in: Thüringer Allgemeine 31.01.2002

Furcht vor Krawallen

Von Ralf MÜLLER

von: Dokumentation / Ralf MÜLLER / Pressebericht | Veröffentlicht am: 31. Januar 2002

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Mit den Auswirkungen des Terrorismus wollen sich Politiker und Militärexperten aus 43 Ländern am Wochenende in München beschäftigen. An der 38. Konferenz für Sicherheitspolitik nehmen Außen- und Verteidigungsminister sowie Nato-Generalsekretär George Robertson teil. Die Stadt München entscheidet heute, ob sie Protestkundgebungen verbietet, berichtet unser TA-Korrespondent.

In weitem Umkreis um das Nobelhotel „Bayerischer Hof“ im Zentrum von München stehen bereits die Halteverbotsschilder: Wenn hier von morgen Tage an rund 200 hochkarätige Verteidigungs- und Außenpolitiker aus aller Welt zur „Münchener Sicherheitskonferenz“ zusammenkommen, wird der Bereich um das Hotel zur Hochsicherheitszone. Sogar eine am Hotel vorbeiführende Straßenbahn-Linie wird dann nicht mehr verkehren.

Gestern noch prüfte das Münchener Kreisverwaltungsreferat außerdem einen Antrag des Polizeipräsidiums, alle Gegenveranstaltungen gegen die als „Wehrkundetagung“ bekannt gewordene Konferenz zu verbieten. Die Entscheidung wird für heute erwartet.

Beim Kreisverwaltungsreferat war man gestern allem Anschein nach mit dem Material, das die Polizei zur Untermauerung ihres Verbots-antrages vorgelegt hatte, noch nicht hundertprozentig zufrieden. Man habe noch um „Konkretisierungen“ gebeten, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Nach Angaben von Polizeisprecher Wolfgang Wenger liegen derzeit Erkenntnisse des bayerischen Landesamts sowie des Bundesamts für Verfassungsschutz vor, wonach „bis zu 3000“ gewaltbereite Globalisierungs- und Nato-Gegner vorhaben, nach München zu reisen. Das sei ein „nicht akzeptables Gefährdungsrisiko“.

Die Konferenz-Gegner haben insgesamt zu vier verschiedenen Großveranstaltungen gegen die Sicherheitskonferenz aufgerufen. Die Behauptungen, 2000 bis 3000 gewaltbereite Krawallmacher wollten nach München kommen, bezeichnete Organisator Claus Schreer jedoch als eine „Erfindung“. Nach München kämen nur 200 gewaltbereite Personen – „und deren Treffpunkt ist uns bestens bekannt“, meinte Scheer, der auf der Liste der PDS für den Stadtrat kandidiert.

Rechtsanwältin Angelika Lex, welche die Konferenz-Gegner vertritt, warf Polizei und Sicherheitsbehörden vor, auf Zeit zu spielen, um den Demonstrationsveranstaltern „den Rechtsweg abzuschneiden“. Man werde gegen ein Verbot auf jeden Fall rechtlich vorgehen, hat Lex bereits angekündigt.

Die Polizei sei auch für den Fall vorbereitet, dass das beantragte Demonstrationsverbot nicht erlassen oder von den Verwaltungsgerichten aufgehoben werde, teilte Polizeisprecher Wenger mit: „Wir werden deshalb nicht beleidigt nach Hause gehen.“

Hinter den Kulissen gibt es allerdings Sorgen, dass die bisher bereit stehenden Polizeikräfte nicht ausreichen könnten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hatte vor einigen Tagen deren Zahl auf 3000 Beamte beziffert. Man frage derzeit in allen Bundesländern systematisch nach, ob noch Verstärkungskräfte nach Münhen entsandt werden könnten, so Wenger. Eine Verdoppelung der Einsatzkräfte schloss er nicht aus. Vorgesehen seien Straßen- und Bahnkontrollen.

Obwohl die Einwohner Münchens bereits seit Wochen von den Krawall-Bildern aus Genua in den Boulevardzeitungen aufgeschreckt werden, rief die Polizei zu einem „normalen Wochenendverhalten“ auf. Das Verrammeln von Läden wird deshalb von den Münchener Ordnungshütern für das Wochenende ausdrücklich nicht empfohlen. Zugenagelte Läden vermittelten nur den Eindruck, als hätte die Polizei die Lage nicht im Griff, hieß es.

Tobias Pflüger aus Tübingen, der sich bei der Pressekonferenz der Demonstranten als kritischer Friedensforscher vorstellte, sagte: „Hier werden genau diejenigen zusammenkommen, die die Kriege planen.“ Nicht Demonstranten, sondern Polizei und Stadt seien schuld an einer Eskalation. Auf den Plakaten aber, die hinter Pflüger klebten, prangte der Aufruf: „Von Genua nach München“.