Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Ostermarsch Düsseldorf 30.03.2002 – Rede Tobias Pflüger – Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Die Lage ist ernst!

Tobias Pflüger (30.03.2002)

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Düsseldorferinnen und Düsseldorfer!

Die Lage ist ernst!

Laßt mich eine Vorbemerkung machen bevor ich zu meinem eigentlichen Thema komme:

Die Situation in Israel/Palästina ist die letzten Tage eskaliert. Ein palästinensischer Selbstmordattentäter hat 21 Menschen brutal umgebracht. Daraufhin ist die israelische Armee in Ramallah einmarschiert und hat die gesamte Stadt besetzt. Und das israelische Militär hat erstmals direkt Jassir Arafat militärisch angegriffen.

Wer auf eine Vermittlung der US-Regierung oder der deutschen Regierung im Nahostkrieg hofft, hofft leider vergebens. Weder die US-Regierung noch die deutsche Regierung sind neutral in diesem Konflikt. Beide die USA und Deutschland liefern z.B. umfassend Waffen und Waffenmaterial an Israel. Wir fordern ein Ende der Waffenlieferungen an die israelische Regierung!

Es muß von unten ein Druck gemacht werden.

Wir werden weiterhin Gruppen der israelischen Friedensbewegung – wie Gush-Shalom – unterstützen! Und wir werden weiterhin zivile Kräfte der palästinensischen Seite unterstützen!

Gemeinsam mit der israelischen Opposition, der israelischen Friedensbewegung und den zivilen Kräften auf der palästinensischen Seite fordern wir:

– Eine Ende der brutalen Selbstmordanschläge von palästinesischer Seite
– Eine Ende der sogenannten „Liquidierungen“, sprich die Mord-Attenetate, auf einzelne Palästinen-ser, die das israelische Militär regelmäßig durchführt
– Doch ein Ende der direkten Gewalt ist nur ein Teil der Lösung
– Notwendig ist ein Ende der strukturellen Gewalt. D.h.:

Es muß ein Ende – der Absperrungen, – der allnächtlichen (Kollektiv-)Bombardierungen palästinensischer Siedlungen durch israelisches Militär und – ein Ende der Sonderrechte israelischer Siedler im besetzten Ge-biet z.B. bei der Straßennutzung, der Wassernutzung und der Landnahme geben.

Wer einmal in der Konfliktregion selbst war, erlebt direkt, was strukturelle Gewalt ist.

Brecht hat das sehr klar beschrieben: „Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stecken, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Selbstmord treiben, einen in den Krieg führen. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“

Das trifft nicht nur auf Deutschland sondern auch genau auf Israel / Palästina zu.

Amira Hass und Felicia Langer, beide Kinder von Holocaust-Überlebenden beschrieben die Situation für die Palästinenser/innen, die Besatzung des israelischen Militärs treffend als Apartheit.

– Ganz zentral ist ein Rückzug des israelischen Militärs in die Grenzen Israels von vor 1967!

– Das Existenzrecht Israels, für das wir in aller Deutlichkeit eintreten, wird dann sicher, wenn endlich die israelische Besatzungspolitik beendet wird!

Nun zu meinem eigentlichen Thema:

Die Bundeswehr ist derzeit mit 10.000 Soldaten im Auslandseinsatz

Diese gliedern sich im wesentlichen fünf Einsätze: SFOR in Bosnien, KFOR im Kosovo, Fox in Mazedonien, ISAF im Großraum Kabul / Afghanistan und der umfassendste Einsatz der Bundeswehr aller Zeiten „Endu-ring Freedom“.

Beim Einsatz „Enduring Freedom“ geht einigen so langsam der Überblick verloren, z.B. dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Helmut Wieczorek.

Bundeswehrsoldaten sind derzeit im Rahmen dieses Einsatzes in Kuwait, in Kenia, in Djibouti, am Golf von Aden, im südlichen Roten Meer, im Seegebiet entlang der Küste von Somalia, im Mittelmeer, in Usbekistan, im Oman, im Iran, in den USA mit AWACS-Flugzeugen, in der Türkei und nicht zu vergessen, mitten in Kämpfen in Afghanistan.

Die neuen Auslandseinsätze der Bundeswehr (ISAF, ENDURING FREEDOM) werden in Potsdam-Geltow beim neuen Einsatzführungskommando koordiniert.

Der Bundeswehreinsatz in Kuwait mit derzeit 50 Soldaten ist – trotz aller Leugnungen der Regierung – der Vorbote eines fest geplanten Angriffs auf den Irak. Nach Angaben von US-Experten wird ein Krieg gegen den Irak zwischen Mai und Oktober kommen.

Wir sagen ganz deutlich von hier aus:
Gemeinsam mit der übergroßen Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung:

– Wir lehnen einen Angriff auf den Irak ab!
– Wir wollen keinen neuen Golfkrieg!
– Ein neuer Golfkrieg würde die weltpolitische Situation weiter enorm eskalieren!
– Die „Achse des Bösen“ von George W. Bush ist reiner Unsinn!

Dagegen setzen wir eine „Achse des Friedens“ und demonstrieren gegen den laufenden Krieg und den ge-planten Irak-Krieg am 21./22. Mai in Berlin.

Und: An die Regierenden: Zieht die Soldaten sofort aus Kuwait ab!

Die diversen Bundeswehreinsätze rund um Somalia sind – trotz aller Leugnungen der Regierung – Vorboten eines Angriffes auf das arme Land Somalia. Dieser Bundeswehreinsatz droht noch schneller zu kommen, als der Irakkrieg. Wir lehnen auch einen Krieg im Zusammenhang mit Somalia ab!
An die Regierenden: Gebt den Menschen dort Brot statt Bomben und laßt sie ansonsten in Frieden!

Der geheime Einsatz des Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan war Teil des brutalen Krieges in der Region Gardes. Christian Ströbele hat dieses Krieg dort zurecht als „Vernichtungskrieg“ bezeichnet. Dort werden die brutalen Thermobaric-Bomben eingesetzt, die alles verbrennen. U.a. deshalb wurden kaum Lei-chen von den angegeben mindestens 800 getöteten Gegnern gefunden. Zu diesen Gegnern: Es seien El Kaida-Kämpfer und Taliban. Es sind aber auch viele Zivilisten, die sich dort bewegen, viele unabhängige Stammeskämpfer, viele ehemalige Nordallianz-Kämpfer, die sich nicht der neuen US/Karsai-Linie beugen wollen, die in Afghanistan derzeit zusammengeschossen, verbrannt, vernichtet werden.

Hört endlich mit diesem dreckigen Krieg auf!

Der Einsatz des KSK muß nicht aus Schutz der Soldaten geheim gehalten werden, sondern um die rot-grüne Regierung zu schützen!

Diese Regierung ist zu feige hinzustehen und zu sagen, ja wir nehmen Teil an einem brutalen Zerstörungs-krieg, an einem Zerstörungskrieg der gegen Völkerrecht und Kriegsvölkerrecht verstößt.

Diese Regierung kann mit unseren Wähler/innenstimmen jedenfalls nicht rechnen!

Was machen die KSK-Soldaten, wenn sie das tun, was Rudolf Scharping sagt: „Taliban jagen und gefangen nehmen?“ Übergeben sie diese dann an die befehlshabenden US-Truppen? Das ist ein Bruch des Kriegs-völkerrechts, weil diese die Gefangenen nicht als Kriegsgefangene behandeln (Stichwort: „Guantanamo“)

Die Soldaten des KSK fordere ich hiermit auf, auch aufgrund des Bruch des Kriegsvölkerrechts ihren Dienst zu quittieren!

In der Protokollerklärung, die am 16.11.2001 mitverabschiedet wurde beim Beschluß einer „Ermächtigung“ – das heißt tatsächlich so – zum umfassensten Kriegseinsatz der Bundeswehr aller Zeiten, 3.900 Soldaten auf einem Drittel des Globus für mindestens ein Jahr von allen Einsätzen von sogenannten humanitären Einsät-zen bis hin zu Kampfaktionen wie jetzt in Afghanistan, in dieser Protokollerklärung stehen lauter Lügen drin:

– Der Bundestag wird umfassend über die laufenden Einsätze informiert. Eine Lüge
– Das KSK soll nur polizeilich-militärische Aufgaben (was immer das sein soll) übernehmen. Eine Lüge

– Deutsche Truppen sollen nur unter deutschem Befehl eingesetzt werden. Eine Lüge.
usw.

Gerhard Schröder sprach davon, daß im Afghanistankrieg nie Bodentruppen eingesetzt werden sollen. Eine Lüge! Das KSK ist Teil des Heeres und damit eine Bodentruppe.

Wir haben die Lügen dieser Regierung satt!

Die Protokollerklärung war zur Beruhigung von bündnisgrünen und linkssozialdemokratischen Gewissens-bissen da und hatte mit der Realität des Krieges nichts zu tun!

Christian Ströbele sagte, auf die offensichtliche Nichteinhaltung der Protokollerklärung angesprochen. „Ja diese Regierung hat schon viel beschlossen und versprochen, was sollen wir da machen?“ Was die kritische Minderheit bei SPD und Grünen machen soll? Sie soll gegen die Kriegspolitik der eigenen Regierung stim-men!

Gegen den Krieg sein, aber für den Krieg stimmen, das geht nicht!

Die Bundeswehr wurde umstrukturiert in eine „Armee für den Einsatz“. Von 290.000 Soldatinnen und Solda-ten der Bundeswehr sind sind 150.000 Einsatzkräfte, d.h. mit diesen 150.000 werden die realen Hauptauf-gaben der Bundeswehr die Auslandseinsätze durchgeführt.

Vor einem Jahr hatten sehr viele Ostermärsche die Forderung: „Kriege verhindern – Einsatzkräfte auflösen“! Auch der Ostermarsch Rhein-Ruhr!

Diese Forderung ist seit Beginn des umfassenden Terrorkriegs der USA, Großbritanniens, und der anderen Alliierten wie Deutschland dringender denn je: Wer keine Truppen zur Kriegsführung hat, kann keine anbie-ten und kann keinen Krieg mit führen.
Deshalb von hier und heute nochmal:
Auflösung aller Einsatzkräfte der Bundeswehr!

Der britische Außenminister Geoff Hoon hat zu den us-amerikanischen Atomwaffenplänen gesagt: „Es gibt sicher Staaten, die abgeschreckt werden können. […] Bei besorgniserregenden Staaten bin ich mir dabei viel weniger sicher. Sie können auf alle Fälle davon ausgehen, das wir unter den richtigen Umständen dazu be-reit sein werden unsere Nuklearwaffen zu benützen.“

Wir rufen der US-Regierung, der britischen und der deutschen Regierung zu:

Wir wollen keine Atomkriege auch keine mit Mini-Atomwaffen!

Die konkreten Atomkriegspläne der USA sind ein weiterer Lakmustest für die rot-grüne Regierung.

Es genügt nicht – wie Schröder es sagt: Nur gegen einen Irak-Angriff zu sein, wenn der Angriff kein UNO-Mandat hat.
Nein! Wir sind gegen jeden Krieg gegen den Irak, ob mit oder ohne UNO-Mandat!

Es genügt nicht, wie Fischer es sagte, lang lang ist her, mal über die Ersteinsatzoption von Atomwaffen in der NATO zu diskutieren, aber alles beim alten zu belassen. Wir wollen gar keine Atomwaffen und schon gar keine konkreten Atomkriegspläne.

Notwendig ist eine umfassende Abrüstung:

Dazu gehören:
– Die Auflösung der Bundeswehr-Einsatzkräfte
– Ein sofortiger Rückzug aller Bundeswehrtruppen, die im Rahmen von Enduring Freedom im Einsatz sind.
– Statt ca. 100 Milliarden Eure in Kriegswaffenprojekte zu stopfen, ist eine Umschichtung zugunsten von Ausgaben für Soziales, Ökologie und Bildung notwendig!
– Unser Ziel ist der völlige Abbau von Militär, auch der Bundeswehr und der NATO!

Der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann macht in einem Artikel in der Herald Tribune deutlich, was das Problem dieser Regierung ist: „Ein Krieg im Irak würde die deutschen Pazifisten der PDS auf Kos-ten der Grünen stärken. […] Ein Konflikt im Irak würde [ihn] [Schröder] dazu zwingen die schwierigste politi-sche Verpflichtung seines Lebens zu machen – den Amerikanern zu folgen, komme was da wolle. Dies könn-te dazu führen, dass er [bei den Bundestagswahlen] im September verliert.“

Wer Krieg als Mittel der Politik – als erstes und teuerstes Mittel der Politik – einsetzt, ist für uns nicht wählbar!

Drei Kriege – davon zwei Angriffskriege – in drei Jahren rot-grün sind drei Kriege zuviel!

Wir werden die Diffamierungen und polizeistaatlichen Repressionen wie in München bei der sogenannten Sicherheitskonferenz nicht hinnehmen. Wir werden auch weiterhin gegen Kriege demonstrieren und infor-mieren!

Wir stehen vor einem umfassenden Krieg, wenn der Irak angegriffen wird, wenn gar Mini-Atombomben ein-gesetzt werden sollten… Wir stehen vor einem noch größeren Einsatz der Bundeswehr als jetzt!

Wir müssen der umfassenden Kriegspolitik der US-Regierung und der deutschen Regierung eine umfassen-de außerparlamentarische Opposition, Protest und Widerstand entgegensetzen, das wird nicht einfach, aber es ist notwendig.

Ich wünsche Euch und Ihnen dabei viel Kraft. Vielen Dank!

Download: http://imi-online.de/download/OM-TP-Duess.pdf

Ein kurzer Bericht mit Fotos auf der Homepage der Antifa Düren:
http://www.antifa-dueren.de/themen/om2002/

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