in: Neues Deutschland, Samstag, 31.08.2002 / IMI-Analyse 2002/63

Die Union und das deutsche Militär

"Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser" - die Vorstellungen der CDU/CSU

von: Michael Haid | Veröffentlicht am: 5. September 2002

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Das Wahl-Motto Gerhard Schröders von der Bundestagswahl 1998 könnte man auf die politischen Vorhaben Edmund Stoibers übertragen, falls er am 22. September zum Bundeskanzler gewählt werden sollte. „Wir machen nichts anders, aber vieles besser“, bedeutet, die zukünftige Politik eines Bundeskanzlers Stoiber wird die bisherige Kriegspolitik eines Bundeskanzlers Schröder keinesfalls ablösen. Der Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee wird weitergehen, und diese Bundeswehr wird weiterhin dazu genutzt werden, deutsche Interessen weltweit militärisch durchzusetzen. Nur: Stoiber und die CDU/ CSU-Führung möchten dies viel besser (durch mehr Geld, mehr Spezialtruppen und stärkere Interessendurchsetzung vor allem in der EU, aber auch in der NATO) zu Stande bringen.

Diese zukünftige Politik wird unter den Vorzeichen der Anschläge des 11. Septembers und seinen weltpolitischen Folgen stehen und legitimiert werden. Mit dieser neuen Legitimationsgrundlage ist es nun möglich, ältere Forderungen wie den Einsatz der Bundeswehr im Innern, die Beschneidung des parlamentarischen Entscheidungsrechts bei Auslandseinsätzen oder die Aufstockung des Verteidigungshaushalts, durchzusetzen.

Die Chance durch die Anschläge eine neue, bedeutendere Rolle einzunehmen, bestätigt sich durch einen Leitantrag des CDU-Bundesvorstands, worin es diesem „eben nicht nur um Solidarität mit Bündnispartnern, sondern (…) für uns als Bundesrepublik Deutschland auch um die Wahrung unseres eigenen, existenziellen Sicherheitsinteresses (gehe)“ . Auf der 31. Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth im Januar wurde festgehalten, dass der Kanzler mit seinem Versprechen von der „uneingeschränkten Solidarität“ verhindert habe, klarzustellen, „dass Deutschland nicht nur abgeleitete, sondern eigene, nationale Interessen in der Terrorismusbekämpfung wahrnehmen muss“. So äußerste sich Stoiber in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2002: „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel der Sicherheitspolitik (…) In der aktuellen Situation sehe ich die Chance und den Auftrag zur Herausbildung einer neuen globalen Sicherheitsarchitektur“ . Volker Rühe pflichtete ihm bei anderer Gelegenheit bei, dass „angesichts der aktuellen Herausforderungen (…) die Grundkoordinaten der auswärtigen Beziehungen wieder an den vitalen Interessen Deutschlands ausgerichtet und wieder ins Lot gebracht werden (müssen)“. Um diese Chance verwirklichen zu können, liegt die Betonung der Präferenzen der CDU/CSU-Strategen eindeutig auf der EU und der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik als Partner der USA und starker, immer unabhängigerer Akteur.

Als ersten Schritt zur Effektivierung der europäischen militärischen Ressourcen ist der Vorschlag des Bundesvorstands zu werten, eine 5000 Mann umfassende europäische Spezialkräftetruppe, einschließlich des Kommandos Spezialkräfte, als quasi Sofortmaßnahme aufzustellen. Diese Truppe wäre eine Zusammenlegung der Spezialkräfte der drei wichtigsten europäischen Mächte Großbritannien, Frankreich und Deutschland und würde hauptsächlich das britische Special Air Service (SAS), die französischen „Force spéciales francaises“ und das deutsche Kommando Spezialkräfte (KSK) umfassen. Diese Spezialkräfte sollen europäische militärische Macht in den neuen Antiterror-Kriegen projiezieren helfen.

Die Osterweiterung

Die Vorstellungen, die Politik der EU zu gestalten, weisen auf zwei Hauptlinien hin. Einerseits soll die Osterweiterung der Europäischen Union bis 2004 mittel- und osteuropäische Staaten umfassen, die den ökonomischen und geostrategischen Belangen Deutschlands gewaltig Rechnung tragen würden. Gerade ökonomisch versprach sich Volker Rühe viel. Am Beispiel Polens erläuterte er, dass über 40 Prozent der EU-Exporte nach Polen aus der BRD stammten und der deutsche Handel mit Polen seit 1995 um 70 Prozent gestiegen sei. Im gleichen Zeitraum habe sich der deutsche Export verdoppelt.

Rühe stellte die Vorteile einer Erweiterung unmissverständlich heraus: „Durch die Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten und ihrer Wachstumsmärkte wird die Europäische Union als mit Abstand größter Binnenmarkt der westlichen Welt ihre Interessen im globalen Wettbewerb besser behaupten können, sie wird ihr Gewicht und ihren Einfluss in der Welt und in den internationalen Organisationen wie der UNO und der Welthandelsorganisation WTO erhöhen können. Ein solches stabiles und starkes Europa wird als ein wirksamer Stabilitäts- und Ordnungsfaktor handeln können und wird damit auch die transatlantische Partnerschaft stärken.“
Die Osterweiterung ist nicht nur ökonomisch lukrativ, sondern sie müsse mit einer Übernahme der Protektorate Bosnien, Mazedonien und Kosovo durch die Europäische Union einhergehen. Auf dem 14. Parteitag der CDU in Dresden im Dezember 2001 hieß es: „Wir sollten vielmehr von uns aus Vorschläge machen, wie Europa eine stärkere Rolle übernehmen kann. Deswegen sollten wir uns bereits heute darauf einstellen, die Friedensmissionen nicht nur in Mazedonien, sondern auch in Bosnien und mittelfristig auch im Kosovo in europäischer Hauptverantwortung durchzuführen.“

Der Kaspische Raum

Des weiteren versucht die CDU/CSU-Führung die NATO auf eine Aufnahme der Staaten Bulgarien und Rumänien zu drängen. Die Gründe hierfür sind eindeutig. Auf dem deutsch/europäischen Hinterhof Balkan soll Ruhe herrschen. Die Blickrichtung hat sich längst, angesichts der zunehmenden Abhängigkeit der EU von Erdöl und Erdgas aus dem Nahen Osten und dem Gebiet des Kaspischen Beckens, auf diese Regionen konzentriert. So äußerte sich die CSU-Landesgruppe im deutschen Bundestag: „Auf Grund der zahlreichen Konflikte im Krisenbogen Balkan, Kaukasus, Naher und Mittlerer Osten und nördlicheres Afrika werden wir (…) den strategischen Focus der Nordatlantischen Allianz nach Südosten ausrichten. Auch deshalb müssen beim NATO-Gipfeltreffen im Herbst (…) auch Rumänien und Bulgarien zum Beitritt eingeladen werden.“

In einem Antrag der CDU im Bundestag legte diese nach, indem man sich von der Überlegung leiten lassen sollte, „dass eine um Bulgarien und Rumänien erweiterte NATO für den krisengeschüttelten Balkan einen spürbaren Stabilitätsgewinn bedeuten würde und dass diesen Ländern mit Blick auf die Verbindung zur Türkei sowie auf Grund der gemeinsamen Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine eine herausgehobene geostrategische Bedeutung zukommt“. Dabei kommt es nicht so sehr auf das teure Vorhaben an, diese Staaten auch wirklich auf NATO-kompatible Militärstandards zu bringen, sondern Bulgarien und Rumänien werden eher für die Zwecke westlicher Staaten benutzt. Der Nutzen Bulgariens und Rumäniens liegt in der Gewährung von Überflugsrechten, beim Zugang zum Schwarzen Meer und bei dem Vorteil, dass der Kernbereich ihres Militärs (spezielle Einheiten) schon NATO-kompatibel ist. Die Forderung der CDU/CSU scheint mehr in Richtung Benutzung Bulgariens und Rumäniens hinauszulaufen als auf eine vollständige Integration dieser Staaten. In dem deutsch-französischen Seminar der CDU-nahen Konrad-Adenauer Stiftung wird die Bedeutung des kaspischen Raums für die Europäische Union nochmals hervorgehoben. „Auch für eine Regelung der ethnischen Konflikte im südlichen Kaukasus muss Europa einen größeren Beitrag leisten. Im Windschatten der Afghanistan-Operation ist der Konflikt um das von Georgien abtrünnige Abchasien erneut eskaliert, und der staatliche Zusammenhalt Georgiens ist akut gefährdet ? es entsteht ein neues ?schwarzes Loch? der Ordnungslosigkeit. Es wird höchste Zeit, dass die EU mit politischen Initiativen und wirtschaftlicher Flankierung zur Stabilisierung dieser strategisch bedeutsamen Schnittstelle zwischen Europa und dem ressourcenreichen kaspischen Raum beiträgt.“

In diesem Zusammenhang ist auch das Bestreben der CDU/CSU zu sehen, der Behandlung der Türkei durch die EU eine neue Qualität zu verleihen. Diesem Schlüsselstaat zum Nahen- und Mittleren Osten soll eine Mitentscheidungsbefugnis in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gewährt werden. Als Gegenleistung erhält die EU die türkische Infrastruktur für militärische Operationen im Kaspischen Raum. Wohlgemerkt für europäische Operationen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und nicht im Rahmen der NATO, denn in der NATO ist die Türkei schon längst Mitglied, genauso wie auch alle relevanten Staaten der EU.

In dem schon erwähnten Vortrag Volker Rühes vor dem Forum „Wirtschaft und Politik“ führte der Ex-Verteidigungsminister aus: „Die Mehrzahl potenzieller ESVP-Einsatzszenarien befindet sich in geographischer Nähe zur Türkei, wodurch eine Inanspruchnahme türkischer Nachschubwege unabdingbar wird. Das hat sich aktuell im Krieg gegen das Taliban-Regime in Afghanistan gezeigt. (…) die EU sollte der Türkei den Status eines assoziierten ESVP-Mitglieds verleihen.“
Es scheint sich herauszukristallisieren, dass der Türkei eine neue Rolle in der EU-Konzeption zugedacht werden soll und die bisherige Kritik der EU an Menschenrechtsverletzungen des türkischen Staates in den Hintergrund treten werden, angesichts der Stellung der Türkei in der kommenden „zweiten Phase des Krieges gegen den Terror“.

Die Bundeswehrreform

Zu all diesen außenpolitischen Vorhaben der Konservativen ist eine Änderung des bisherigen Umbaus der Bundeswehr wie sie im Juni 2000 vom damaligen Verteidigungsminister Scharping beschlossen wurde, nötig. In mehreren Bereichen wird sich doch einiges erheblich ändern. Die Bundeswehrgröße soll 300000 SoldatInnen bei einem Wehrpflichtigenanteil von 100000 Soldaten betragen. Das Modell sechs Monate Wehrdienst und zwei mal sechs Wochen „Auffrischung“ innerhalb von drei Jahren soll abgeschafft werden. Statt dessen können Wehrpflichtige nun, freiwillig versteht sich, aber versüßt durch hohe Auslandsvergütungen, ab dem sechsten Dienstmonat an Auslandseinsätzen teilnehmen (für Auslandseinsätze gekauft werden, könnte man ergänzen). Erstaunlich ist die Tatsache, dass die CDU-Führung mit der Beibehaltung der Wehrpflicht (der Wehrpflichtigen-Anteil wird sogar gegenüber dem SPD-Modell erhöht) die Armee verhindert, die für weltweite Interventionen am effizientesten wäre: die Berufsarmee. Die CDU/ CSU steht somit ihren deklarierten Zielen selbst im Weg.

Die neue Bundeswehrstruktur soll hauptsächlich an die „Herausforderungen des Terrorismus“ angepasst sein. So steht im Regierungsprogramm der CDU/CSU: „Eine zeitgemäße Bundeswehrreform baut auf einer Neuorientierung und Anpassung der Zielsetzung der deutschen Streitkräfte auf. Für die Zukunft wichtige Fähigkeiten sind: Rasche Einsatzfähigkeit schnell verlegbarer Verbände, personelle und materielle Durchhaltefähigkeit, höchste technische Standards bei der Bewaffnung, bei den Führungs- und Kommunikationsmitteln und bei der Aufklärung. Zur Abwehr der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus sind mehr Antiterroreinheiten, Gebirgs- und Fallschirmjäger notwendig und auch eine Verstärkung der Kräfte zum Objektschutz, des Pionierwesens, des ABC-Schutzes und des Sanitätswesens.“

Terror als Rechtfertigung

Besonders nach dem 11. September 2001 wird die Feststellung gemacht, dass durch die „asymmetrische Kriegsführung“ anscheinend die äußeren und inneren Bedrohungen immer mehr ineinander übergehen, so dass die Bundeswehr nicht nur gegen äußere Bedrohungen, sondern auch gegen Bedrohungen im Innern eingesetzt werden soll. Im Regierungsprogramm lautet dies so: „Innere und äußere Sicherheit lassen sich immer weniger voneinander trennen. Wir brauchen Strukturen, in denen sich die Kräfte für äußere und innere (…) Sicherheit wirksam ergänzen. Wir werden klare Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten schaffen, um in besonderen Gefährdungslagen den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen ihrer spezifischen Fähigkeiten ergänzend zu Polizei und Bundesgrenzschutz zu ermöglichen.“

Um dieses Vorhaben umzusetzen, müsste mit einer 2/3-Mehrheit im Bundestag eine Verfassungsänderung herbeigeführt werden, die es bisher, auch gerade durch die Brisanz dieses Themas, nicht gab. Der Schluss liegt jedoch nahe, dass dieses Mal eine Verfassungsänderung nicht mehr vollständig ausgeschlossen werden kann. Erstens werden im Zeitalter der Globalisierung Territorialgrenzen in ihrer Bedeutung relativiert. Eine eindeutige Trennung zwischen Innenpolitik und Außenpolitik in der BRD wird als zunehmend fragwürdig betrachtet. Und zweitens stehen vor diesem Hintergrund alle Parteien außer der PDS einem Einsatz der Bundeswehr im Innern nicht mehr vollständig ablehnend gegenüber.

„Die Bundeswehr benötigt einen Verteidigungshaushalt von 50 Milliarden DM im nächsten Jahr und ein stetiges Wachstum. Darüber hinaus sind Anschubfinanzierungen für ein Investitionsprogramm in Höhe von 2 Milliarden DM erforderlich“. Der Vorschlag Volker Rühes geht noch weiter, er will „den Verteidigungshaushalt auf rund 26 Milliarde Euro anheben. Zusätzlich wird eine einmalige Anschubfinanzierung von 1 Milliarde Euro für Sofortmaßnahmen in weitgehender Eigenverantwortung der Kommandeure bereitgestellt, (…) Im Finanzplan wird eine Steigerung vorgesehen: der Verteidigungsetat wird um 6 Prozent für wenigstens vier Haushaltsjahre weiter aufgestockt.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Kontinuität der ungesicherten Finanzierung (wie vom ehemaligen Verteidigungsminister Scharping bereits vorgeführt), von Mammutprojekten, wie dem Airbus-Militärtransporter, am Bundestag vorbei fortgeführt werden wird. Anscheinend soll allein die Regierung über Krieg und Frieden entscheiden dürfen, da die parlamentarische Kontrolle ausgeschaltet werden soll. Dass diese Äußerung ein ernsthafter Gedanke ist, wird durch die Ernennung Wolfgang Schäubles ins „Kompetenzteam“ Stoibers als Verantwortlicher für Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik unterstrichen. Schäuble war nämlich derjenige, der in der Debatte um den Mazedonien-Einsatz vor einem Jahr für die Abschaffung des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen plädierte.

Die Ursprünge seiner Idee gehen allerdings schon auf das Jahr 1993 zurück, als Auslandseinsätze der Bundeswehr verfassungsrechtlich noch unzulässig waren. Die Verfassungsmäßigkeit von Out-of-area-Einsätzen, die nicht eindeutig einen humanitär-helfenden Charakter haben, wurde vom Bundesverfassungsgericht erst am 12. 7. 1994 im so genannten Awacs-Urteil festgestellt. Bedeutend war damals allerdings auch, dass alle Parteien im Bundestag außer der CDU/CSU Positionen inne hatten, die Bundeswehreinsätze ablehnten. Aktuell wurde in den vergangenen Monaten die Debatte um eine Beteiligung der Bundeswehr an einem US-amerikanisch geführten Angriff auf Irak auf die bundesdeutsche Agenda transferiert. Während der amtierende Bundeskanzler im März 2002 noch eine interne Zusage an Bush gab, einer deutschen Beteiligung unter der Bedingung eines UN-Mandats und der Zusicherung, dass der Krieg erst nach der Bundestagswahl stattfindet, zuzustimmen, änderte Schröder seine Meinung aus wahltaktischen Überlegungen in eine kategorische Ablehnung.

Hingegen schien sich bislang das CDU/CSU-Lager weniger von wahltaktischen Überlegungen leiten zu lassen. Der Kanzlerkandidat Stoiber selbst äußerte sich nur vage zu diesem Thema. In der Regel sprach er schwammig von diplomatischem und politischem Druck, den es auf Saddam Hussein auszuüben gelte und weiter behauptete er, die Frage eines Militäreinsatzes würde sich ihm nicht stellen. Diese Einschätzung änderte er nun kurzfristig und schwenkte eher auf die Linie Schröders ein.

Seine „Spezialisten“ für Außenpolitik sprechen dagegen eine detailliertere Sprache, was unter seiner Kanzlerschaft geschehen wird. Wolfgang Schäuble vertritt die Auffassung einen Krieg gegen den Irak sollte Deutschland mittragen, wenn dieser durch ein Mandat der UN gedeckt wäre. Diesen Deckmantel der Legitimation hält der Vorsitzende des Europaausschusses und Anwärter auf den Posten des Außenministers Friedbert Pflüger hingegen schon für nicht mehr nötig. In der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ hält dieser für einen Militärschlag ein entsprechendes UN-Mandat zwar für „wünschenswert, aber wirklich nicht erforderlich“. Er rechtfertigte einen Angriff gegen das Regime in Bagdad folgendermaßen: „Wenn die Klapperschlange direkt vor mir ist und ihre Giftzähne zeigt, dann kann ich doch nicht sagen: Sie will nur spielen. Dann muss ich ihr einen Schlag auf den Kopf geben, bevor sie mich beißt.“

Es lässt sich wohl kaum mit Blauäugigkeit entschuldigen, wenn man/frau nicht vermutet, dass nach einer gewonnenen Bundestagswahl Stoiber auf die Linie Schäuble/Pflüger einschwenken wird. Das Ergebnis dieser vorgezeichneten Entwicklung lässt deutlich erkennen, dass erstens die Konservativen die Kriegspolitik der jetzigen Koalition mit einem dritten Kriegseinsatz fortschreiben werden. Es wird mitnichten die Frage gestellt, ob eine Beteiligung geschehen solle, sondern nur wie, mit oder ohne UN-Beschluss. Zweitens fiele die Floskel der UN-Legitimation bei Kriegseinsätzen weg. Diese Pseudo-Legitimation wurde schon im Jugoslawien-Krieg nicht mehr benutzt. Drittens hat also wohl die Rechtfertigung von „humanitären Interventionen“ ebenfalls ausgedient. In der Wahrnehmung der CDU/ CSU scheint sich die Bevölkerung nun soweit an Militäreinsätze gewöhnt zu haben, dass Rechtfertigungsmuster wie UN-Mandate und Humanismus für Kriegseinsätze nicht mehr herhalten müssen und diese als lästig empfundene Hindernisse nun endgültig aus dem Weg geräumt werden können.

Michael Haid ist Beirat der Informationsstelle Militarisierung. Er studiert in Tübingen Politikwissenschaft. Haid ist unter anderem Autor der Studie „Darstellung der neuen strategischen Grundlagen der Bundeswehr im 21. Jahrhundert“ Die Informationsstelle in Tübingen ist zu erreichen unter www.imi-online.de.

Original: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=22738&IDC=2