Weder diese noch andere Kriege – es gibt keine Alternative zum Frieden!

Rede von Claudia Haydt auf der Kundgebung vor dem Amerikahaus in Köln am 22. Mai 2002 anläßlich des Bush-Staatsbesuchs in Deutschland

von: Claudia Haydt | Veröffentlicht am: 23. Mai 2002

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Wir stehen hier, weil wir unseren Protest äußern wollen gegen die US Kriege, weil wir uneingeschränkte Solidarität für eine großen Fehler halten und weil wir befürchten, dass die Welt schon lange nicht mehr so dicht am Rande des Abgrundes stand.

Wir protestieren gegen Bushs Terror-Krieg, aber auch der deutschen Regierung gilt unser Protest. Wir werden es der deutschen Regierung nicht so einfach machen, sich hinter Bush, Cheney und Rumsfeld zu verstecken. Die ?Achse des Krieges? zieht sich nicht nur durch Washington und London, sondern auch durch Berlin.

Krieg ist zum normalen Mittel der Politik geworden, er ist nicht einmal mehr Ultima Ratio, sondern offensichtlich immer mehr erste und einzige Ratio geworden ? sowohl in den Strategien der US-Regierung als auch bei Ihren europäischen Verbündeten.

Kein Krieg funktioniert dauerhaft ohne Verbündete, ohne Verbündete, die mitmachen, ohne Verbündete, die zahlen und ohne solche, die durch ihr Schweigen zustimmen.

Doch wir wollen nicht schweigen!

Auch wenn offensichtlich, manche Politiker in diesen Tagen ernsthaft bedauern, dass jemals so etwas wie ein Demonstrationsrecht eingeführt wurde ? wir protestieren! Und es gibt so viele Gründe für Protest:

1. die Durchführung weltweiter und zeitlich unbegrenzter Kriege

2. die Androhung des Einsatzes von Atombomben
— auch gegen Länder, die gar keine besitzen
— auch gegen Länder, die offiziell gar keine Feinde (mehr) sind wie China und Russland

3. der Bruch zahlloser internationaler Verträge und Abkommen (Start II. u.a.)

Dadurch wird eine völlig unkalkulierbare neue Proliferationswelle in Gang gesetzt!

Länder, die sich wirksam gegen Interventionen schützen wollen, müßen – militärisch immanent gedacht ? ein eigenes Abschreckungspotential aufbauen. In diesem Kontext sind Programme zur polizeilich/militärischen Bekämpfung von Proliferation nicht mehr als Alibi-Aktionismus.

4. die Mißachtung, von demokratischen Strukturen, Unterstützung von Terror und Umsturz (Venezuela), die Unterstützung undemokratischer Regime (Saudi-Arabien)….

Wir wollen diese Formen der offenen und verdeckten Kriege nicht!
Wir wollen überhaupt keine Kriege!

Die Liste der Einsatzgebiete im sogenannten Kampf gegen den Terror und in anderen militärischen Unternehmungen ist lang:

Afghanistan, Usbekistan, Türkei, Kenia, Djibouti, Kuwait, Bahrain, Bosnien, Mazedonien, Kosovo, Georgien, Horn von Afrika…

Die Liste der US-Amerikanischen Einsatzgebiete wäre noch länger, aber diese Liste der Einsätze deutscher Soldaten ist (obwohl sie nicht vollständig ist) viel zu lang, um noch daran zu glauben, dass deutsche Außenpolitik Friedenspolitik sein soll.

Zugegeben ? selten sind die deutschen Soldaten allein vor Ort , aber sie sind dabei und auch die Liste der Gebiete in denen deutsche Truppen den Oberbefehl oder wenigstens die ?taktische Führung? haben, wird immer länger. Das Kommando Spezialkräfte kämpft mit US- und britische Truppen nach wie vor einen schmutzigen Krieg in Afghanistan ? obwohl dieser Krieg angeblich längst gewonnen ist. Am Horn von Afrika ?entsorgt? die deutsche Marine bei sogenannten Übungen ihre alte Munition.

Deutsches Militär hilft dabei eine gigantische Drohkulisse aufzubauen. Deutsches Militär steht Gewehr bei Fuß vor den Schauplätzen der zukünftigen Kriege ? besonders an den Grenzen zu Irak und Somalia.

Wahrscheinlich stimmt es, daß die deutsche Regierung nicht enthusiastisch für einen Krieg gegen den Irak ist, aber sie scheint große Angst zu haben, dass dieser Krieg ohne deutsche Beteiligung stattfindet.

Doch zum Glück gibt es in der Bevölkerung ? noch ? keine Kriegsbegeisterung.

Laßt uns darum kämpfen, daß dies Begeisterung nicht entstehen kann!
Wir wollen Bushs Kriege nicht!
Aber wir wollen auch Schroeders, Fischers und Scharpings Kriege nicht!
Wir wollen gar keine Kriege!

Machen wir uns nichts vor, die deutsche Beteiligung am Terror-Krieg ist etwas anderes als eine unfreiwillig oder zögerlich eingegangene Bündnisverpflichtung.

Einmal abgesehen davon, daß die NATO in diesem Krieg außer zur Feststellung des Bündnisfalls sowie überhaupt keine Rolle spielt ? die deutschen Interessen haben ohnehin eine anderen Charakter:

Der groß angelegte Einsatz deutscher Soldaten ist ein klares Indiz für den Versuch des weltpolitischen Aufstiegs Deutschlands.

Die Zeit der ?sekundären Hilfsdienste? im militärischen Bereich, die ist erklärtermaßen endgültig vorbei ? daran lies Schroeder im Rahmen des Ermächtigungsbeschlußes im letzten Herbst keinen Zweifel.

?Nie wieder Krieg von Deutschem Boden!? ? das war einmal.
Heute ist Deutschland wieder ein ganz ?normales? Land, das überall auf der Welt frei schießen kann. ? Was für ein Fortschritt!

Wer sich selbst die Finger dreckig gemacht hat, der tut sich schwer, glaubwürdig Protest auszusprechen, wenn andere ihre militärische Interessenspolitik noch aggressiver umsetzen.

Darum Finger weg von diesem Krieg!
Keine deutsche Beteiligung an diesen Terror-Kriegen!
Egal wo, egal gegen wen ? wir wollen diese Kriege nicht!

Die sogenannte ?Allianz gegen den Terror? ist meines Erachtens das gefährlichste Netzwerk das momentan weltweit aktiv ist.

Die Allianz hat das größte militante Potential, es setzt dieses Potential rücksichtslos ein und es droht mit weiteren Aktionen.

Darüber hinaus hat diese Allianz eine fatale Vorbildfunktion. Der sogenannte ?Kampf gegen den Terror? ist nun zum universal einsetzbaren Legitimationsmuster für Militaristen überall auf dieser Welt geworden.

Tschetschenien, Naher Osten, China, Kaschmir ….

Dabei haben die menschenverachtenden Anschläge vom 11. September doch vor allem eins gezeigt: Terror ist mit den einfachsten Mitteln möglich, er braucht keine große Infrastruktur und er ist militärisch weder bekämpfbar noch besiegbar.

Wer also dennoch den militärischen Weg zur Bekämpfung des Terrors geht und dabei in Kauf nimmt, dass noch mehr Terror entsteht, der hat wohl ganz andere Interessen.

Fast alle Pläne des Terror-Krieges lagen längst vor dem 11. September in den Schubladen ? es fehlte nur der Anlaß.

Es fehlte der Startschuß für die Neuaufteilung der Welt, für die neue Festlegung von Macht- und Einflußgebieten, für die Schaffung einer neuen Weltordnung nach Ende des Kalten Krieges.

Die Militaristen dieser Welt mußten zwar feststellen, daß die militärische Machbarkeit an Grenzen stößt, dass selbst ein kleines Land wie Afghanistan, nicht von heute auf morgen kontrolliert werden kann.

Wir sollten aber nicht den Fehler machen, daraus zu schließen, dass die weiteren Kriegspläne nun Makulatur werden. Der Krieg gegen Irak kommt nun wohl nicht im Herbst, sondern erst im Frühjahr ? aber er kommt.

Der Krieg gegen Somalia kommt wohl nicht sofort, aber die Truppen stehen bereit.
Die Kämpfe in den Philippinen finden als nicht erklärter Krieg auf der Ebene von Kommandounternehmen statt.

Wir werden immer weiter auf jahrelang anhaltende Kriege vorbereitet.
Die Entschlossenheit der Militärs und ihrer Regierungen ist ungebremst.

Laßt uns deswegen genauso entschlossen dagegen protestieren!
Wir wollen diese Kriege nicht.

Bei der nun stattfindenden Rekolonisierung dieser Welt kommt es wohl nicht mehr auf die komplette Kontrolle ganzer Länder an. Ein gewisses Maß an inneren Spannungen und Kämpfen ist hier eher nützlich für die neuen Kolonisatoren ? es legitimiert die Präsenz fremder Truppen und verhindert eigenständige demokratische Strukturen.

Es geht wohl vor allem um die Errichtung von Stützpunkten an geostrategisch wichtigen Positionen und damit um die Markierung von Einflußsphären. Bei vielen europäischen Regierungen wird dieser Mechanismus nicht in Frage gestellt.

Die einzige Frage scheint die, ob die einzelnen europäischen Länder ihre Position in der Welt am besten als Hilfsheriffs der USA sichern, oder ob sie der US-Militärpolitik eine eigene europäische Militärpolitik entgegenstellen wollen. z.B. durch Aufstellung der EU-Eingreiftruppen und durch eigenständig Rüstungsprogramme der EU.

Bezahlen wird den Kriegswahnsinn in jedem Fall die Bevölkerung ? hier mit Sozialkürzungen und in den Kriegsgebieten mit dem Leben.

Jeder Krieg, egal ob unter US- oder Europäische Führung setzt eine dauerhafte Aufteilung der Welt voraus, in Gut und Böse ? in post-modern und vor-modern ? in zivilisiert und unzivilisiert, in Schurkenstaaten und Ordnungsmächte.

Ob ich Gewaltausübung nun Terror, Gegenterror, Krieg oder Ordnungsmaßnahmen nenne, das ist für die Opfer egal.

Doch der Westen scheint auf dem besten Wege seine doppelten Standards zum Prinzip zu erklären. Wie Blairs Berater Robert Cooper deutlich formulierte:
„Die Herausforderung der postmodernen Welt ist es, mit der Idee doppelter Standards klarzukommen. Unter uns gehen wir auf der Basis von Gesetzen und offener kooperativer Sicherheit um. Aber wenn es um traditionellere Staaten außerhalb des postmodernen Kontinents Europa geht, müssen wir auf die raueren Methoden einer vergangenen Ära zurückgreifen – Gewalt, präventive Angriffe, Irreführung, was auch immer nötig ist um mit denen klarzukommen, die immer noch im 19. Jahrhundert leben, in dem jeder Staat für sich selber stand. Unter uns halten wir uns an das Gesetz, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir ebenfalls das Gesetz des Dschungels anwenden.“

Eine solche zynische Politik werden wir nie akzeptieren!

Schlussendlich funktioniert jeder Krieg nach den selben schmutzigen Gesetzen.
Es gibt keine bessere oder schlechtere hegemoniale Politik, es gibt keine bessere oder schlechtere Kriegspolitik.

Es gibt nur eine Lösung:
Stoppt diese Politik!
Stoppt diese Kriege!
Danke!