Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

in: SPIEGEL ONLINE - 05. Februar 2002

Pazifistische Promotion

Stipendien in Serie

Spiegel-online / Britta Heidemann / Dokumentation / Pressebericht (05.02.2002)

SPIEGEL ONLINE – 05. Februar 2002, 12:00 URL: http://www.spiegel.de/unispiegel/geld/0,1518,180262,00.html

Von Britta Heidemann

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung steht der PDS nahe und finanziert Tobias Pflüger die Promotion zum Thema „Neue deutsche Militärpolitik seit 1989“. Für seine pazifistische Überzeugung ging er sogar schon vor Gericht.

Weil er die Soldaten aller Kosovo-Kriegsparteien aufgefordert hatte zu desertieren, erhob die Tübinger Staatsanwaltschaft im Jahr 2000 Anklage gegen Tobias Pflüger – er habe zu einer Straftat angestiftet. Pflüger dagegen argumentierte, der Krieg sei „völkerrechtswidrig und grundgesetzwidrig“. Er wurde freigesprochen, da er dank umfassender Information von „Völkerrechtswidrigkeit ausgehen“ könne, auch wenn diese letztlich nicht bewiesen sei.

Nicht nur mit dieser Vorgeschichte, sondern auch mit seinem Promotionsthema hätte er wohl bei keiner anderen Stiftung eine Chance gehabt, glaubt Tobias Pflüger: Die „Neue deutsche Militärpolitik seit 1989“ ist Gegenstand seiner kritischen wissenschaftlichen Arbeit. Im Januar 2000 erhielt er dafür eines der ersten Graduiertenstipendien der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die bereits 1990 gegründete Stiftung erhält seit Herbst 1999 Mittel aus dem Bundeshaushalt und fördert damit rund 170 Studenten und Doktoranden. Ausgewählt wurden die Stipendiaten im Schnellverfahren – einen detaillierten Kriterienkatalog wie bei anderen Stiftungen gibt es noch nicht. Festgeschrieben ist Grundsätzliches: Die Stiftung sei „den Zielen und Werten linker Strömungen und Bewegungen in Deutschland“ verbunden, dem Prinzip eines „demokratischen Sozialismus“ verpflichtet.

Probleme bei den anderen Stiftungen

Für Tobias Pflüger kam die Neugründung des elften deutschen Begabtenförderungswerks gerade recht: „Bei den anderen Stipendiengebern gäbe es sicher politische Probleme – doch ohne Stipendium könnte ich nicht promovieren.“ Immerhin hatte der 36-Jährige das Magisterstudium der Politikwissenschaft und der Empirischen Kulturwissenschaft in Tübingen „freifinanziert“ absolviert: „Ich bin eines dieser typischen Mittelstandsprobleme, mein Vater musste das Studium für drei Kinder finanzieren.“

Trotz Nebenjobs fand er nebenbei noch Zeit, sich als Parteimitglied der Grünen zu engagieren. Die Haltung der rot-grünen Regierung zum Bundeswehreinsatz in Krisengebieten jedoch bewog ihn zum Austritt aus der Partei. „Seither habe ich sehr gute Kontakte zur PDS, der einzigen Antikriegspartei in Deutschland.“ Als Vorstandsmitglied im Verein „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) schrieb Pflüger für die PDS-Bundestagsfraktion eine Studie über „Die Neue Bundeswehr“, die 1997 auch in Buchform veröffentlich wurde. Einladungen zu Vorträgen und Tagungen waren die angenehme Folge.

Auch bei den Treffen der Stipendiaten konnte Tobias Pflüger sein Fachwissen nutzen: „Die Treffen stehen unter einem bestimmte Thema, zu dem Studenten und Doktoranden kurze Vorträge vorbereiten.“ In Mecklenburg-Vorpommern etwa ging es um „Soziale Gerechtigkeit“: „Das ließ sich für mich natürlich leicht verbinden, indem ich die Bundesausgaben für das Militär mit den Ausgaben fürs Soziale verglich.“

Die Stiftung

1990 wurde in Berlin der Verein Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V. gegründet, durch die PDS als ihre parteinahe Bundesstiftung anerkannt und 1999 in Bundesstiftung Rosa Luxemburg umbenannt. Seit dem Jahr 2000 können mit Mitteln des Bildungsministeriums Förderstipendien vergeben werden. Die Stiftung ist „den Zielen und Werten linker Strömungen und Bewegungen in Deutschland“ verpflichtet. Zurzeit werden rund 120 Studierende und 50 Promovenden gefördert.

Bewerbung

Bewerben können sich Studierende, die an einer Universität oder einer Fachhochschule eingeschrieben sind – ab dem dritten bzw. vierten Semester. Anhand der Unterlagen wird eine Vorauswahl getroffen. Geeignete Bewerber können sich bei einer Auswahltagung „in mündlicher und schriftlicher Form“ vorstellen. Gleiches gilt für Promovenden. Der unabhängige Auswahlausschuss spricht dann seine Empfehlung aus.

Anforderungen laut Selbstdarstellung

„Die Bewerberinnen und Bewerber sollten sich durch hohe fachliche Leistungen und politisches und gesellschaftliches Engagement auszeichnen. Es muss erkennbar sein, dass ein überdurchschnittlich guter akademischer Abschluss zu erwarten ist. Die Stiftung legt besonderen Wert auf die Förderung von Frauen. Bevorzugt werden Bewerberinnen und Bewerber, die bei vergleichbarer Leistung und Befähigung sozial besonders bedürftig sind.“

Termine

Die Bewerbungsfrist endet zum 15. Juni bzw. 15. Dezember.

Adresse

Bundesstiftung Rosa Luxemburg e.V. Franz-Mehring-Platz 1 10243 Berlin Tel.: 030/29784221 Fax: 030/29784222 E-Mail: info@bundesstiftung-rosa-luxemburg.de

Original unter: http://www.spiegel.de/unispiegel/geld/0,1518,180262,00.html

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