicher,
Polen, Portugiesen mit ihrem Nein zum Krieg.

Dann das Gros der Demo aus Italien. Katholische Boy-Scouts, die
„präventiven Frieden“ forderten, Anarchisten hinter dem Transparent
„Der Krieg braucht dich – du brauchst den Krieg nicht“, die
„Ungehorsamen“ der Autonomen Zentren, der Block von Rifondazione
Comunista, die Basisgewerkschaften, die Social Forums aus Genua, aus
Florenz, Gruppen von Oberschülern und Studenten – und am Schluss der
Gewerkschaftsbund CGIL, der 200.000 Leute mobilisiert hatte.

Statt sauberer Trennung zwischen den Zugsegmenten herrschte aber dann
doch ein Durcheinander. Bei den Jungs und Mädchen von den
„Ungehorsamen“ marschierten angegraute Mittfünfziger von der CGIL mit
– und in den Reihen der Gewerkschafter waren jede Menge Kids
unterwegs. Sie alle zeigten nicht zuletzt, dass die Hasskampagne gegen
das ESF zum Flop geworden war. „Sichere Verwüstungen“ hatte Silvio
Berlusconi angekündigt, seine TV-Stationen und Zeitungen, aber auch
der liberal-konservative Corriere della Sera hatten vorher ein
Trommelfeuer entfacht, das zum Auftakt des ESF in einem Brandbrief
Oriana Fallacis an die Florentiner Bürger gipfelte. Wie die Faschisten
1922, wie die deutschen Besatzer 1944 seien die Leute vom ESF – „sie
respektieren Saddam Hussein, sie lieben Bin Laden“-, so Fallaci. Die
Stadt solle mit Totalschließung reagieren.

Viele Ladeninhaber hatten ihre Geschäfte tatsächlich mit Spanplatten
verrammelt. Für sie gab es ironische Repliken per
Filzstiftinschrift. „Wegen Dummheit geschlossen“ stand da, oder – bei
einer Kneipe – „Depp, du hättest heute mindestens 1.000 Biere
verkaufen können.“

Aber bei der Demo zeigte sich auch das andere Florenz: Der
Zeitungskioskbesitzer, der mit der Begründung „Alle zur Demo!“ seinen
Stand zugesperrt hatte, der Bäcker, der blecheweise Brot und Pizza an
die Demonstranten verschenkte, jede Menge Anwohner längs des Zugwegs,
die Mineralwasser spendierten und mit weißen Bettlaken am Fenster ihre
Solidarität bekundeten. Und die nicht zuletzt zwei Mitlaufenden
applaudierten: Leonardo Domenici, dem Bürgermeister von Florenz, und
Claudio Martini, dem Präsidenten der Region Toskana. Sie hatten in den
letzten Wochen als vermeintliche Komplizen des Black Bloc am Pranger
gestanden – und sie reagierten am Samstag mit der Forderung, einige
hätten sich nun bei der Stadt Florenz genauso wie beim ESF zu
entschuldigen.

© Contrapress media GmbH

2002-11-11-taz-kommentar
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/11/a0046.nf/text

tageszeitung
taz Nr. 6901 vom 11.11.2002, Seite 1, 85 Kommentar MICHAEL BRAUN, Leitartikel

Super- statt Gegengipfel

Was ist nicht alles gesagt worden über die Globalisierungskritiker!
Eine bloße Negativbewegung habe sich da zusammengefunden, geeint
allein durch eine sich aus unterschiedlichsten, ja gegensätzlichen
Quellen speisende Gegnerschaft gegen die Mächtigen der Welt. Eine
Koalition, die nur bei „Gegen“-Gipfeln, in Protesten gegen G-8- und
EU-Gipfel, gegen IWF- und WTO-Versammlungen, zum Leben erwache. Ein
Bündnis, das sich anlässlich dieser Events allein durch Randale
Sichtbarkeit verschaffen könne. Eine reine Verhinderungsallianz, die
spätestens dann zum Niedergang bestimmt sei, wenn sich die
Gipfel-Protestiererei erst einmal in der ewigen Wiederholungsschleife
totgelaufen habe.

Manche Beobachter glaubten gar, diesen Wendepunkt bereits benennen zu
können: 300.000 Menschen hatten im Juli 2001 in Genua zu den
Anti-G-8-Demos eingefunden – und in den Medien fand sich nur
Kriegsberichterstattung über Straßenschlachten, die mit einem Toten
und hunderten Verletzten endeten. Doch jetzt wurde Florenz zum Beweis
dafür, dass von einem Zerbröseln der Bewegung keine Rede sein
kann. Über 60.000 Menschen trafen sich ganze drei Tage lang auf dem
Europäischen Sozialforum, bis zu eine Million demonstrierten gegen
einen Irakkrieg.

Statt eines Gegengipfels gab es diesmal also einen Supergipfel der
europäischen Globalisierungskritiker. Die fanden schnell heraus, dass
sie bei allen weiter bestehenden – und gar nicht als störend
empfundenen – Unterschieden einen ansehnlichen Bestand an
Gemeinsamkeiten haben. Sie einigten sich auf eine eigene Agenda fern
der Regierungsgipfel und auf europaweite Kampagnen gegen Krieg, gegen
Rassismus und gegen die Privatisierung sozialer Dienste. Und zeigten
bei ihrer Demo auch gleich, wie sie sich das vorstellen.

Die Massen von Florenz belegen zweifelsfrei, dass sich die
Globalisierungskritiker der Genua-Falle erfolgreich entzogen
haben. Wer meinte, mit Repression Angst erzeugen und die Leute zum
Daheimbleiben bewegen zu können, wurde eines Besseren belehrt. Wer
glaubte, die Globalisierungskritiker würden sich ihrerseits in die
Repression-Gewalt-Spirale fügen und sich so selbst diskreditieren,
wurde gleich doppelt enttäuscht: Nach Florenz kamen doppelt so viele
Menschen wie nach Genua. Und mit ihrem friedlich-fröhlichen Marsch
verweigerten sie Italiens Premier Silvio Berlusconi zudem den
Gefallen, die Aufmerksamkeit von ihren Themen auf das Thema Randale
umzulenken.

© Contrapress media GmbH

2002-11-11-taz-nach-florenz
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/11/a0034.nf/text

tageszeitung
taz Nr. 6901 vom 11.11.2002, Seite 1, 71 TAZ-Bericht MB

Bush macht mobil

Nach Massendemonstration in Florenz will Europas Friedensbewegung im
Februar 10 Millionen Menschen auf die Straße bringen. US-Präsident
will bis zu 250.000 Soldaten mobilisieren

ROM/BAGDAD taz/dpa · Europas Kriegsgegner machen mobil. Nach der
erfolgreichen Demonstration von bis zu einer Million Menschen in
Florenz gegen einen drohenden Irakkrieg am Samstag beschloss die
Abschlussversammlung des Europäischen Sozialforums gestern eine
europaweite Ausweitung der Proteste. Ziel ist es, am 15. Februar in
allen europäischen Hauptstädten 10 Millionen Menschen auf die Straße
zu bringen.

Für den Fall eines Kriegsausbruchs vor diesem Datum einigten sich die
5.000 Teilnehmer der „Versammlung der Bewegungen“, auf der von
Friedensgruppen über Globalisierungskritiker bis zu Gewerkschaften
alle Mitglieder des Sozialforums vertreten waren, auf europaweite
Protestaktionen, die auf den ersten Samstag nach Beginn der
Kampfhandlungen fallen sollen. Dies sei nicht davon abhängig, ob ein
eventueller US-Angriff einseitig erfolgt oder ob er durch
UN-Beschlüsse abgedeckt ist. „Unser Nein zum Krieg erfolgt ohne Wenn
und ohne Aber“, erklärte der frühere Pressesprecher des
Genua-Sozialforums, Vittorio Agnoletto, der im Einklang mit mehreren
anderen Rednern im Kriegsfall einen europaweiten Generalstreik
forderte. Die New York Times meldete unterdessen, US-Präsident George
W. Bush habe detaillierten Angriffsplänen der USA gegen den Irak
bereits zugestimmmt. An der Operation sollen 200- bis 250.000
US-Soldaten teilnehmen.

Iraks Präsident Saddam Hussein forderte gestern das irakische
Parlament zu einer Sondersitzung auf, bei der mit einer Annahme der
neuesten UN-Resolution gerechnet wird. Nach dem neuen UN-Zeitplan hat
Saddam Hussein bis Freitag Zeit, sich zur „vollen Befolgung“ der
Bedingungen und zur Zusammenarbeit mit den UN-Waffeninspekteuren
bereit zu erklären. Dann folgt eine 30-Tage-Frist, in der er eine
vollständige Liste seines Waffenarsenals vorlegen muss. Spätestens am
23. Dezember sollen die UN-Kontrollen vor Ort beginnen. Verstöße des
Irak sollen unverzüglich dem Sicherheitsrat gemeldet werden. MB

report SEITE 4, ausland SEITE 11, meinung SEITE 13

© Contrapress media GmbH

2002-11-11-jungewelt
Quelle: http://www.jungewelt.de/2002/11-11/001.php

junge Welt vom 11.11.2002

Megaprotest gegen Irak-Krieg
Italien: Hunderttausende bei Friedensmanifestation

Georg Dacher / Wolfgang Pomrehn, Florenz

Hunderttausende Menschen aus ganz Europa haben in Florenz gegen den
drohenden US-Angriff auf Irak demonstriert. Die bis dato größte
europäische Manifestation gegen einen neuerlichen Golfkrieg bildete am
Samstag den Höhepunkt des Europäischen Sozialforums (ESF) gegen Krieg,
Neoliberalismus und Rassismus. Die Polizei und der gewerkschaftliche
Ordnerdienst sprachen von 500000 Teilnehmern, die Veranstalter gar von
einer Million. So oder so wurden sämtliche Erwartungen
übertroffen. Mit 200 000 hatten die Organisatoren ursprünglich
gerechnet. Wie schon beim Forum hatten sie ihre eigene
Mobilisierungskraft unterschätzt. Statt der 30 000, auf die man bei
der mehrtägigen Konferenz eingestellt war, kamen schließlich seit
vergangenem Mittwoch über 60 000 aus allen Ländern Europas, darunter
auch über tausend Teilnehmer aus Deutschland und Österreich.

Die Demonstration am Samstag war unterdessen von
Antikriegstransparenten geprägt. Auf vielen wurde der italienische
Regierungschef Silvio Berlusconi wegen seiner Unterstützung für
Washingtons geplanten Angriff auf den Irak attackiert. Neben den roten
Fahnen des linken Gewerkschaftsverbandes CGIL, der Koordination der
Gewerkschaftlichen Basiskomitees COBAS und der Rifondazione Comunista
dominierten Regenbogenfahnen mit der Aufschrift »Pace« (Frieden) das
Bild.

Daneben waren vor allem die Fiat-Arbeiter in den Blöcken verschiedener
Gewerkschaften zahlreich vertreten. Das Management des italienischen
Autoherstellers hatte vergangene Woche Massenentlassungen und die
Schließung des Werks Termini Imerese bei Palermo angekündigt. Fiat ist
eines der wichtigsten Industrieunternehmen des Landes. Hinzu kommt,
daß vor allem auf Sizilien die Arbeiter kaum eine Chance haben werden,
eine neue Arbeit zu finden. Entsprechend forderte der CGIL-Bezirk
Palermo auf einem Transparent in Florenz den Generalstreik gegen die
Massenentlassungen. Auch auf einem Podium des ESF hatten Vertreter von
CGIL und COBAS davon gesprochen, daß die gesamte italienische
Arbeiterbewegung auf die Fiat-Krise reagieren müsse.

Starke ausländische Gruppen waren vor allem aus Frankreich und
Griechenland auf den Straßen von Florenz zu sehen. Die Französische
Kommunistische Partei hatte sogar ihre Führung eingeflogen. Selbst
Noch-Parteichef Robert Hue war trotz des aktuellen internen Konflikts
gekommen, und so gehörte die deutsche PDS zu den wenigen
westeuropäischen Linksparteien, die in der Metropole der Toskana nicht
präsent waren. Auch von den italienischen Linksdemokraten (PDS) war
wenig zu sehen, sieht man einmal von ihrem Jugendverband ab, der
zahlreich vertreten war. Die florentinischen Studenten hatten einen
eigenen Block organisiert, der allein etwa 10000 bis 15000 Menschen
umfaßte. Die deutschen Teilnehmer gingen hingegen in der Riesendemo
vollkommen unter. Nur einige wenige Fahnen der IG Metall und ein
einsames ver.di-Banner waren zu sehen. Auffallend hingegen über alle
Blöcke verstreut die palästinensichen und kubanischen Fahnen sowie die
obligatorischen Flaggen mit dem Konterfei Che Guevaras.

Nach der friedlichen Großdemonstration in Florenz haben die
Organisatoren des Europäischen Sozialforums für den 15. Februar »einen
europäischen Tag gegen den Irak-Krieg« angekündigt. Diesem Aktionstag
sollen Mitte Dezember und Mitte Januar zwei europaweite
Antikriegsdemonstrationen vorangehen.

© http://www.jungewelt.de

2002-11-11-nzz

Neue Züricher Zeitung
NZZ 11.11.02

Der Antikriegs-Aufmarsch in Florenz ohne Zwischenfälle

Ein paar hunderttausend Manifestanten auf den Beinen –
Vorwürfe gegen Berlusconi

Zum Abschluss des «Europäischen Sozialforums» haben in Florenz ein
paar hunderttausend Demonstranten an einem Friedensmarsch
teilgenommen. Der Protestzug der Globalisierungsgegner verlief
entgegen den Befürchtungen, die Stadt werde in Ausschreitungen und
Gewalt versinken, ohne Zwischenfälle.

sdl. Florenz, 10. November. Nicht bloss 200 000 Demonstranten, wie
sich die Organisatoren aus den Reihen des «Europäischen Sozialforums»
erhofft hatten, sondern gegen eine halbe Million haben sich am Samstag
in Florenz laut polizeilichen Angaben an einem Friedensmarsch
beteiligt. Andere Stimmen des Forums sprachen gar von einer Million
Demonstranten an diesem Aufmarsch gegen die Kriege in aller Welt. Als
Absage an Kriege allgemein war die Veranstaltung zwar geplant, doch
aus aktuellem Anlass richtete sie sich am Tag nach der jüngsten
Irak-Resolution des Uno-Sicherheitsrates in erster Linie gegen den
drohenden Krieg im Irak. Dazu gesellten sich als Nebenthemen die
Situation im Nahen Osten und die Politik Israels gegen die
Palästinenser.

Geschmacklose Vergleiche

Entgegen der Angst und den Befürchtungen, wonach Florenz in
Ausschreitungen und Gewalt versinken werde, ist der Anlass ohne
Zwischenfälle verlaufen. Laut dem italienischen Innenminister Pisanu
gebührt der Dank dafür all jenen, die sich im Vorfeld des
Demonstrationszuges um einen friedlichen Verlauf bemüht hatten, den
Teilnehmern ebenso wie den Ordnungskräften und den lokalen
Behörden. Wie oft, wenn er redet, liess sich dagegen Ministerpräsident
Berlusconi am Wochenende mit einer eher einfältig anmutenden Äusserung
vernehmen. Er erklärte, das Land gewinne immer, wenn die Opposition
mit der Regierung einen korrekten und verantwortungsbewussten Umgang
pflege und sich nicht bloss auf Polemik beschränke. Zuvor hatte der
Regierungschef allerdings zu jenen gehört, welche die Panik anheizten
und Ausschreitungen geradezu beschworen. Der Präsident der Region
Toskana, Martini, meinte, dass sich nun einige Leute für ihr Verhalten
entschuldigen müssten, beispielsweise beim Bürgermeister von Florenz,
Domenici. Beide Politiker gehören dem oppositionellen Ulivo an; sie
setzten sich seit langem für die Durchführung des «Europäischen
Sozialforums» in Florenz ein und waren der Meinung, dass der Stadt
auch der «Friedensmarsch» zugemutet werden könne. Dieser Meinung waren
auch ein paar Florentiner, die da und dort Plakate in die Höhe
hielten, auf denen sie kundtaten, sie seien stolz auf ihre Stadt, weil
sie den Anti-Kriegs-Aktivisten Gastrecht gewährt habe. Diese Bürger
oder solche, die den Demonstranten entlang der Marschroute Tee aus der
Thermosflasche ausschenkten, stellten allerdings die Ausnahme und
nicht die Regel dar. Im Zentrum und an den Strassen, durch die sich
der «Friedensmarsch» wie ein bunter, nicht enden wollender Tatzelwurm
vorwärts bewegte, blieben die meisten Geschäfte geschlossen, die
Fensterläden waren verriegelt, und in vielen Gassen und Strässchen
waren kaum Leute unterwegs. Die rund 6000 Mann Ordnungs- und
Sicherheitskräfte, die im Einsatz standen, hielten sich für alle Fälle
zwar bereit, doch in der Nähe der Manifestanten fiel ihre Präsenz kaum
auf. Auf eines der zugesperrten Schaufenster hatte ein Witzbold den
Spruch gekritzelt: «Wir haben im Lotto gewonnen, aber ihr hindert uns
daran, unser Geld auszugeben.» Eine Frau gab sich mit einem Spruchband
als «Mutter der Hunnen» zu erkennen. Sie spielte damit auf eine
Passage in einem langen, eher geschmacklosen und wenig intelligenten
Artikel der Publizistin Oriana Fallaci im «Corriere della Sera»
an. Fallaci hatte die zumeist jugendlichen Teilnehmer des Sozialforums
mit den Hunnen verglichen und davon geschrieben, dass sie in Florenz
Zerstörung und Verderben anrichten würden. Die Bewohner ihrer
Geburtsstadt hatte sie aufgerufen, sich gegenüber den Teilnehmern am
«Sozialforum» und am «Friedensmarsch» zu verhalten wie das Lager des
Widerstandes gegen die Faschisten Mussolinis oder die deutschen
Besatzungstruppen am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Abwesenheit der Politiker

Neben den unzähligen Gruppen und Grüppchen aus der Grossfamilie der
«No-globals», christlichen Aktivisten und Pazifisten, Friedens- und
Solidaritätskomitees, Anhängern von Aktionen zivilen Ungehorsams, dazu
Anarchisten, orthodoxen Marxisten und Neo- beziehungsweise
Postkommunisten waren die Vertreter der etablierten italienischen
Linksparteien am Marsch von Florenz nur schwach vertreten. Darin
widerspiegelt sich unter anderem ihr schwieriges Verhältnis zum Lager
der Anti-Globalisierer und zu den anderen Kräften der
Protestszene. Von den bekannten Gesichtern waren der Chef der
Gewerkschaftszentrale CGIL, Epifani, sowie sein Vorgänger Cofferati
auszumachen, dazu Bertinotti von der Rifondazione Comunista,
prominente Grüne sowie «progressive» Kräfte der Linksdemokraten. Diese
Stimmen gehören zum Chor jener, die engere Bande der parlamentarischen
Opposition gegen Berlusconi mit der informellen Protestszene
fordern. Demgegenüber verlangen ihre Gegenspieler, dass sich die
«reformistischen» Kräfte nicht nur klar gegen das «No global»-Volk
abgrenzen müssten, sondern auch gegen die Kollegen in den eigenen
Reihen, die mit der nicht-parlamentarischen Opposition zusammenspannen
wollen. Vertreter der Linksdemokraten warnen allerdings davor, dass
ihre Partei nicht ungestraft von Ereignissen fernbleiben könne, bei
denen Themen wie die Friedenserhaltung oder die soziale Gerechtigkeit
erörtert würden.

2002-11-11-agi
Quelle: http://www.agenziaitalia.it/english/news.pl?doc=200211111357-0064-RT1-POL-0-NF82&page=0&id=agionline-eng.italyonline

Agenzia Italia (AGI)

TERRORISM: PISANU, CAUTION AND ATTENTION AFTER BLAIR’S WARNING

(AGI) – Rome, Italy, Nov 11 – „We will evaluate with caution and
attention every report, also those that arrive from the UK“ said the
Minister for the Interior, Giuseppe Pisanu, regarding the warnings of
terrorist attacks launched by British premier Tony Blair, attacks that
are supposedly being planned by Al Qaeda for the run-up to
Christmas. Pisanu, who was speaking at the inauguration ceremony of
the academic year at the Pontifical Lateranese University, did not
want to go into further detail about what „caution and attention“
might mean preferring to underline on several occasions only this
aspect, that is of a further assessment. No reply however as regards
the arrival of 5000 violent subjects, as reported by the Italian
Intelligence Services on the occasion of the Social Forum, something
which then never occurred. Pisanu preferred not to comment. (AGI)
111357 NOV 02

2002-11-11-guardian
Quelle: http://www.guardian.co.uk/guardianpolitics/story/0,3605,837564,00.html

Comment

Florence builds a bridge to a brave new social paradise

Anti-globalisation is not a nine-day wonder that ended on September 11

John Vidal
Monday November 11, 2002
The Guardian

In 1425, the powerful wool merchants‘ guild of Florence commissioned
the artist Lorenzo Ghiberti to construct a door for the baptistry of
St John in the city. He was to „do whatsoever he desired and designed
so that it should be the most perfect and most beautiful
imaginable“. Ghiberti took 27 years and did not disappoint. His doors
were described by Michelangelo as worthy of being called the „gates of
paradise“.

Last week in Florence, a similar kind of open-ended brief, to imagine
and construct a European social edifice worthy of being one day called
a 21st-century paradise, was entrusted to the institutions,
politicians and people of Europe. It came from 40,000 intellectuals,
students, ecological and social activists, people representing the
poorest and most marginalised, radical economists, concerned
individuals, humanitarians, artists, culturalists, churches,
scientists and land workers from a bewildering array of non-government
groups and grassroots social movements.

With the title, Another Europe is Possible, and under the banner of
the European Social Forum, the many social movements and groups that
have demonstrated in Seattle, Genoa, Prague, London and a dozen other
cities over the past three years – against world leaders and
organisations such as the Interna-tional Monetary Fund or the World
Trade Organisation – set out to show that they could actually propose
change and not simply oppose what is happening around the world.

This was no ordinary political gathering; indeed many called it „the
new politics“. Seemingly without form, issuing no final communique,
inadequately translated, often chaotic, the four-day meeting drew
people from every corner of Europe and 80 other countries.

No conclusions were reached or consensus sought, for this was more a
laboratory of ideas and debate than a rally to conceive a new party or
constitution, but for the first time it is possible to disentangle the
broad threads of a genuine new vision for Europe from the 400
passionately debated overflowing meetings, often attended by 3,000
people or more.

Top of the list, they sought a demilitarised Europe at peace with
itself and the world, an ethical continent that takes a high moral
stance against US imperialism. High on the list too was a radical
rethink, or complete rejection, of the predatory capitalism the
continent now knows. They imagined a Europe that rejected crude market
ideology, made institutions fully accountable, put people before
profit, and where big business was not allowed to dominate the
political or consumer agendas.

There were specifics: Europe, they said, should have open borders, and
all people within it should have the right to work and to have a home;
it should have a Tobin tax on financial markets and regulation of
corporations; there should be no GM foods or pollution; no privati
sation of public services; the media should be in the hands of the
many not the few; and racism should be driven out.

There was almost complete consensus on three issues: that
„neo-liberalism“ – the free-market ideas espoused by the IMF and G7 –
is a violent political and economic doctrine; that trade with poor
countries should be fair; and that one vote every four years given to
political parties run by self-serving elites is no way to run modern,
complex democracies in a globalised economy.

The talk over, and with none of the violence that the Italian
government and media had widely predicted, the 40,000 mainly young
people at the meeting were joined by 250,000 trade unionists,
socialists, peaceniks and others from across Europe in a massive peace
march through the most beautiful city in Europe. It was, said Claudio
Martini, the president of Tuscany, who had thrown open the doors of
the city, „an historic day for the state, the city and the
social-forum movement“. He did not have to say it was also one in the
eye for the right.

Many at the forum detected something exciting and very fresh
emerging. With the left in Europe dominated for so long by
inter-factional fight ing, sclerotic parties, narrow visions, and
ignorance of others‘ concerns, traditions or cultures, hoary old
communists, unionists, ecologists and fringe groups were all saying
they were astonished by the passion for profound change, and the
engagement of a new generation. The Florence meeting is important,
they said, but as yet we do not quite understand why.

Several things are apparent. Clearly, anti-globalisation,
anti-capitalism, pro-democracy – or whatever tag people want to put on
this movement of movements – is not a nine-day wonder that started in
Seattle and ended promptly on September 11 (as so many US and British
commentators have crowed). What was first given expression at the
world trade meeting in Seattle may be said to be maturing in fits and
starts into a very broad social justice movement, and shedding its
TV-inspired image of grungy anarchists smashing symbols they do not
like. Clearly, too, it is based not just on emotionalism but on
growing political theory and analysis, and is becoming popular enough
to draw in many on the left who had given up hope that change was
possible.

Second, many believe they are witnessing the globalisation of
opposition to neo- liberalism, in direct parallel to the globalisation
of capital and economic policies around the world. Out of this, the
theory goes, an all-embracing populist agenda based on the experience
of the grassroots is emerging. Moreover, for the first time in recent
history, the agenda for change is being driven by the grassroots. The
European social forum is itself an idea picked up from the World
Social Forum, based in Pôrto Alegre, Brazil, where each year tens of
thousands meet in opposition to the World Economic Forum, the annual
talking shop in Davos. The social forums‘ loose structures,
emphasising debate and information-sharing, only go as far as to
encourage people to return to their communities to effect change. This
participatory system is completely different to the established
organising of political ideas.

But how far might this mushrooming of concern influence real power, as
displayed in governments, at the EU or in global institutions like the
WTO? The answer, of course, is not much yet, but groundswells have a
habit of developing rapidly and, post-Florence, no politician should,
like Tony Blair, be able to suggest that all demonstrations against
world leaders or institutions are „spurious“.

In the short term, the belief held by many in Florence is that
meetings like this will draw together unlikely partners and refresh
thinking both on the left and among the millions disenchanted by
establishment politics. That’s not going to construct the gates to a
beautiful new European social paradise, but it may be the foundations
for a bridge leading towards it.

John Vidal is the Guardian’s environment editor

Guardian Unlimited © Guardian Newspapers Limited 2002

2002-11-12-faz

FAZ vom 12. November 2002

Die Botschaft der Hunderttausende

Das „Social Forum“ in Florenz – mehr als die Aufzählung von Mißständen
Von Heinz-Joachim Fischer

FLORENZ, 11. November

Das Ereignis wird man sich merken müssen: Florenz, November 2002. Unter
dem Namen „Social Forum“ versammeln sich rund 20 000 Personen fünf Tage
lang, von Mittwoch bis Sonntag. Sie treffen sich in der alten
Stadtfestung Fortezza da Basso zu einem Gedankenaustausch. Am Samstag
stoßen Hunderttausende dazu, und rund eine halbe Million zieht von der
mächtigen Bastion in der Nähe des Hauptbahnhofs in einem friedlichen
Marsch zum Stadion, um das Ganze in einem freundlichen Konzert mit
Tanzen und Singen ausklingen zu lassen. Die Befürchtungen, ein solches
Protesttreffen werde unweigerlich von Gewaltaktionen begleitet sein, so
daß die Florentiner Geschäftsleute gut daran getan hätten, ihre
Läden, Banken, Tankstellen zu schließen und zu verbarrikadieren,
bewahrheiteten sich nicht.

Gerade deshalb muß man sich „Florenz November 2002“ merken. Denn nicht
mehr der Ausbruch oder die Drohung mit Gewalt steht im Vordergrund,
sondern eine politische Botschaft von scheinbar Unpolitischen an
Politiker, Parteien und Gewerkschaften, an gesellschaftliche
Institutionen. Die halbe Million von Florenz – eine ganze nach Angaben
der Organisatoren – war nicht von einer Partei oder Gewerkschaft auf die
Beine gebracht, sondern allein von einer gemeinsamen Überzeugung: So wie
die Welt ist, so wie die Gesellschaft konstruiert und funktioniert,
stimmt etwas nicht. So wie alles ist, kann, darf es nicht bleiben.

Man sah in den Debatten zuerst gar nicht das Neue; die einzelnen
Argumente erschienen bekannt. Da waren Pazifisten, die mit ihrem Nein
zum Krieg im allgemeinen und zu dem möglichen gegen den Irak im
besonderen ein universales Ziel formulierten. Und so ging es weiter bei
jeder Gruppe. Jedes Anliegen erschien irgendwie gerechtfertigt. Die
Umweltschützer wollen die Natur bewahren und Schaden von unserem
Planeten abwenden. Linkskatholiken streiten für soziale Gerechtigkeit.
Kommunisten sagen, man dürfe die kleinen Leute nicht einfach
auf die Straße setzen, während die Manager die Wirtschaft ruinieren,
aber dicke Gehälter einstreichen. Globalisierungsgegner befürchten, daß
die weltweite unbarmherzige Konkurrenz alle sozialen Errungenschaften
beseitigt.
Weltwirtschaftsreformer sind gegen die gegenwärtige Verteilung in
Produktion und Handel zwischen reichen Industrienationen und armen
Ländern. Lebensmittelwächter wehren sich gegen die Manipulation unserer
Nahrungsmittel. Arbeitslose, Teilzeitarbeiter, Migranten aus
unterentwickelten Staaten streiten für ihre Anliegen.
Altachtundsechziger weinen den alten Idealen nach und haben doch keine
besseren gefunden. Und dann sind da noch diejenigen, die gegen jede Form
von Fremdenhaß und Rassismus kämpfen – bleibt da etwa nichts mehr zu tun?

Aber es ging nicht nur um ein Sammelsurium aller Mißstände dieser Welt.
Der Protest in Florenz brach sich gerade abseits der traditionellen
Parteien Bahn. Einige linksradikale Politiker wie Bertinotti von den
Kommunisten oder der linksdemokratische Gewerkschaftsführer Cofferati
waren dabei, aber als Mitläufer, nicht als Gestalter. Neu ist, daß sich
Menschen aus mehr als 100 Ländern und von mehr als 400 unterschiedlichen
Gruppen in der Ablehnung des Bestehenden zusammenfanden. Aus den vielen
Flicken der Auflehnung ist plötzlich eine bunte Decke von
Hunderttausenden geworden. Und Fortsetzung folgt. Die Organisatoren des
„Social Forum“ haben angekündigt, sie würden auch zehn Millionen
Menschen auf die Straße bringen können. Beim nächsten europäischen
Ministertreffen im süditalienischen Lecce soll es weitergehen.

Das Signal aus Florenz haben die italienischen Politiker als
Alarmzeichen verstanden. Der Politische Sekretär der Linksdemokraten,
Fassino, meldete sich in der Turiner Zeitung „La Stampa“ zu Wort. Daraus
sprach jedoch mehr die Ratlosigkeit, warum sich eine solch starke
Bewegung außerhalb seiner Partei, immerhin der stärksten Kraft in der
parlamentarischen Linksopposition, hat entwickeln können. Der Präsident
der Abgeordnetenkammer, Casini, fand freundliche Worte für die Anliegen,
die in Florenz vorgetragen wurden. Ihm, einem in der Wolle gefärbten
Christlichen Demokraten der Mitte, geht es darum, diese
außerparlamentarische Opposition, vornehmlich von relativ jungen Leuten
getragen, in die Demokratie und ihre Spielregeln einzubinden.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2002, Nr. 263 / Seite 12

2002-11-12-jungewelt
Adresse: http://www.jungewelt.de/2002/11-12/017.php

junge Welt vom 12.11.2002

Interview
Europäisches Sozialforum: Markt der Möglichkeiten?

jW fragte Luca Casarini, Sprecher der italienischen Disobbedienti
(Ungehorsamen)

Interview: Dario Azzellini

* Die Disobbedienti (Ungehorsamen) sind nach den Protesten gegen den
G8-Gipfel in Genua aus den »Tute Bianche«, den »Giovani Comunisti«
(Jugendorganisation der Rifondacione Comunista) und weiteren linken
Netzwerken und Gruppen hervorgegangen. Während des Europäischen
Sozialforums (ESF) am Wochenende in Florenz haben
Studierendenkollektive, die sich zu den Disobbedienti zählen, die
Verlegervereinigung Italiens besetzt, um gegen Copyright zu
protestieren. Gleichzeitig drangen fast 100 Disobbedienti in die bei
Florenz gelegene Caterpillar-Baggerfabrik ein und besudelten alles mit
roter Farbe, da Caterpillar Bagger an die israelische Armee liefert,
die eingesetzt werden, um palästinensische Häuser und Siedlungen
niederzureißen.

F: Welche Einschätzung haben Sie vom ESF?

Wir hatten zuvor darüber diskutiert, wie dieses ESF von uns
»durchquert« werden kann. Das ESF ist ein komplizierter Raum,
öffentlich, aber nicht einfach. Denn es besteht die Gefahr, vom
babelartigen Reichtum an Sprachen, Kulturen und Ansätzen in die Armut
des Supermarkts zu verfallen. Ein Supermarkt mit Minigruppen, die sich
teilweise sogar auf Stalin oder bin Laden beziehen und eine große
Marketingaktion in völliger Beliebigkeit durchziehen. Unser Anliegen
war zu sehen, wie wir in dieser Multitude sein können; und auf der
Demonstration war sichtbar, daß es uns gelungen ist.

F: Die Disobbedienti haben versucht, das Bild des ESF mit direkten
Aktionen zu beeinflussen.

Es war schwer, einerseits den Kriminalisierungsversuchen der Regierung
etwas entgegenzusetzen und andererseits diese Multitude zu durchqueren
und Botschaften zu senden. Das ist der Knoten. Wir haben uns etwas
allein gefühlt, weil wir die einzigen waren, die immer wieder gesagt
haben, daß es wichtig ist, das Element des Ungehorsams, der direkten
Aktion und der Nichtkompatibilität zu erhalten. Das bedeutet aber eben
auch nicht, sich von den Leuten abzusetzen. Es war unglaublich, wie
die Menschenmassen auf der Demonstration geklatscht haben, als wir
vorbeiliefen. Wir wurden hervorragend aufgenommen! Und niemand kann
behaupten die Menschen wüßten nicht, was wir gesagt haben. Das kann
man vielleicht bei anderen Strömungen sagen, aber wir haben immer
wieder deutlich gesagt, was wir denken und mit welcher Haltung wir zum
ESF kommen. Viele Leute teilen unsere Einschätzung, daß es weitergehen
muß mit Aktionen.

F: Das ESF als Markt der Möglichkeiten kam ja bei vielen gut an, und
viele, bis hin zu Berlusconi, haben sich gefreut…

Wenn demnächst der Krieg beginnt, werden diese Ansätze weggespült,
denn dann wird über konkrete Aktionen geredet werden müssen und nicht
über Theorien und Politmarketing. Als »Ungehorsame« konnten wir
feststellen, daß diese Bewegung mittlerweile riesig ist. Selbst unser
Disobbedienti-Block war eine Multitude an sich riesig, bunt,
vielfältig und auch nicht eingrenzbar. Wir haben aber jetzt ein
anderes Problem, nämlich die direkte Aktion, den Konflikt wieder
anzuschieben. Einen Konflikt, der zusammen mit einem politischen
Projekt zur Seele der Bewegung wird.

Berlusconi hat gesagt: Das, was gewesen ist, sei die Art, Opposition
zu machen. Aber wenn Berlusconi und der Innenminister das sagen,
sollten wir uns dem Problem stellen. Denn wenn sie kein Problem haben,
dann haben wir ein Problem. Deswegen bin ich nicht für etwas, bei dem
man sagen kann »Alle haben gewonnen« – wir müssen gewinnen! Also
diejenigen, die sich dem Krieg entgegen stellen, jene die eine
wirkliche soziale Opposition wollen, die der Regierung und den
Mächtigen Probleme bereitet!

F: Was bedeutet das konkret?

Das europäische Netzwerk der »Ungehorsamen« hat sich vorgenommen,
innerhalb der ersten 24 Stunden nach Kriegsbeginn Aktionen des
Ungehorsams durchzuführen und nicht nur zu sagen, daß der Krieg nicht
in Ordnung ist. Das haben wir mit einer Million Menschen gesagt. Jetzt
muß es darum gehen, wie man ihn aufhält oder zumindest nicht zum
bloßen Zeugen wird. Die richtige Welt beginnt nach dem ESF.

* Infos: www.altremappe.org und www.sherwood.it

© http://www.jungewelt.de

2002-11-12-haaretz
Quelle: http://www.haaretzdaily.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=228618

Ha’aretz, Israel

Tuesday, November 12, 2002 Kislev 7, 5763
Israel Time: 06:28 (GMT+2)
Last update – 20:03 09/11/2002

European anti-war rally streams through Florence
By Reuters

FLORENCE, Italy – More than 450,000 anti-war protesters from across
Europe marched through Florence on Saturday, denouncing any U.S. plans
to attack Iraq.

Fired with anti-American sentiment and angered by a tough new UN
resolution to disarm Iraq, European activists joined forces in a
carnival atmosphere and marched together singing Communist anthems and
blowing shrill whistles. „Take your war and go to hell,“ one of the
colorful banners read. „No to war,“ said another.

The rally marked the climax of the first European Social Forum, which
brought together anti-globalization campaigners from across the
continent for four days of talks and concerts.

The forum was planned months ago, with tens of thousands of
participants from dozens of countries stretching from Portugal to
Russia. Delegates discussed topics from debt-reduction to support for
the Palestinian uprising.

But organizers said the march was given added relevance by Friday’s
unanimous vote in the UN Security Council, which gave Iraq a last
chance to disarm or face almost certain war.

Authorities estimated more than 450,000 protesters were on the
streets, and people were still streaming in from a fleet of buses and
trains hired for the occasion.

Organizers said the crowd could swell to more than a million people,
making it one of the biggest rallies ever seen in Italy.

„The atmosphere here is wonderful. Absolutely perfect. It shows that a
new young left is emerging,“ said Stavos Valsamis, a 27-year-old Greek
activist from Athens.

Protesters clambered up scaffolding around arches near the city center
to get a better view of the massed throngs.

The march was bigger than a protest at a G8 summit in Genoa last year,
when 300,000 demonstrators took to the streets and an orgy of violence
left one protester dead and hundreds injured.

Some 7,000 police were on call but security forces kept a low profile,
with most held in reserve some distance from the seven-km (4.5 mile)
rally route.

The rest of Florence was a ghost town with most shops in the art-rich
historical center pulling down the shutters for fear of violence. The
city’s famed museums were open and offered free entry to the few
tourists around.

„We no longer have any illusions about institutions like the United
Nations and their ability to help humanity,“ said Alain Krivine, a
far-left French politician. He was convinced the United States had
already made up its mind to attack Iraq.

„Marches alone won’t stop wars, but this is quite literally a first
step,“ he said.

While Friday’s UN resolution gives the Security Council a central role
in assessing the new arms‘ inspection program for Iraq, it does not
require the United States to seek council authorization for war in the
case of violations.

2002-11-15-afp
Quelle: http://de.news.yahoo.com/021115/286/32jde.html

AFP

Freitag 15. November 2002, 10:19 Uhr

Italienische Polizei nimmt rund 20 Globalisierungskritiker fest

(AFP) Die italienische Polizei hat in der Nacht zum Freitag etwa 20
Globalisierungskritiker festgenommen. Die Staatsanwaltschaft von
Cosenza in der südlichen Region Kalabrien habe die Festnahmen wegen
des Verdachts auf Bildung einer „zersetzende Vereinigung“ angeordnet,
sagte ein Justizmitarbeiter. Unter den Gefangenen sei auch der Chef
der in Neapel ansässigen Gruppe „no global“, Francesco Caruso. Der
junge Mann werde wie zwei weitere Anführer im Gefängnis von Trani
festgehalten. Alle drei seien Teil eines „südlichen
Rebellennetzwerkes“, sagte der Justizmitarbeiter weiter. Ihre
Organisation habe absichtlich beim Gipfeltreffen der G-8-Staaten im
Juli 2001 in Genua Zwischenfälle provoziert. Bei gewaltsamen
Auseinandersetzungen von Globalisierungkritikern mit der Polizei waren
damals ein Mensch getötet und Hunderte verletzt worden.

2002-11-15-standard
Quelle: http://derstandard.at/?id=1132764

15. Nov, 2002
19:18 MEZ

Verhaftungswelle unter führenden Globalisierungskritikern in Italien

20 Personen wegen „umstürzlerischer Aktivitäten“ festgenommen –
Landesweite Proteste gegen Inhaftierungen

Rom – Rund 20 führende Globalisierungskritiker sind in der Nacht auf
Freitag in Süditalien festgenommen worden. Wegen umstürzlerischer
Aktivitäten und Verwicklung in die Krawalle am Rand des G8-Gipfles in
Genua im Juli 2001 wurde in Salerno der Chef der neapolitanischen
No Global-Aktivisten Francesco Caruso verhaftet. Er wird beschuldigt,
mit einigen Gleichgesinnten die umstürzlerische Organisation „Netz des
rebellischen Süden“ aufgebaut zu haben.

Die Organisation soll bei internationalen Treffen wie dem G8-Gipfel in
Genua und dem Global-Forum im März 2001 in Neapel für Krawalle und
Verwüstungen gesorgt haben. Sie habe außerdem Demonstranten zum
Widerstand gegen die Polizei und zur Straßenrevolte aufgehetzt,
betonten die Staatsanwälte. In den Sog der Ermittlungen seien
insgesamt 42 Personen geraten, berichtete das italienische
Staatsfernsehen RAI. Durchsuchungen wurden in mehreren italienischen
Städten durchgeführt.

Die Verhafteten wurden sofort nach der Festnahme in das Mafiakillern
und Terroristen vorbehaltene Hochsicherheitsgefängnis von Trani
gebracht, ohne vorher die Möglichkeit gehabt zu haben, mit ihrem
Anwalt Kontakt aufnehmen zu können. Die Festnahmebegründung ist 360
Seiten lang.

Hauptanklagepunkt

Laut den Tageszeitungen „La Repubblica“ und „L’unita“ lautet der
Hauptanklagepunkt „subversive Tätigkeit zum Umsturz der ökonomischen
Ordnung des Staates“, ein, den Zeitungen nach, Gesetz aus der
Mussolinizeit. Der konservative „Corriere“ wiederum interpretiert den
Anklagepunkt so, dass damit der wirtschaftliche Schaden, der aus den
„Verwüstungen und Ausschreitungen“ in Neapel und Genua und in der
Folge Image-Verlust Italiens als Fremdenverkehrsland, sicherer
Standort etc. hervorgegangen ist, gemeint sein soll.

„Provokation gegen die ganze Bewegung“

Die von der Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Cosenza
geführte Ermittlung gegen die Chefs der No Global-Bewegung in Italien
löste hitzige Reaktionen aus. „Die Festnahmen sind eine Provokation
gegen die ganze Bewegung. Caruso und seine Kollegen sind wegen ihrer
politischen Tätigkeit festgenommen worden. Es ist kein Zufall, dass
die Festnahmen eine Woche nach der erfolgreichen Friedensdemo in
Florenz stattfinden“, so der Sprecher der italienischen
Globalisierungskritiker, Luca Casarini.

Für die italienischen No Global-Aktivisten ist die Festnahmewelle in
Süditalien ein harter Schlag. Die Globalisierungskritiker hatten
vergangene Woche den Erfolg des Europäischen Sozialforums in Florenz
vergangene Woche gefeiert. An der Großdemonstration gegen einen
Militärangriff auf den Irak, der größten Friedensdemonstration Europas
der letzten Jahre, hatten sich über eine halbe Million Personen
beteiligt.

Proteste gegen Festnahmen von No Global-Aktivisten

Die Festnahme von 20 führenden Globalisierungsaktivisten schlägt hohe
Wellen. Spontane Solidaritätsdemonstrationen mit den Festgenommenen
fanden in mehreren italienischen Städten statt. In Bologna besetzten
einige Aktivisten der No Global-Bewegung einige Stunden lang den
zentralen Polizeisitz. In Florenz wurden Sit-ins organisiert.
Metallarbeiter, die am Freitag auf den Straßen gegen die massive
Streichung von Arbeitsplätzen beim Turiner Autokonzern Fiat
protestierten, solidarisierten sich mit den Festgenommenen. Weitere
Solidaritätskundgebungen sind für morgigen Samstag in ganz Italien
geplant.

Solidarisch mit den Festgenommenen erklärte sich auch der französische
Bauernführer Jose Bove. „Die Justizbehörden wollen unsere Bewegung in
Verruf bringen“, sagte Bove, der vergangene Woche den Protestzug des
Europäischen Sozialforums in Florenz geführt hatte. „Diese Festnahmen
haben eine politische Bedeutung“, fügte er hinzu. (APA/red)

2002-11-16-news
Quelle: http://www.news.ch/detail.asp?ID=124124

news.ch
Samstag, 16. November 2002 / 18:12:29

Italiens Opposition vermutet hinter Festnahmen Komplott

Rom – Nach der Verhaftung von 20 führenden Globalisierungsgegnern in
Italien vermutet die Opposition ein politisches Komplott. In mehreren
Städten wurden Proteste gegen die Festnahmen organisiert.

Die am Freitag Festgenommenen sollen nach Behördenangaben bei
internationalen Treffen wie dem G8-Gipfel in Genua und dem
Global-Forum im März 2001 in Neapel für Krawalle und Verwüstungen
gesorgt haben. Sie hätten ausserdem Demonstranten zum Widerstand gegen
die Polizei und zur Strassenrevolte aufgehetzt, behaupten die
Staatsanwälte.

Die Verhaftungswelle scheint das Resultat eines politischen Kalküls zu
sein, sagte hingegen Ex-Gewerkschaftschef Sergio Cofferati am
Samstag. Der Vorsitzende der Linksdemokraten, Piero Fassino, erklärte
sich angesichts der Initiative der Staatsanwälte der süditalienischen
Stadt Cosenza sprachlos.

Die Festnahmewelle erscheine ihm eine Racheaktion nach dem Erfolg der
Friedensdemonstration in Florenz, sagte Fassino. An der
Grossdemonstration gegen einen Militärangriff auf Irak, der grössten
Friedensdemonstration Europas der letzten Jahre, hatten sich über eine
halbe Million Personen beteiligt.

Heftig attackiert wurden die Ermittler auch von den Grünen, die zu den
aktivsten Sympathisanten der No Global-Bewegung
zählen. Altkommunisten-Chef Fausto Bertinotti sprach von einer
skandalösen Kriminalisierungskampagne gegen die No Global-Aktivisten.

Spontane Solidaritäts-Initiativen mit den Verhafteten wurden am
Samstag in mehreren italienischen Städten organisiert. Vor der
Strafanstalt der Stadt Trani, in der der Chef der süditalienischen
Globalisierungskritiker Francesco Caruso inhaftiert ist,
demonstrierten Hunderte von Freunden, die mit ihm vergangene Woche den
Protestzug durch die Strassen von Florenz geleitet hatten.

fest (Quelle: sda)

2002-11-16-jw
Quelle: http://www.jungewelt.de/2002/11-16/001.php

junge Welt vom 16.11.2002

Berlusconi buchtet ein

Repressionswelle in Italien: 20 Aktivisten der »no-global«-Bewegung
festgenommen / Damiano Valgolio

Die italienische Regierung schwingt gegen ihre Kritiker die
Repressionskeule. In der Nacht zum Freitag sind 20 Vertreter der
globalisierungskritischen Bewegung festgenommen worden. Unter den
Verhafteten befinden sich auch die beiden Sprecher des
süditalienischen »no global«-Netzwerkes, Francesco Caruso und Giuseppe
Fonzino. Insgesamt wird gegen 41 Personen in ganz Italien
ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, die »Zersetzung der demokratischen
Ordnung« betrieben zu haben. Von den Verhafteten sind noch am Freitag
13 in das Gefängnis von Trani gebracht worden, die übrigen sieben
wurden unter Hausarrest gestellt. Die offenbar lange vorbereitete
Aktion der Staatsanwaltschaft von Cosenza fand knapp eine Woche nach
Abschluß des Europäischen Sozialforums von Florenz statt. Die meisten
Inhaftierten gehörten zu den Organisatoren des Forums, das am
vergangen Samstag mit einer Demonstration gegen Neoliberalismus und
Krieg endete. Weit über eine halbe Million Menschen hatten sich an der
seit langem größten Antikriegsdemonstration in Europa beteiligt.

Vertreter der italienischen Linken bezeichneten die Verhaftungen am
Freitag als »unglaubliche Provokation«. Bereits am Mittag kam es im
ganzen Land zu Protesten. Unter anderem in Rom und in Mailand
demonstrierten mehrere tausend Menschen für die sofortige Freilassung
aller Inhaftierten. In Bologna besetzte eine Gruppe der
»disobbedienti«, einer Bewegung aus autonomen Gruppen und der
Kommunistischen Jugend, das Gebäude der Staatsanwaltschaft. Für den
heutigen Nachmittag haben die »disobbedienti« eine Großdemonstration
in Neapel angekündigt, der Heimatstadt der meisten Inhaftierten.

Fausto Bertinotti, Vorsitzender der »Rifondazione Comunista« (PRC),
äußerte gestern in einer Stellungnahme zu den nächtlichen Verhaftungen
»große Besorgnis und Wut«. Er bezeichnete die Repressionsmaßnahmen der
Berlusconi-Regierung als durchsichtiges Manöver, »um die gesamte
soziale Bewegung zu treffen und einen Schock zu erzeugen«.

Tatsächlich werden den Verhafteten keine Gewalttaten vorgeworfen,
sondern Aktionen, die seit Jahren im Rahmen des zivilen Ungehorsams
praktiziert werden. Der Paragraph 270/2, mit dem Caruso und die
übrigen »no global«-Aktvisten kriminalisiert werden sollen, bezieht
sich unter anderem auf das Besetzen von Gebäuden oder das Blockieren
von Straßen. In den letzten 30 Jahren ist dieser Paragraph in keinem
Strafverfahren angewendet worden. Wichtige Vertreter der
globalisierungskritischen Bewegung, wie der katholische Pfarrer Don
Vitaliano, haben angekündigt sich aus Solidarität selbst anzuzeigen.

Am Freitag protestierten auch die streikenden Arbeiter des
italienischen Autoherstellers FIAT mit Blockaden gegen geplante
Massenentlassungen. Diese Aktionen, die sie »sozialen Ungehorsam«
nennen, hatte die Gewerkschaft FIOM gemeinsam mit dem »no
global«-Netzwerk vorbereitet. Offenbar war diese Zusammenarbeit ein
weiterer Grund für die Verhaftungen in der Nacht vor den
Protesten. »Die Regierung will die Bewegung gerade jetzt
kriminalisieren, wo ihre Positionen und Aktionsformen immer größeren

Anklang bei der Bevölkerung und den Gewerkschaften finden. Ich habe
gerade Widerspruch eingelegt und eine gerichtliche Überprüfung
beantragt«, sagte Rechtsanwalt Malinconico, der den Inhaftierten
Caruso vertritt, im Gespräch mit jW. Die Metallarbeitergewerkschaft
FIOM hat unterdessen ihre Solidarität mit den Verhafteten erklärt.

2002-11-18-bz
Quelle: http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politik/.html/194142.html

Berliner Zeitung
Politik
Montag, 18. November 2002

Proteste gegen Verhaftungswelle in Italien
20 Globalisierungsgegner festgenommen

Thomas Götz

ROM, 17. November. Die Festnahme von 20 Globalisierungskritikern in
Italien hat am Wochenende im ganzen Land Demonstrationen
provoziert. In Rom protestierten 10 000 Menschen gegen die
Verhaftungen. Die Polizei trat mit Helmen, Schlagstöcken und
Tränengaspistolen gegen die Demonstranten an. Der offenbar befürchtete
Sturm auf den Regierungssitz Palazzo Chigi blieb jedoch aus.

Die 20 Globalisierungsgegner waren am Freitag bei Razzien in ganz
Italien festgenommen worden. Ihnen werden politische Verschwörung,
Subversion, aufrührerische Propaganda, Angriff auf die Verfassung und
Eindringen in öffentliche Gebäude vorgeworfen, wie die Polizei
erklärte. Die Vorwürfe beziehen sich auf ein Regierungstreffen im März
vergangenen Jahres in Neapel und den G-8-Gipfel in Genua im Juli. Die
Demonstranten warfen der Regierung vor, sie versuche, eine friedliche
Bewegung zu zerschlagen.

Angebliche Umsturzpläne

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft von Cosenza stieß bei der
Opposition auf Unverständnis. Der Anklagetext bezieht sich auf einen
Paragrafen des „Codice Rocco“ aus den dreißiger Jahren, ein Gesetz,
das dem faschistischen Regime die Verhaftung politischer Gegner
ermöglichte. Die Inhaftierten hätten den „Umsturz der staatlichen
Ordnung“ vorbereitet und sich „verschworen, um die Arbeit der
Regierung zu behindern“, wirft der Ankläger den vorwiegend
jugendlichen Häftlingen vor. Einige der Beschuldigten hätten Kontakte
mit nach Frankreich geflüchteten ehemaligen Terroristen, behauptet die
Anklageschrift. Sie wurde am 4. November unterzeichnet, also vor dem
„Europäischen Sozialforum“ in Florenz, das vergangene Woche ohne die
befürchteten Zwischenfälle zu Ende gegangen war.

Gegen den verhafteten Francesco Caruso, der die
Globalisierungskritiker in Neapel anführt, sprechen Aufnahmen von den
Unruhen in Neapel im Vorjahr. Caruso wurde in der Nähe einer Gruppe
fotografiert, die gerade Schlagstöcke für den Kampf gegen die Polizei
verteilt. Andere Angeklagte waren als Zeugen in Verfahren gegen
Polizisten aufgetreten, denen Gewaltanwendung gegenüber Demonstranten
vorgeworfen wird.

Staatsanwalt Domenico Fiordalisi, der Autor der Anklageschrift, stand
bereits einmal wegen seines forschen Vorgehens in der Kritik. 1991
ließ der junge Jurist im süditalienischen Ort Paola den
christdemokratischen Bürgermeister und Gemeinderäte des Städtchens
verhaften. Das Justizministerium schickte eine Untersuchungskommission
nach Paola, die dem Juristen kein gutes Zeugnis ausstellte.

Linke Oppositionspolitiker erklärten, die Regierung schüre bewusst die
Spannung, um Globalisierungskritiker und jegliche Opposition
kriminalisieren zu können. Die Globalisierungskritiker wollen am
Dienstag in Rom entscheiden, wie sie künftig vorgehen wollen. Sie
kündigten weitere Protestmärsche an, bis die Inhaftierten wieder frei
wären. Die Anwälte beantragten ein Haftprüfungsverfahren. (mit dpa)

2002-11-18-taz
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/18/a0055.nf/text

taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 2, 84 TAZ-Bericht MICHAEL BRAUN

Proteste in Italien

Die in Italien festgenommenen Globalisierungskritiker werden weiter
verhört. Schwache Beweislage, bizarre Methoden, heftige Proteste

ROM taz · Die 20 Globalisierungskritiker, die in Italien unter dem
Vorwurf staatsfeindlichen Verhaltens festgenommen worden sind, haben
alle Anschuldigungen zurückgewiesen. „Die Handschellen werden unseren
Kampf nicht stoppen“, schrieb der inhaftierte Vorsitzende der
Globalisierungsgegner von Neapel, Francesco Caruso, gestern.

Er und 19 weitere Aktivisten waren am Freitag auf Antrag der
Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Cosenza in
Untersuchungshaft genommen worden. Seit Samstag werden sie von den
Staatsanwälten vernommen. Die Staatsanwaltschaft Cosenza erhebt im
Haftbefehl schwerste Anschuldigungen: Mittels Bildung der Vereinigung
„Sud Ribelle“ habe die Gruppierung politische Konspiration betrieben,
um die Regierung an der Ausübung ihrer Funktionen zu hindern, um
„subversive Propaganda“ zu treiben und gewaltsam die wirtschaftliche
Ordnung des Landes umzustürzen.

Am Haftbefehl fällt aber nicht nur auf, dass als eines der Ziele der
Vereinigung die Verhinderung der internationalen Gipfel in Neapel
(März 2001) und Genua (Juli 2001) genannt, die Gründung des
subversiven Clubs jedoch auf den Mai 2001 datiert wird – der Verein
hätte es damit geschafft, schon vor seiner Bildung aktiv zu
werden. Auch sonst bietet der Haftbefehl keinen einzigen Beweis.

Das braucht er auch nicht. Die „Konspiration“ – ein im Faschismus
geschaffener Straftatbestand – liegt nicht erst bei Taten, sondern
schon bei Absichten vor. Und diese „dokumentieren“ die Staatsanwälte
in bizarrer Manier. So wird einer Verhafteten vorgehalten, sie sei in
Genua als Reporterin von Radio GAP unterwegs gewesen. GAP steht für
Global Audio Project, der Staatsanwalt jedoch erinnert sich, dass auch
die terroristische Gruppe des 1972 umgekommenen Giangiacomo
Feltrinelli sich GAP nannte – und unterstellt den Angeklagten schlicht
wegen des Kürzels umstürzlerische Absichten.

So schwach die Beweislage, so dramatisch war die Inszenierung. Alle
Verhafteten wurden in Hochsicherheitsgefängnisse gebracht, die
gewöhnlich Mafiosi und Terroristen vorbehalten sind. Die Bewegung der
Globalisierungskritiker, aber auch der Gewerkschaftsbund CGIL und die
Partei der Linksdemokraten reagierten mit scharfer Kritik auf die
Verhaftungswelle, und schon am Samstag demonstrierten in Rom, Neapel
und zahlreichen anderen Städten zehntausende unter dem Slogan „Wir
sind alle subversiv“ für die Freilassung der Globalisierungsgegner.
MICHAEL BRAUN

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Teil 1: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=302
Teil 2: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=303
Teil 3: https://www.imi-online.de/2002.php3?id=304