Quelle: Frieden-mannheim.de

Anläßlich des Flugschau-Unfalls in der Ukraine, Ramstein-Rede von Mathias Kohler von 1988

"Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!"

von: Mathias Kohler / Dokumentation | Veröffentlicht am: 2. August 2002

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Liebe Friedensfreundin, lieber Friedensfreund,

gestern sind in der Ukraine bei einem Unfall im Rahmen einer militärischen Luftfahrtschau über 80 Menschen gestorben, es wird noch mit weiteren Toten gerechnet.

Vor fast genau 14 Jahren – am 28. August 1988 – ist in Ramstein / Pfalz ein ähnlicher Unglücksfall geschehen. Damals hatte die Mannheimer Friedensbewegung einen Tag später eine spontane Mahnwache und Kundgebung durchgeführt.

Ich füge Dir den Text meiner damaligen kurzen Ansprache bei. Man könnte das damals Gesagte fast mit jedem Wort am heutigen Tag wiederholen.

„Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!“ verlangte 1952 Bertolt Brecht in einer Rede für den Frieden.

In diesem Sinne mit freundlichen Grüßen Mathias Kohler

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Mannheim, den 29. August 1988

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

wir haben uns heute Nachmittag hier in der Mannheimer Innenstadt zu einer Kundgebung und Mahnwache versammelt, weil gestern in Ramstein/Pfalz eine schreckliche Katastrophe in doppelter Hinsicht geschehen ist.

Wir beklagen und betrauern den Tod von über 70 Menschen, die einer sinnlosen militärischen Machtdemonstration zum Opfer gefallen sind. Es ist ein Wunder, dass nicht noch mehr Menschen im Flammeninferno der NATO-Kampfjäger gestorben sind.

Wir beklagen aber auch, dass Hunderttausende die Warnungen der Friedensbewegung, der Parteien und der Kirchen in den Wind geschlagen haben und in wahrhaften Pilgerzügen zu dieser Todesschau gezogen sind. Warum musste erst dieses schreckliche Unglück geschehen, um zu erkennen, dass solche Militärschauen vollkommen überflüssig sind? Warum lassen sich die Menschen von solchen kriegsverherrlichenden Veranstaltungen immer wieder einfangen? In Ramstein haben doch keine Segelflieger, keine Sportpiloten und keine Rettungsflugzeuge ihr fliegerisches Können gezeigt. In Ramstein wurden Todesbomber im Formationsflug präsentiert, die im sogenannten Ernstfall tausendfachen Tod, Schrecken und Leid bringen. In Ramstein wurden Instrumente moderner Massenvernichtungsmittel vorgeführt. In Ramstein konnte man bei Cola und heißen Würstchen die Esthetik der Vernichtung begaffen. Ich frage, wie lange sollen wir noch mit diesem Wahnsinn konfrontiert werden? Wie viele Menschen sollen denn noch sterben?

US-Präsident Reagan und UdSSR-Staatschef Gorbatschow sollen mit dem Friedensnobelpreis geehrt werden. Angesichts der Toten von Ramstein wird das zur Farce. Wenn die Abrüstungspolitik, die im Rathaus von Stockholm geehrt werden soll, einen Sinn hat, dann muss die Zurschaustellung militärischer Macht endlich ein Ende finden.

Dann müssen aber auch die Tiefflüge eingestellt werden. Muss denn erst ein Düsenjet in die BASF oder auf eines der vielen umliegenden Atomkraftwerke abstürzen, damit die arroganten Militärs und ihre regierungsamtlichen Organe endlich einsehen, dass die angebliche Verteidigung unseres Landes nur Bedrohung und Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der Menschen in der dicht besiedelten Bundesrepublik bedeutet?

Bei uns wird aufgerüstet und Krieg gespielt, als ob Abrüstung und Entspannung ein Fremdwort sei. In einer knappen halben Stunde beschließt die Bonner Koalition das allergrößte Rüstungsprojekt – den Jäger 90 – ein Milliardending, das so sinnlos wie kaum irgendetwas auf dieser Welt ist. Atomare Kurzwaffen sollen modernisiert werden – so nennt man das in der Lügenssprache, die Worte wie ,,Nachrüstung?, ,,Modernisierung?, ,,Gleichgewichtsherstellung? usw. kreiert und eigentlich die Vernichtung von Menschenmassen meint.

Schauen wir nach links über den Rhein: Die Pfalz ist der größte Flugzeugträger der USA außerhalb ihres eigenen Territoriums. Schauen wir nach rechts Richtung Viernheim: im Käfertaler Wald lagern chemische Waffen, um damit ganz Europa ausrotten zu können. Schauen wir in die Zeitung: Beginnend mit dem heutigen Tag haben sich bis zum 7. September 2.600 US-Soldaten im Käfertaler Wald eingegraben und zerstören mit 100 feuerspeienden N-1-Panzern die Reste unseres Naherholungsgebietes.

Wann wird diesem Wahnsinn endlich Einhalt geboten? Wann lassen die Menschen nicht mehr von Kriegsschauspielen und Aufrüstungsreden einlullen? Warum sind Tote manchmal überzeugender unsere immer wieder vorgetragenen Argumente? Wann sind Toten von Ramstein wieder in Vergessenheit geraten?

Die deutsch-amerikanische Freundschaft braucht keine Flugschauen, braucht keine Tiefflüge, braucht keine chemischen Waffen, braucht keine Manöver und keine Panzer im Käfertaler Wald!

Machen wir mit all diesem Wahnsinn endlich Schluss! Fallen wir den Militärs und den Aufrüstungspolitikern in die Arme, bevor es zu spät ist

Wir wollen leben! Wir wollen Frieden schaffen ohne Waffen!

Mathias Kohler Sprecher des Mannheimer Arbeitskreises für Frieden und Abrüstung (MAFA)