in: Neues Deutschland 19.04.2002

»A 20« – Stoppt den Krieg des Weißen Hauses!

Viele Gruppen wollen den Grundstein für eine Oppositionsbewegung in den USA legen

von: Max Böhnel, New York / Dokumentation | Veröffentlicht am: 20. April 2002

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»A 20« – das Kürzel steht für einen US-amerikanischen 20. April. Am kommenden Sonnabend wollen
tausende, Optimisten zufolge zehntausende Menschen in Washington ihren Protest gegen den »Krieg
gegen den Terrorismus« der Bush-Regierung bekunden.

Stop the war, at home and abroad« (Stoppt den Krieg, zu Hause und im Ausland) heißt das Motto der Demonstration, die von
Hunderten von Gruppierungen unterstützt wird. Seit Mitte der Woche versammeln sich in der Hauptstadt alte und junge
Kriegsgegner, alte Linke ebenso wie studentische Initiativen, Globalisierungsgegner und religiöse Verbände, um auf
Podiumsveranstaltungen und »Teach Ins« Gedanken auszutauschen und die Medienöffentlichkeit aufzuklären.

Langfristiges Ziel aller Beteiligten ist es, den Grundstein für eine Oppositionsbewegung zu legen, die den Durchmarsch des
Weißen Hauses aufhalten kann. Als Voraussetzung wird die Bereitschaft vieler Initiativen betrachtet, die Elfenbeintürme des
Spezialistentums und der Einpunkt-Orientierung zu verlassen und sich auf eine Vernetzung einzulassen. Nur so werde der
»Krieg gegen den Terrorismus«, der auch im Inland deutliche Spuren hinterlasse, realistisch zu stoppen sein.

Auf vielen Vorbereitungspapieren ist als Warnung das Zitat von Außenminister Richard Cheney zu lesen. Der Krieg der
Regierung, hatte er am 6. Oktober verkündet, »wird wahrscheinlich nie enden, jedenfalls nicht zu unseren Lebzeiten«.
Ein ähnlich orientiertes Spektrum mobilisiert zu »Teach Ins« und einer ebenfalls für Sonnabend geplanten Demonstration an
der Westküste in San Francisco. »Die extremsten militaristischen und rechten Elemente haben die Regierungsgeschäfte
übernommen«, heißt es in dem Aufruf, »Während der Krieg in Afghanistan, einem der ärmsten Länder der Welt, weiterhin
Todesopfer fordert, bringen amerikanische F-16-Bomber und Apache-Hubschrauber Tod und Zerstörung über
palästinensische Flüchtlingslager und Städte. Das Pentagon schickt Truppen auf die Philippinen, nach Jemen und Georgien.
USA-Militaerinterventionen in Kolumbien und in Peru nehmen an Schärfe zu.« Gewarnt wird auch vor den
Kriegsvorbereitungen gegen Irak und vor den atomaren Planspielen des Pentagon gegen Russland, China, Iran, Irak, Libyen,
Syrien und Nordkorea, die nach Veröffentlichung des »Nuclear Policy Review«-Berichts am 9. März bekannt geworden
waren.

Den Demonstrationen werden sich erstmals etliche muslimische und arabische Gruppierungen anschließen. Deren Gründe,
zusammen mit linken und pazifistischen Organisationen wie Black Radical Congress, War Resisters League und den
Vietnam Veterans for Peace auf die Straße zu gehen, ergeben sich geradezu zwangsläufig aus dem Krieg nach innen und
außen. Da sind zum Beispiel in den USA lebende Palästinenser, deren Angehörige in den israelisch besetzten Gebieten
Opfer US-amerikanischer Waffenlieferungen an Israel wurden. Oder die seit Jahren in den USA lebenden, hart arbeitenden
und Steuern zahlenden Pakistanis, die im Rahmen der »Antiterror«-Gesetzgebung abgeschoben werden sollen.
Mehr als tausend Immigranten befinden sich seit dem 11. September in Haft, ohne dass die Behörden dafür konkrete Gründe
angeben. Der »US Patriot Act«, von Justizminister John Ashcroft entworfen und vom Kongress abgesegnet, macht dies
möglich. Die Behörden richten sich inzwischen auf eine Lawine von Prozessen ein, mit denen Anwälte die Freigabe der
Namen der betroffenen Immigranten und deren Freilassung anstreben.

Philippinische Organisationen mobilisieren nach Washington und San Francisco ebenso wie kolumbianische. Gerade für
arme Neueinwanderer aus »Krisengebieten« dürften die Zusammenhänge zwischen innerer und äußerer Militarisierung
relativ klar sein. So hat die Regierung das Militärbudget für dieses Jahr um 10 Prozent erhöht, im kommenden soll es um
zusätzliche 48 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Dagegen müssen mittlerweile 44 Millionen US-Amerikaner ohne
Krankenversicherung leben, und jedes vierte Kind lebt unter der offiziellen Armutsgrenze.

Dass die USA-Behörden bereit sind, politischem Widerspruch gegen herrschende Politik und Konzerne mit der
Einschränkung politischer Freiheiten zu begegnen, zeigte sich zuletzt am Mittwoch. Washingtons Polizei verbot
Straßentheater und kleinere Demonstrationen, die am Wochenende vor der Weltbank und dem Internationalen
Währungsfonds stattfinden sollten. Außerdem wollten die Organisatoren, die »Mobilization for Global Justice«, vor den
Büros von Coca Cola, Citibank, Monsanto und Occidental Petroleum auf die Machenschaften dieser Konzerne in Kolumbien
hinweisen – was jetzt weitab stattfinden muss.

Tobias Pflüger von der Tübinger Antimilitarismus-Initiative, der am Wochenende das große Jahrestreffen von Linken bei der
New Yorker »Socialist Scholars Conference« besucht hatte, sieht die Augen von Kriegsgegnern weltweit am Wochenende
erwartungsvoll auf die Demonstrationen in den USA gerichtet. Große Proteste hier würden der Protestbewegung auch in
Deutschland Schubkraft verleihen.