Zwangsarbeit an der zivilen Front (Bericht im Tagblattanzeiger 29.08.2001)

von: 28. August 2001

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Stell dir vor, der Staat ruft Kriegsdienstverweigerer zum Zivildienst und keiner geht hin:

Caspar Bothmer verweigerte die „Zwangsarbeit“. Nach Meinung des Informatikstudenten aus Dußlingen läuft die rechtliche Stellung der Zivis „demokratischen Strukturen völlig entgegen“.

Als grundsätzlicher Gegner von Zwangsdiensten weigerte sich Caspar Bothmer 1996, seiner Einberufung zum Zivildienst nachzukommen. Damals studierte er noch Medizin in Berlin.

„Zivis sind Befehlsempfänger, von denen unbedingter Gehorsam verlangt wird“, beobachtete er während seines Praktikums an der Charité. „Und Zivis stehen unter massivem psychischem Druck. Ich kenne einige, die sich deshalb selbst das Leben genommen haben.“

Mit dem Dienst in Krankenhäusern oder Altenheimen erfüllen Zivis ihre Wehrpflicht. Für Bothmer, der sich bei der Tübinger Informationsstelle Militarisierung engagiert, ist das nicht nur ein abstrakter Zusammenhang auf juristischer Ebene.

Die Integration von Kriegsdienstverweigerern in ein militärisches Gesamtkonzept der Nato wurde ihm bewusst, „als die Berliner Zivis während des Golfkrieges amerikanische Soldaten für ihren Einsatz an der Front fit machen mussten“.

Totalverweigerer kommen aus unterschiedlichen weltanschaulichen Lagern. Allerdings bilden sie nur eine kleine radikale Minderheit unter den Kriegsdienstverweigerern. Denn Gefängnisstrafen zwischen drei und sechs Monaten für „Dienstflucht“ sind gängige Praxis in der Rechtsprechung. Es gibt aber auch Totalverweigerer, die 15 Monate eingesperrt werden. Freisprüche sind selten. Caspar Bothmer kam noch relativ glimpflich davon: Nachdem er zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, hat ihn der Berliner Senat begnadigt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Caspar Bothmer will in Tübingen eine Arbeitsgruppe gründen, die über Zivildienst und Totalverweigerung aufklärt. Infos dazu gibt es auf seiner homepage unter http://www.tkdv.de (E-Mail: caspar@cbothmer.org.)

zba (Stefan Zibulla)