in: junge Welt vom 12.10.2002

Ewiges Imperium im Krieg

Jürgen Wagner bilanziert die Außenpolitik der USA nach dem 11. September 2001

von: Dirk Eckert | Veröffentlicht am: 15. Oktober 2002

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Ein Jahr nach den Anschlägen in New York und Washington tut eine wissenschaftliche Bearbeitung des Themas gut. Jürgen Wagner hat mit seinem im VSA-Verlag erschienenen Buch »Das ewige Imperium« die Außenpolitik der USA nach dem 11. September untersucht. Washington setzt demnach weiter auf die »imperiale Strategie«, wie Wagner sie nennt. Diese folge der Theorie des offensiven Realismus und reagiere auf die Herausforderung mit einem weiteren Ausbau eigener Macht.

Wagner, als Vorstandsmitglied der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) selbst in der Friedensbewegung aktiv, belegt seine These mit einer Untersuchung der Antiterrorstrategie der Bush-Regierung, die unter dem Deckmantel des »Krieges gegen den Terror« willkürlich Länder als Freunde ansieht oder als «Achse des Bösen« zum Abschuß freigibt und dabei auch den Bruch des Völkerrechts in Kauf nimmt ? gerade so, wie es den eigenen Interessen nützt. Zu letzterem zählt Wagner den Krieg gegen Afghanistan. Die Anschläge am 11. September 2001 seien da nur der »Auslöser eines längst beschlossenen Krieges« gewesen: Eines Krieges um den »Zugang zu Schlüsselmärkten und strategischen Ressourcen«, den ein offizielles Dokument der amerikanischen Regierung als vitales Interesse der USA bezeichnet.

Die Politik der Machtmaximierung fordert natürlich ihren Preis. Als solchen ordnet Wagner auch die Terroranschläge ein. »Die den Attentaten des 11. September zugrundeliegenden Motivationen einzig auf religiösen islamischen Fundamentalismus zu reduzieren, greift einfach zu kurz.« In den USA war es vor allem die Linke um den Sprachwissenschaftler Noam Chomsky, die die Anschläge von New York und Washington sofort in den Kontext der eigenen Außenpolitik gestellt haben. An ihnen orientiert sich auch Wagner. »Die aus den Theorien der realistischen Denkschule abgeleitete imperiale Politik der USA riskiert auf unverantwortliche Weise zahllose Menschenleben, nicht nur in den Vereinigten Staaten, und muß deshalb kritisiert werden. Als eine Art self-fullfilling prophecy verhindert sie deeskalierende Maßnahmen und macht damit die Möglichkeit zu einem friedlichen Zusammenleben unmöglich.«

Wagner hat seine ursprünglich als Studie der PDS-Bundestagsfraktion erschienene Untersuchung quellenmäßig gut belegt. Es dürfte kaum einen Aufsatz eines amerikanischen Fachblatts geben, der seiner Literaturrecherche entgangen ist. Der politikwissenschaftliche Ansatz des Buches verhindert es, daß die Kritik an der US-Politik ins Antiamerikanische abrutscht und vermeintliche typische amerikanische Eigenschaften wie Gewalttätigkeit, Cowboymentalität oder ähnlicher Unsinn als Erklärungsmuster auftauchen ? auch wenn vielleicht das Cover des Buches mit Cowboy Bush etwas anderes vermuten läßt. Wagner leitet das Verhalten der USA richtigerweise aus der Stellung der Vereinigten Staaten im Internationalen System ab und spricht mit Bruce Cronin vom »Paradox der Hegemonie«, mit dem die USA als hegemoniale Macht zu kämpfen hätten. Demnach neigt der Hegemon dazu, Regeln zu brechen, weil er das ungestraft tun kann. Damit untergräbt er aber gleichzeitig die Stabilität der Ordnung, die er erhalten will.

Aus einer linken, herrschaftskritischen Perspektive, die Wagner einnimmt, kann es deshalb auch keine Lösung sein, auf die EU als militärische Konkurrentin zu setzen. »Unweigerlich würde eine zweite Macht etabliert werden, deren Präferenzen ebenfalls nicht auf einem friedlichen Zusammenleben der Völker liegen, sondern die sich ausschließlich an den militärischen Kategorien von Gut und Böse, Sieg und Niederlage orientiert«, so Wagner. Genau darauf setzt die EU, die bis 2003 eine 60000 Soldaten starke »Interventionsarmee« aufstellen will.

Ganz will aber auch Wagner nicht auf einen »europäischen Verbund« verzichten, der in der Lage sein soll, den »Prozeß der Globalisierung zu steuern und die Macht der transnationalen Konzerne zu beschränken«. Gleichzeitig warnt er aber vor zuviel Hoffnung auf Regierungen. Sein Herz schlägt, das ist deutlich zu spüren, für außerparlamentarischen Druck und die Zusammenarbeit von Friedensbewegung, Friedensforschung und globalisierungskritischer Bewegung.

* Jürgen Wagner: Das ewige Imperium. Die US-Außenpolitik als Krisenfaktor, VSA-Verlag Hamburg, August 2002, 172 Seiten, 12,80 Euro